THE GALLOWS – Bundesstart 27.08.2015
Wieder ein Film, der glaubt im Found Footage Format spannender und effektiver zu sein. Die alte Leier ist ja, dass bei Found Footage die Protagonisten immer Situationen filmen, wo kein Mensch im wirklichen Leben daran denken würde, die Kamera einzuschalten. Besonders wenn man von einer eiskalten Killermaschine gejagt wird. Travis Cluff und Chris Lofing hätten sich vielleicht zuerst einmal Will Canons DEMONIC ansehen sollen, wie man mit der Vermischung von Aufnahmeformaten Found Footage doch noch etwas abgewinnen kann. In DEMONIC hatten die Charaktere eine themenbezogene Motivation, die Kamera immer laufen zu lassen. In THE GALLOWS geben die Filmemacher lediglich vor, eine glaubwürdige Motivation gefunden zu haben. Da hat sich der Film aber schon längst zerlegt.
Es ist 1993, und bei der Schulaufführung des Bühnenstücks THE GALLOWS kommt es zu einem dramatischen Zwischenfall. 20 Jahre später will die Drama-Klasse das Stück erneut spielen. Das wirft schon die erste Frage auf, welcher Schuldirektor würde das eigentlich zulassen. Aber man kann auch alles schlecht reden. Die Hauptrolle hat Reese übernommen, um seinem Schwarm und der zweiten Hauptrolle Pfeifer nahe zu sein, und sie zu beeindrucken. Doch Reese versagt im Spielen, mit seinen Dialogen, und vergisst seine Stichwörter. Sein Kumpel hat die fantastische Idee, sich Nachts in die Schule zu schleichen, und das Bühnenbild zu zerstören. Das Stück würde ausfallen, und Reese bliebe ein peinlicher Auftritt erspart, ohne das Gesicht vor Pfeifer zu verlieren. Ryans Freundin Cassidy will unbedingt dabei sein. Und in der Schule selbst, treffen sie auch noch auf Pfeifer. Und Charlie Grimille. Ein Name den man sich merken sollte, weil sich die Figur bald in die Reihe von Legenden wie Jason Voorhees, Freddy Kruger, und Michael Meyer einreihen wird. Bald, aber bestimmt noch nicht mit diesem Film.
Jetzt nimmt man erst einmal alle Logiklöcher und das Format beiseite, und konzentriert sich auf das Wesentliche. Das sind bei einem Horrorfilm immer die Charaktere. Charaktere, um die sich der Zuschauer sorgt, zu denen er eine gewisse Beziehung aufbauen kann. Das funktioniert bei vielen Horrorfilmen, und besonders bei Found Footage, sehr selten. Deswegen gibt es ja auch so wenig gute Horrorfilme. Und mit Ryan hat der Horrorfilm einen der fürchterlichsten, nervtötendsten Charaktere gefunden den man sich vorstellen kann. Ryan ist der Typ mit der Kamera. Ununterbrochen, und das ist wortwörtlich zu nehmen, macht er sich über alles lustig, beleidigt sämtliche Mitschüler, demütigt die Leute hinter der Bühne, und kommentiert alles auf unterstem Niveau. Es dauert keine fünf Minuten, da wünscht man sich als Genre-Freund für Ryan einen sehr langen, qualvollen Tod. Der Film wird durch Ryan zu einer regelrechten Stresssituation. Und wie dumm muss ein Mensch, oder Charakter erfunden sein, dass er den Plan zu einer Straftat nicht nur aufnimmt, sondern die Straftat gleich mit der Kamera begleitet.
Reese, Pfeifer und Cassidy sind nicht auf dem nervenden Niveau von Ryan, aber auch sie sind keine Figuren die irgendein Mitgefühl verdient hätten. Reese ist ein weinerlicher Versager, Pfeifer eine überhebliche Prinzessin, und Cassidy das zickige Miststück. Und Co-Autor Travis Cluff hat sich selbst eine kleine Rolle als Lehrer auf den Leib geschrieben, die weit von jeder Realität scheint. Allein schon wegen seiner nicht überzeugenden Figuren, ist THE GALLOWS kein guter Film geworden. Würde man sich jetzt noch mit den vielen offenen Fragen innerhalb des Handlungsverlaufes auseinander setzen, müsste der Abend gar nicht so lang werden, denn tatsächlich beantwortet der Film einen Großteil durch seine Auflösung. Aber ob deswegen der vorangegangene Spuk seine Rechtfertigung findet, ist schwer nach zu vollziehen. Und letztendlich ist es dann auch schon egal, weil THE GALLOWS so schlecht geschrieben, und so inspiriert inszeniert ist, das es keine Rolle mehr spielt. Selbst die viel gestreuten Schockeffekte sind in ihrer Ausführung weit vorhersehbar.
Das Budget soll ungefähr 100.000 Dollar betragen haben. Das ist für so eine Produktion, abgesehen von Darstellern und Inszenierung, wirklich beachtenswert. Wenn aber eine Firma wie New Line die Rechte für so ein Endprodukt kauft, und durch geschicktes Marketing Millionen damit macht, dann rechtfertigt sich erneut der Ruf des modernen Hollywood. Es geht schon lange nicht mehr um Filme, und um den Zuschauer erst recht nicht. Trost bleibt, es wird wieder Ausnahmen geben.
Darsteller: Reese Mishler, Pfeifer Brown, Ryan Shoos, Cassidy Gifford, Travis Cluff, Price T. Morgan u.a.
Drehbuch & Regie: Travis Cluff, Chris Lofing
Kamera: Edd Lukas
Bildschnitt: Chris Lofing
Musik: Zach Lemmon
Produktionsdesign: Stephanie Hass
USA / 2015
81 Minuten