– Bundesstart 12.09.2024
– Release 21.08.2024 (FR)
Preview, Kinofest 07.09.24, Fürth
Das Schlimmste was THE CROW 1994 passiert ist, dass man keinen schlechteren als Michael Wincott für die Rolle des Schurken finden konnte. Genauso ist es das Schlimmste für THE CROW 2024, dass man keinen schlechteren als Bill Skarsgård für den Helden besetzen konnte. Hauptrolle sticht Nebendarsteller, was allerdings bedeutet, dass THE CROW 2024 nicht gewonnen hat. Traurig ist für beide Adaptionen, dass man damit den jeweiligen Darsteller als zeitgemäßes Filmidol etablieren wollte. 1994 kam Brandon Lee ein bizarrer Unfall dazwischen. 2024 ist es nicht einfach nur Bill Skarsgårds defizitäres Charisma, sondern der Film als solcher. Eigentlich sollten Rezensenten einen Film vorurteilslos und frei von wertenden Vergleichen besprechen können. Allerdings fordert es THE CROW heraus.
Wenn jemand stirbt, trägt die Krähe die Seele eines Verstorbenen ins Land der Toten. Nur manchmal bringt die Krähe die Seele wieder zurück, um Falsches wieder in Ordnung bringen zu können. Bis es erst einmal soweit ist, fordert Regisseur Rupert Sanders Geduld von seinem Publikum. Seinerzeit ist Alex Proyas, nach dem Drehbuch von David Schow und John Shirley, direkt mit dem Grab von Eric Draven und dessen Wiederbelebung eingestiegen. In der aktuellen Adaption von Zach Baylin und William Schneider, ist das Drehbuch mit unnötiger Handlung derart aufgeblasen, dass es alleine eine Stunde dauert bis Eric Draven überhaupt stirbt. Deswegen wird der Regisseur auch nicht müde zu behaupten, dass seine Fassung keine Neuverfilmung wäre, sondern eine direkt an die Comics von James D. Barr angelehnte Interpretation sein würde.
Es gibt zahlreiche Elemente, welche die Theorie der eigenständigen Interpretation widerlegen. Nur die prosaische Einfachheit des Originals wurde nicht beibehalten. Jetzt muss man die Liebe zwischen Eric und Shelly sehen und erleben, vielleicht wegen der Angst man würde es nicht verstehen. Tatsächlich ist es so, dass Rupert Sanders den Beginn und Verlauf dieser Beziehung als uninteressanten Zeitfresser inszeniert, in dem die Anziehung zwischen den Figuren wie ein notwendiges Übel gezeigt wird, um die letzte Stunde zu rechtfertigen. Aber wirklich funkensprühende Momente erzeugt der Regisseur nicht. Von keinem der Beiden wird gezeigt oder erklärt, was sie an dem jeweils anderen bindet. Trotzdem werden dafür so viele Ebenen eröffnet, wovon aber kaum eine von Relevanz bleibt, oder zumindest befriedigend abgeschlossen wird.
Dann kommt noch ein übernatürliches Element dazu, welches auch keine Erklärung findet, aber in irgendeiner Weise Nervenkitzel erzeugen soll. Tatsächlich lenkt es zu sehr von Eric Dravens Mission ab. Hauptsache der ganze Plot ist so verschachtelt konstruiert, dass der Anstrich einer komplexen Geschichte entstehen soll. Doch die Komplexität entlarvt sich augenscheinlich in jeder Szene als künstlich überfrachtet. Was 1994 den eigentlichen Erfolg mitbegründete, wird 2024 sträflich ignoriert. 1994 ist ein Film den man als gigantisches Heavy-Metal-Video sehen kann, weil die visuelle Ästhetik eine profunde Struktur hat. 2024 macht Rupert Sanders viele Hip-Hop-Videos, die man lose aneinandergereiht als einen Film verkaufen will, der aber kaum Struktur hat. Das wiederrum will man scheinbar als Vielschichtigkeit verstanden wissen.
In der ersten Hälfte gelingt es denn Darstellern FKA twigs und Bill Skarsgård nur leidlich eine wirkliche und notwendige Beziehung zum Publikum aufzubauen. Dafür besticht die zweite Hälfte im vollen Kampf- und Rache-Modus mit exzessiven Gewaltdarstellungen. Was aktuell in Erinnerung bleiben wird, ist die außerordentliche Brutalität derer sich der Regisseur im sehr ausgedehnten Showdown bedient. Das wird Splatter-Freunde begeistern, aber Anhänger der Marke ‚The Crow‘ eher verschrecken. In Anbetracht des seichten, nur von Eindrücken geprägten Anfangs, wird hier explizit über die Stränge geschlagen. Wobei man der Kameraführung von Steven Annis zugestehen muss, dass optische Vergnügen sehr eindrucksvoll ganz oben zu halten. Viele Szenenbilder kreieren mit beeindruckenden Kompositionen ihre ganz eigene Atmosphäre.
Aber zu keinem Zeitpunkt erreicht CROW 2024 diese in sich geschlossene Struktur, wie Alex Proyas seinen Film 1994 in allen künstlerischen Belangen organisch zusammengeführt hat. Das dabei der obskure Tod von Brandon Lee einen bizarren Beitrag zum Gesamtkunstwerk leistet, ist mit gemischten Gefühlen zu betrachten. Deswegen sollten auch moralische Diskussionen über Rupert Sanders neue Adaption des Comics gar nicht geführt werden. THE CROW 2024 ist ohnehin in seinen eigenen künstlerischen Ansprüchen weit entfernt vom Meisterwerk, geschweige denn Kult-Klassiker. Aber irgendwann wird sich diese Fan-Basis finden, die irgendwo in den wenigen gelungenen Momenten ihren persönlichen Filmfavoriten entdecken. Und warum auch nicht.
Darsteller: Bill Skarsgård, FKA twigs, Danny Huston, Josette Simon, Laura Birn, Sami Bouajila u.a.
Regie: Rupert Sanders
Drehbuch: Zach Baylin, William Josef Schneider
nach der Comic-Buch Serie von James O’Barr
Kamera: Steve Annis
Bildschnitt: Chris Dickens, Neil Smith
Musik: Volker Bertelmann
Produktionsdesign: Robin Brown
USA, Frankreich, Großbritannien / 2024
111 Minuten