Über den Fanfilm

Dieser Artikel wurde bereits im September 2009 verfasst und veröffentlicht

The Force lives long and prosper

Harve Bennett hatte als Produzent von STAR TREK – WRATH OF KHAN den überaus lustigen Einfall, die Enterprise schlingern zu lassen, wenn Ltd. Saavik als Frau das Raumschiff aus dem Trockendock befehligt. Mördergag, Frau am Steuer. Wurde aber zum Glück nicht realisiert.

Sechzehn Jahre später erfreut ebendiese Situation Hardcorefans ebenso wie den einfachen Kinokonsumenten, wenn Tommy Webber die NSEA Protector  in die unendlichen Weiten führt und das Schiff am Dock entlang schrammt. Der Film war GALAXY QUEST, und er begeisterte mit seinem scheinbar unendlichen Zitatenschatz den Trekkie-Nerd genauso wie den Science-Fiction-Fan, der sich schon immer über STAR TREK lustig gemacht hat.

Das zu den beiden gegensätzlichen Gruppierungen auch noch der unbedarfte Zuschauer seinen Spaß aus dem Weltraumabenteuer ziehen konnte, ist dem grandios ausgewogenen Drehbuch von David Howard und Robert Gordon zu verdanken. Im Übrigen bisher Gordons einziges verfilmtes Drehbuch. Der Film ist ein Fan-Film durch und durch, nur mit besserem Budget. Die Macher haben genau verstanden wie man den Hebel ansetzt, um die Kuriositäten um Star Trek und sein Fandom vom Absurden ins Sympathische zu legen. Aus dem Spinner, darf da schon ein verkappter Held werden, der erst das Universum retten kann, wenn er den Müll raus gebracht hat.

GALAXY QUEST wurde vom Überraschungshit zum Phänomen, weil er über jeden Aspekt vom Fandom bis zu den Karrieren der nachempfundenen Stars, bis hin zu den Inhalten der Serie selbst konsequent schmunzeln oder hysterisch lachen lässt. Aber zu keinem Zeitpunkt verrät er seine Ideale. Doch GALAXY QUEST ist nicht einfach nur ein hervorragendes Gag-Feuerwerk, sondern erlangt mit einer sehr einfallsreichen Geschichte sogar eine wohl verdiente Eigenständigkeit. Eine Eigenständigkeit, die sich die Macher paradoxerweise vom Aneignen und geschickten variieren von Versatzstücken verdient haben. Gespickt mit exzellenten visuellen Effekten, darf man dann auch so endlich den Kampf des Captains gegen ein Steinmonster erleben. Eine Szene, die Admiral Kirk bei STAR TREK V aus finanziellen Gründen versagt wurde.

Und über die Auswahl der Darsteller braucht man bei GALAXY QUEST überhaupt keine Worte mehr verlieren. Noch heute wartet man darauf Tim Allen einmal neben William Shatner agieren zu sehen. Dieser Genre-Film hat es geschafft die eigenen Grenzen hinter sich zu lassen. Hier waren alle Mitwirkenden nicht einfach nur bei der Sache, sondern haben sich die Thematik verinnerlicht, haben ihre Arbeit gelebt. So greift von Musik, über Geschichte, hin zu den Darstellern, weiter über Regie und Crew, hin zu allen verwursteten Klischees alles perfekt ineinander. Es ist wirklich sehr selten, dass ein Film von Fans über Fans eine eigene Fan-Gemeinschaft etabliert.

Ensemble von GALAXY QUEST

Bis zu einem gewissen Grad kann man die Ursprünglichkeit von GALAXY QUEST vom unverbesserlichen Star-Trek-Fandom, auf das verbohrte Star-Wars-Universum übertragen. Zwei Parteien, wie sie sich nicht unversöhnlicher gegenüberstehen könnten. Natürlich verbindet beide Gruppierungen tief in ihrem Herzen die Leidenschaft und der Glaube an die Sache an sich, was aber noch lange kein Grund ist sich gegenseitig zu respektieren. Selbstverständlich hat jeder Darth-Vader-Anhänger STAR TREK gesehen, in Serie und Film. Und der Trekker kennt sich natürlich bestens mit den Familienverhältnissen der Skywalkers aus. Aber muss man deswegen gleich darüber reden?

Jene, die sich im Schnittbereich wohlfühlen und bekennend beide Reihen in ihr Abendgebet eingeschlossen haben, sind einfach nur Typen, die gute Science Fiction zu schätzen wissen. Die Mehrzahl der sogenannten Fans vergnügt sich in diesem Schnittbereich, sehen Special-Screenings von STAR TREK, haben alle Sondereditionen der STAR WARS Laserdiscs, sammeln Action-Figuren von Marvel-Helden und streiten sich um das letzte Heft von SANDMAN im Comic-Laden. Wie in FREE ENTERPRISE. Dem, laut Schlagzeile, ersten Star-Trek-Film für Fans von Star-Trek-Fans.

Eine kleine Seite im Buch der Filmgeschichte, dürfte FANBOYS einnehmen. Der Star-Wars-Film von Star-Wars Fans über Star-Wars-Fans. Hier ist nicht von Peter Haynes Kurzfilm FANBOYS die Rede, sondern von Kyle Newmans Versuch eine lebensnahe Geschichte um das Hardcore-Fandom auf sehr amüsante Weise zu erzählen. Die Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte von FANBOY selbst war dabei weniger amüsant. Der Plot einfach, aber genial: Weil ein eingefleischter Fan wegen seines Krebsleidens die Premiere von EPISODE 1:  PHANTOM MENACE wahrscheinlich nicht mehr erleben wird, beschließen seine Kumpel sich auf den Weg zur Skywalker-Ranch zu machen und eine Kopie des Films zu stehlen.

Das Besondere an der Entstehung von FANBOYS ist nicht, das die dicken Weinstein-Brüder, wie schon immer in ihrer Karriere, als Produzenten wahllos selbst den Film um schnitten und einen Nachdreh organisierten. Das Besondere war, dass diese unliebsamen Tyrannen des Independent-Kinos von Fans in die Knie gezwungen wurden. Die Weinsteins wollten die gesamte Krebsgeschichte aus dem Film eliminieren, um ihn massentauglicher zu machen. Die Fangemeinde rottete sich im Netz zusammen und rief zum Boykott von Dimensions SUPERHERO MOVIE auf, der ebenfalls Bob und Harvey Weinstein gehörte. SUPERHERO MOVIE sollte untergehen, wenn Kyle Newmans Fassung mit dem Krebs-Plot nicht in die Kinos kommen würde.

So eine extravagante Werbetrommel blieb Robert Meyer Burnett versagt, als er FREE ENTERPRISE in die Kinos brachte. Regent Entertainment konnte diesen Film Dank fehlender Finanzen kaum bewerben und ihn auch nur auf sehr, sehr wenigen Leinwänden unterbringen. Man spricht von 10 Engagements. Ob der Film je seine Herstellungskosten einspielte, ist nicht genau zu sagen. Und das ist eigentlich sehr schade. Das FREE ENTERPRISE später durch Mundpropaganda auf DVD etwas bekannter wurde, ist aller Wahrscheinlichkeit nach der Mitwirkung von William Shatner zu verdanken, und leider nicht der Inszenierung selbst.

Beide Filme sind sich sehr ähnlich, obwohl sie nicht unterschiedlicher sein könnten. Jeder für sich trägt den Zeitgeist der für seine Zeit aktuellen Kinoströmung. Im thematischen Fahrwasser von Cameron Crowes SINGLES siedelt FREE ENTERPRISE seine selbstbezogenen Figuren an und mischt dabei locker noch SWINGERS oder BROTHERS McMULLEN mit hinein.  Hier geht es um Verantwortung und Bindung, oder eigentlich um die Verweigerung diese anzunehmen. Während einer der Freunde im steten Finanzloch feststeckt und lieber eine überteuerte Sammlerfigur ersteht, anstatt die Stromrechnung zu zahlen, festigt der andere seine Beziehungsunfähigkeit, zugunsten seiner totalen Selbstkontrolle. Ja, man kennt diese Geschichte, die schon in anderen Filmen verwurstet wurde.

FANBOYS schwimmt auf dieser Welle von Teen-Klamauk, der grundsätzlich mit einer unrated-Edition auf DVD erscheint. Leicht überzogene, aber im Herzen doch sympathische Spinner, die sich mit absurdesten Situationen auseinandersetzen müssen, damit herzlich viel über deftigen, weil grenzwertigen Humor gelacht werden kann. Jeder Charakter glänzt dabei im Laufe des Films mit einer Eigenschaft, die man ihm eigentlich nicht zugetraut hätte. Das sie die Skywalker-Ranch erreichen und alles daran setzen ihrem Freund die in diesem Fall ‚letzte Ehre‘ erweisen, steht außer Frage. Es ist ein Film der natürlich um Freundschaft geht, aber vordergründig am Spaßfaktor interessiert ist.

FREE ENTERPRISE nutzt den Bezug zu STAR TREK sehr clever als Grundstock für die Entwicklung und den Status Quo der Figuren. Mark und Robert als Hauptcharaktere hatten beide Captain Kirk als imaginären Freund. Es ist eine Generation die in ihrer Kindheit noch allein mit der Originalserie aufgewachsen ist, und in ihrer Verehrung für die selbige oftmals über die Stränge schlägt. Bei einem Beziehungsstreit mit seiner Freundin, korrigiert Robert ein völlig belangloses Episoden-Beispiel ihrerseits mit dem richtigen Titel anstatt auf die wirklichen Vorwürfe zu reagieren. Aber STAR TREK wird dabei nie zum Selbstzweck, sondern wird als wichtiger Teil aus dem Leben der Personen als solcher auch integriert. Rückblenden erklären sehr präzise Star Trek orientiert, den charakterlichen Werdegang der Protagonisten. Die Erzählkunst von Robert Meyer Burnett allerdings besteht darin, dem Zuschauer kein spezielles Vorwissen abzuverlangen.

Happy-End bei FREE ENTERPRISE

Das der vernünftige, aber hartherzig wirkende Mark  in einer Diskussion, welche nichts mit der eigentlichen Interessenleidenschaft zu tun hat, dennoch in einen exakt wiedergegebenen Monolog aus Star Trek endet, ist ihm nicht nur selbst peinlich. Wie im wirklichen Leben dreht es sich auch hier um das Finden der Liebe, die richtige Einstellung zum Leben und der Bereitschaft endlich auch Verantwortung gegenüber anderen zu übernehmen. Die Leidenschaft STAR TREK muss dabei nicht immer nur förderlich sein, wie der Film gut demonstriert, verzichtet dabei aber auf überzogenes Drama.

FANBOYS macht es dem unbedarften Zuschauer an vielen Stellen sehr schwer, dem Film als selbstständiges Vergnügen zu folgen. Viele Zitate und Anspielungen sind sehr spezifisch, um ohne tiefergehendes Wissen wirklichen Spaß zu haben. Für Star-Wars-Fans ist es selbstverständlich ein Raumtransporter voller Referenzen, die kein Ende nehmen. Doch das thematische Corpus Delicti ist einfach zu sehr in den Vordergrund gestellt, als das man unvoreingenommen den kruden Humor genießen könnte, der ja unterhaltungstechnisch durchaus seine Berechtigung gefunden hat. Dabei begeht das Drehbuch den irreparablen Fehler, eine Gruppe Star-Trek-Fans als debile Einfallspinsel darzustellen, ohne den zentralisierten Wahnsinn um STAR WARS gleichermaßen in Frage zu stellen. Das tut einem Film wirklich nicht gut, der mit seinem sehr spezifischen Thema auf jede Genre- und Fangemeinschaft als Zuschauer angewiesen ist.

Zudem könnte man von einem Roadmovie erwarten, als Zuschauer in das wirkliche Riverside/Iowa gebracht zu werden, anstelle eines beliebigen Kleinstadtersatzes als Drehort. Riverside ist jener zukünftige Geburtsort von Captain James T. Kirk, in dem die Auseinandersetzung beider Fan-Gruppierungen in FANBOYS ihren Anfang nimmt. So verschenkt der Film einiges an Potential. Wie mit den Gastauftritten von Carrie Fisher, Billy Dee Williams, Jason Mewes oder Kevin Smith. Namen wie diese, in einem Thema bezogenen Film wie diesen, muss man einfach effektiver einsetzen und dann eben auch ihrem wirklichen Status entsprechend nutzen. Das ausgerechnet Carrie Fisher und Billy Dee Williams  alles andere spielen, außer sich selbst, ist nicht nachvollziehbar. Umso ärgerlicher, weil FANBOYS nie wirklich ein schlechter Film ist, gerade für Fans. Er ist gut gespielt, schnell, unterhaltsam und bietet reichlich zu entdecken. Vor allem aber, überzeugt er als Kniefall vor seiner thematisierten Filmserie.

Populär-Kultur bestimmt die letzten drei Generationen der sogenannten westlichen Welt, wie kein anderer Einfluss. Popkultur bietet weder Seelenheil, noch wirkliche Lebensweisheiten. Doch sie verbindet und schafft eine allumfassende Basis. Mit dem Einfluss von Film und Fernsehen, das sich bewusst vom intellektuellen Anspruch hin zur Unterhaltung orientierte, begann eine neue Form der Kommunikation, die sehr viel von Bildsprache besitzt. Man muss nicht die entsprechenden Bücher gelesen zu haben, um als Antwort stets die 42 parat zu haben. Dass eigentlich einen anderen Film zitierende „ich bin Brian“, hat das Original längst vergessen gemacht. Und besonders auffälligen Personen gegenüber sagt man, „and the Oscar goes to“.

Die konträren Inhalte und Ideologien von STAR WARS und STAR TREK mögen genügend Reibungspotential hergeben, aber das Ziel von Verständigung und Gerechtigkeit ist in beiden Universen gleich. Die Hardcore-Fans, jene die keinen anderen Filmgötter neben den Ihrigen dulden, sind auf beiden Seite eine deutliche Minderheit, aber eine nicht zu Unterschätzende. Diese Welten einmal jenseits einer manipulativen Dokumentation wie TREKKIES zu erkunden ist nicht einfach nur spannend, sondern auch extrem unterhaltsam.

Beide Filme überschreiten am Ende merklich die Grenze. FANBOYS könnte angenehm realistischer sein, wenn man nicht die Wachsoldaten auf der Skywalker-Ranch  in diese albernen THX-Uniformen gesteckt hätte. Und FREE ENTERPRISE tut sich auch keinen Gefallen mit William Shatners gesanglicher Interpretation von Julius Cesar aufzuhören. Aber, und das ist ein sehr großes Aber, jeder Film reflektiert auf angenehme Weise die Stellung der Populär-Kultur in unserer Gesellschaft. Und dabei gewähren sie nicht nur einen Einblick in das sehr obskure Universum einer vom Fan kreierten Scheinwelt  in Verbindung mit dem wirklichen Leben. Sie bieten ausreichend Gelegenheit sich selbst in allen möglichen Filmsituationen wiederzuentdecken.

Wiedererkennungsfaktor bei FANBOYS (mit Girl)

Ist es nicht seltsam, das wir sofort etwas damit anfangen können, wenn alle Gäste bei Marks dreißigsten Geburtstag „Erneuerung“ rufen, wir uns aber nicht so sicher sind, wann die Dampfmaschine erfunden wurde. Davon abgesehen, ist es denn so wichtig?

Kristen Bell als Zoe: „Arschloch. Du versuchst diesen Jedi Gedanken-Scheiß an mir seit der achten Klasse. Es funktioniert nicht!“

Rafer Weigel als Robert: „Der Mann, den wir gerade getroffen haben, ist nicht der Mann der das Corbomite-Manöver erfunden hat, oder die Maschine des Jüngsten Gerichts besiegte.“

Bildquellen: DreamWorks , Anchor Bay Entertainment, Weinstein Company

Schreibe einen Kommentar