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Aus der 1912 gegründeten Firma KALMUS, COMSTOCK & WESCOTT erwuchs 1915 die TECHNICOLOR MOTION PICTURE COPERATION. Während noch keiner an den Tonfilm als Standard dachte, war der Farbfilm nicht aus den Köpfen der Entwickler und Produzenten wegzubekommen. Unter der Federführung von Herbert Kalmus machte Technicolor dem bereits seit 1906 verbreiteten Kinemacolor das Geschäft madig.
1917 gab es das eigentlich zufriedenstellende Zwei-Farben-Verfahren, mit dem Technicolor gleich selbst den ersten Spielfilm produzierte, THE GULF BETWEEN. Heute ist von dem Film keine vollständige Kopie mehr erhalten. Zur gleichen Zeit kaufte Dr. Daniel Comstock einen Eisenbahnwaggon, um darin ein komplettes Labor einzurichten. Mit diesem Waggon war es möglich, so nah am Drehort wie möglich aus unbelichtetem Material eine fertige Vorführkopie zu erstellen.
Dr. Kalmus‘ Frau Natalie machte sich in der neu formierten Firma sofort nützlich und begann, sich für Farbe und das Zusammenwirken von Farben zu interessieren. Und sie entwickelte dabei auch ihre ganz eigene Vorstellung von Farb-Dramaturgie. Währenddessen lief die Produktion mit dem sogenannten „Ersten Prozess“ des Zwei-Farben-Verfahrens nicht so berauschend. Die Projektion erfolgte nämlich über zwei simultan laufende Projektoren. Über ein Prisma an den Objektiven wurden der rote und der grüne Film auf der Leinwand zur Deckung gebracht. Wenn es der Vorführer schaffte. Meistens schaffte er es nur mit unbefriedigendem Ergebnis.
Sich der Unzulänglichkeiten bewusst, arbeitete Herbert Kalmus schon am „Zweiten Prozess“. Die zwei Farben mussten auf einen einzigen Filmstreifen gebracht werden. Vielleicht glückte diese Entwicklung, weil Kalmus endlich den Kopf frei bekam, als er sich 1921 von seiner dominanten Frau scheiden ließ. Auf der anderen Seite machte er Natalie, vielleicht aus Wiedergutmachung oder doch wegen ihres Könnens, zur Leiterin von Technicolors Abteilung für Farbberatung. Farbberater waren bei den Dreharbeiten anwesend, um die noch unerfahrenen Filmemacher bei den technischen Schwierigkeiten eventuell auftretender Probleme von Licht- und Farbgestaltung zu unterstützen.
Mit dem „Zweiten Prozess“ 1922 gab es kein Halten mehr. Der Farbfilm war in Hollywood angekommen. Teile von BEN HUR und den ZEHN GEBOTEN wurden in Technicolor gedreht. Teile nur, weil der Prozess eben aufwendig und damit teuer war. Aber der Eisenbahnwaggon von Daniel Comstock begann sich endlich zu rentieren. Große Gewinne machte das Unternehmen aber nie, weil man aus Überzeugung die Preise so weit wie möglich unten halten wollte. Zudem wurde jeder Ertrag wieder in die Entwicklung gesteckt. Alles Punkte, über die sich Comstock und Kalmus nie einig wurden. Damit aber jeder wieder beruhigt schlafen gehen konnte, entschied man sich zur Trennung. Comstock verließ die TECHNICOLOR COPERATION und Kalmus verabschiedete sich aus dem Zweig KALMUS, COMSTOCK & WESCOTT. Die Zusammenarbeit wurde aber zu keinem Zeitpunkt ausgesetzt.
Man muss dazu anfügen, dass jede Produktion von Farbfilmen oder Filmteilen, die in Farbe produziert wurden, ganz in den Händen von Technicolor lag. Auch das finanzielle Risiko lag bei Technicolor. Sollten Produzenten die Aufnahmen nicht gefallen oder aus künstlerischen Aspekten keinen Gebrauch im Film finden, trug Technicolor die Kosten.
Mit Douglas Fairbanks kamen noch größere Probleme hinzu. Trotz eigener Bedenken, dass Farbfilme das Auge ermüden und den Zuschauer ablenken würden, investierte Fairbanks die astronomische Summe von weit über hunderttausend Dollar für Testaufnahmen. Fairbanks‘ THE BLACK PIRAT wurde 1926 zur Freude von Publikum und Kritikern in Farbe zur Aufführung gebracht. Der große Erfolg des Films brachte TECHNICOLOR aber dann doch an die Grenzen des Machbaren. Die Möglichkeiten, die benötigten Kopiezahlen zu erstellen, waren begrenzt. Durch den Prozess der mit Matrizenfilmen bedruckten Vorführkopie waren beide Seiten des Films extrem empfindlich, zerkratzten schnell, oder der dünne Film verwarf sich im Bildfenster, was Unschärfen hervorbrachte. Ständig mussten Kopien erneuert werden. Fairbanks hatte keine andere Wahl, als BLACK PIRAT – DER SEERÄUBER auch als Schwarzweißkopie zu spielen.
Der Erfolg von Technicolor wurde gleichzeitig zum Fluch. Das gedachte Herbert Kalmus allerdings sofort abzuschaffen, indem er ab 1927 den „Dritten Prozess“ von Technicolor anbot. Hinzu kam in dieser Zeit die Einführung des Tonfilms. Kalmus war schlau genug, nicht nur den Aufdruck der Farbe auf den Träger- oder auch Blankfilm zu verbessern, sondern die Möglichkeit zu offerieren, den für die Kopie vorgesehenen Trägerfilm gleich mit Tonspur versehen zu können.
Mit der Einführung des sehr aufwendigen Drei-Streifen-Verfahrens, dem sogenannten „Vierten Prozess“, konnte Technicolor im Jahr 1933 seine Vormachtstellung gegenüber anderen Farbfilm-Anbietern wie Kinemacolor, Kodachrome oder später UFAcolor weiter ausbauen. Das von Kalmus erdachte Prinzip des getrennten Aufdrucks der einzelnen Farben war einfach zu gut entwickelt. Der Exklusiv-Vertrag mit Disney musste von fünf auf ein Jahr reduziert werden, weil jedes Studio in Hollywood das perfekte Farbbild von Technicolor für seine Produktion haben wollte. Die berühmtesten darunter sind natürlich VOM WINDE VERWEHT und DAS ZAUBERHAFTE LAND.
Doch mit Technicolor holte man sich auch den Schrecken ins Studio. Kamera und Kameramann mussten von Technicolor angemietet werden. Dazu gab es für jede Produktion die Farbberatung. Nicht ausschließlich, aber doch fast immer in Gestalt von Natalie Kalmus. Dazu erklärte die Frau in einem Interview 1938: „Wenn wir das Script für einen neuen Film erhielten, analysierten wir sehr genau jede einzelne Szene, um herauszufinden, welche vorherrschende Stimmung oder Emotion in der Szene ausgedrückt werden soll. Wir planten die perfekten Farben und Farbkombinationen, welche diese Stimmung ausdrücken sollten.“
Dass eine sehr moderne Frau wie Natalie Kalmus auch sehr bestimmend sein kann, stellten die Filmemacher schnell fest. Regisseur Rouben Mamoulian, der mit BECKY SHARP den offiziell ersten Technicolor-Langfilm inszenierte, soll des Öfteren angedroht haben, nicht mehr am Set zu erscheinen. War man allgemein davon ausgegangen, der Berater sei am Set, um die technischen Voraussetzungen festzulegen oder bei der Bewältigung von technischen Problem zu helfen, sah Natalie Kalmus ihre Aufgabe weitaus großzügiger. Sehr beherzt mischte sie sich in den kreativen Prozess der Bild-, Kulissen- und Kostümgestaltung ein. Regisseur Vincente Minnelli monierte dabei einmal, Frau Kalmus hatte an all seinen Entscheidungen etwas auszusetzen.
Für ein kreatives, aber eigenbrötlerisches Genie wie David Selznick war Kalmus natürlich ein Alptraum. Immer wieder versuchte er, bei der Technicolor Corporation zu erreichen, dass sich die Berater endlich aus den kreativen Bereichen der Filmgestaltung herauszuhalten hätten. Seine Einwände blieben ungehört. VOM WINDE VERWEHT war eine bis auf jedes kleinste Detail abgestimmte Produktion. Von Lichtstimmungen und Farbgebung bis hin zu Kameraperspektiven und Bildauflösung war alles durchdacht. Und hier konnte Selznick das von ihm so genannte „Gezeter-und-Untergangsstimmung-Prophezeien der Technicolor-Experten“ nicht mehr ertragen. Da er die Expertin vertraglich nicht vom Set werfen konnte, nutzte Selznick seine zahlreichen Beziehungen und ließ Natalie Kalmus noch während VOM WINDE VERWEHT gedreht wurde zu einer Produktion nach England versetzen.
Technicolor eröffnete in den produktionstechnisch wichtigsten Großstädten ihre Laboratorien, um für Dreharbeiten den Weg so gering wie möglich zu halten. Der Aufwand der Prozesse machte es notwendig, so nah wie möglich vor Ort zu sein, unter anderem in London, Paris und Rom. Der Eisenbahnwaggon von Comstock war ja schon lokal orientierter Vorreiter gewesen. Diese Nähe wussten die Produzenten allerdings auch sehr zu schätzen. Egal ob anfangs wegen des Drei-Streifen-Verfahrens oder später, nach der endgültigen Umstellung auf Eastman Kodak, wegen der Nachbearbeitung. Technicolor blieb am Ball der Entwicklung in der Filmindustrie.
Offiziell ist der 1954 produzierte FIREFOX – GOLDENES FEUER der letzte Film, der mit der enormen Drei-Streifen-Kamera aufgenommen wurde. Das beste filmische Ergebnis erzielte allerdings Jack Cardiff mit Unterstützung von Geoffrey Unsworth im 1947 entstandenen SCHWARZE NARZISSE. Der unterschätzte Film war bei Zuschauern und Kritikern auf sehr wenig Verständnis gestoßen, gilt aber unter Fachleuten als brillantestes Beispiel vom perfekten Umgang mit Technicolor und seinen Möglichkeiten.
George Eastman entwickelte Mitte der 1940er den sogenannten Sicherheitsfilm auf Azetat-Basis, und ein einstreifiger Farbfilm war es noch dazu. Eastman-Color konnte mit jeder beliebigen 35mm- oder 16mm-Kamera belichtet werden. Eastman-Color wurde zudem die wunderbare Eigenschaft nachgesagt, dass die Farben über die Jahre bei sachgerechter Lagerung nur wenig ausbleichen sollten. So hieß es.
Hingegen der Färbungs- und Druckprozess bei Technicolor bewirkte, dass die Farben auch über Jahrzehnte nicht ausblichen. Deswegen war die Zeit des dreistreifigen Kolorierungsprozesses noch lange nicht vorbei, als Eastman-Color mit seiner notwendigen, und im ersten Augenblick zufriedenstellenden, Alternative die Filmindustrie überraschte. Denn die Produktionen wollten die riesige und umständliche Drei-Streifen-Kamera loswerden und in erträglichen Lichtverhältnissen arbeiten.
In den überall auf der Welt verbreiteten Technicolor-Laboratorien wurden einfach die farbigen Kameranegative von Eastman auf die bekannten drei Streifen ausbelichtet. Der „Vierte Prozess“ des Farbdrucktransfers blieb damit erhalten und jede Farbe erhielt wieder ihren eigenen Matrizenfilm zum Fertigen von Vorführkopien. Zudem stellten sich aber die Labors auch darauf ein, für Produktionen zu arbeiten, die nicht das eigentliche Farb-Druck-Verfahren verwendeten.
Die gigantischen Drei-Streifen-Kameras wurden umgebaut und an Paramount verkauft, für das quer durch die Kamera laufende Vista-Vision. Drei Exemplare behielt Technicolor allerdings auf Lager, man konnte nie wissen. In der Hochphase des Kopierens von JAMES BOND JAGT DR. NO 1963 starb Technicolor-Vater Herbert Kalmus. Ein neues Management übernahm Technicolor, welches schließlich 1974 das Farb-Druck-Verfahren in Amerika komplett einstellte. Mit wenigen Jahren Abstand folgten jeweils die anderen in der Welt verteilten Laboratorien, die das bewährte Farb-Druck-Verfahren einstellten. Peking war dabei 1993 das letzte Labor.
Von Technicolor blieb nur der Firmenname, das seinen Ruf verdankende Farb-Druck-Verfahren, und das Erstellen der notwendigen Matrizenfilme wurde zum Relikt der Vergangenheit. Wie üblich ab den 1980er unterwarf sich auch dieses Unternehmen immer wieder Neustrukturierungen und natürlich auch diversen Verkäufen. Das Elektro- und Medienkonglomerat Thomson kaufte 2001 Technicolor und benannte sich anschließend danach.
Der Wandel im Laufe der Zeit machte aus den Farbkönigen eine stabile Firma, die in Produktion und Nachbearbeitung ihre Tätigkeitsfelder erweitern musste, und dies erfolgreich tat. Ob analog oder digital, für Aufbereitung oder Nachbearbeitung von Filmmaterial, für den technischen Service oder traditionelle Farbberatung. Für Effektezauber am Computer und dem Aufwerten handelsüblicher Filmkopien oder dem Transfer von einem auf ein anderes Trägermedium, Technicolor hielt sich. Und während sie im großen Ganzen agierten, verloren sie das wichtige Kleine aus den Augen.
„Wir haben uns auf unsere guten Ruf verlassen und darauf, dass die Studios uns einfach vertrauen,“ gestand Ahmad Ouri als Chef der Marketing-Abteilung dem Branchenblatt Daily-Variety. „Das ist nicht genug“, endet die gesunde Selbsteinschätzung. Der Markt ist gerade in den letzten zwanzig Jahren sehr eng geworden. Technicolor erging es nie schlecht, aber die Konkurrenz schläft bekanntlich nicht. Und auf den eigenen Ruf zu vertrauen, fördert auf die Dauer auch kein Wachstum. Das bedeutet, sich in den etablierten Angeboten weiter zu festigen, dazu aber ganz konkret den Vor-Ort-Service exzessiver zu betreiben. Technicolor hat gerade mit dem DP Light ein System entwickelt, das unmittelbare Farbkorrektur in Verbindung mit Aufnahme aber auch gleichzeitiger Projektion ermöglicht. Und das eben vor Ort, eine Kernkompetenz aus alten Tagen.
Das Vermächtnis ist groß. Als man daran ging, STAR WARS – EPISODE 4 zu restaurieren, stellte man fest, dass alle existierenden Farbkopien ausgewaschen und verblichen waren. Das seinerzeit vielgeschätzte Eastman-Color war gut, aber eben doch nicht so langlebig. EPISODE 4 war aber der letzte Film aus dem britischen Technicolor-Labor, von dem mit dem Drei-Streifen-Verfahren Farb-Druck-Kopien gefertigt worden waren. Die Farben waren brillant wie damals, und eine dieser Kopien konnte als Farbreferenz für die Restaurierung benutzt werden.
Der vermeintliche Tod des dreistreifigen Farb-Druck-Prozesses könnte auch nur ein Winterschlaf gewesen sein. Von dem restaurierten Vietnam-Trauma APOCALYPSE NOW REDUX ließ Regisseur Francis Coppola 2001 aufgrund der Farbtiefe und -brillanz die Vorführkopien im ausgedient gedachten „Vierten Prozess“ anfertigen.
Aber auch im Hier und Jetzt bleibt Technicolor der Name des Vertrauens. Warner Bros. bestreitet, dass Technicolor im Zusammenhang mit der Neuauflage von KAMPF DER TITANEN eine große Rolle spielen würde. Aber im überfüllten 3-D Markt, der über zu wenig Abspielstätten mit digitaler Projektion verfügt, steht Technicolor in den Startlöchern, um gegebenenfalls den KAMPF auf Zelluloid auszutragen. Natürlich in 3-D. Was Warner noch nicht wahrhaben will, kam dem finanziellen Geschäft der Cent-Fox sehr entgegen. Für AVATAR wurden von Technicolor soviele 70mm-Zelluloid-Kopien angefertigt wie für keinen anderen Filmtitel bisher.
‚Color by Technicolor‘ markiert einen Film, der komplett mit Ausrüstung und Verfahren von Technicolor produziert wurde. ‚Print by Technicolor‘ kennzeichnet die Filme, von denen lediglich die Vorführkopien bei Technicolor gedruckt waren. Zukünftig heißt es dann ‚Powered by Technicolor‘. Im Internet, im digitalen Kino und auf Zelluloid. Und es gilt auch für die riesigen Trucks mit ihren Auflegern, die nicht nur kleine Kinos beinhalten, sondern hauptsächlich ihr computergesteuertes Equipment und ihre einzigartigen Kreativlösungen direkt an den Drehort bringen. Dort, wo Film wirklich passiert. Wie es dereinst Daniel Comstock begründet hatte, als er diesen Eisenbahnwaggon zum Filmlabor umrüstete.