In unregelmäßigen Abständen werden hier Filme für das Wochenende vorgestellt, die vielleicht die ein oder andere Erinnerung wecken, oder als Inspiration für einen gemütlichen Abend dienen können. Wie der Titel der Reihe schon andeutet, werden hier selten kulturhistorische Filme besprochen, sondern Werke, die ihre Berechtigung dort fanden, wo das Autokino seiner Bestimmung nachging.
CAN’T STOP THE MUSIC – Bundesstart 07.08.1980
Es ist das Film Musical Ereignis der 80er. Aufgeregt laufen Kunden mit Schallplatten kreuz und quer, ein Grund für die scheinbare Panik ist nicht zu erkennen. Als Verkäufer kommt Steve Guttenberg auf Roller-Skates zu seinem Chef, weil er den Tag frei braucht, was der Chef strikt ablehnt. Steve geht dennoch, weil es ihm eben wichtig ist. Schließlich tanzt er sich fröhlich auf seinen Skates eine Hauptverkehrsstraße entlang, hört dabei ‚The Sound Of The City‘, und keinen Autofahrer stört es. Dafür ist die Leinwand modern mit Split-Screen dreigeteilt, damit man mehr von Steve Guttenberg hat. Die Vorspanntitel laufen in glitzernden Schriftzügen, sogar die Cameo werden angezeigt, was diese schon zu keinen Cameos mehr macht. Und das sind erst die ersten fünf Minuten. Sehr definierende fünf Minuten.
Allan Carr war der Produzent, der sehr erfolgreich GREASE für die Leinwand adaptiert hatte. Und genau diese Richtung wollte der Mann auch mit dem Film Musical Event der 80er gehen. Heraus gekommen ist CAN’T STOP THE MUSIC. Reinen Spaß wollte Carr auf die Leinwand bringen, und den Musicals der 50er Tribut zollen. Zu lachen gibt es wenig, und Busby Berkeley ist auch eine ganz andere Größenordnung. Aber was CAN’T STOP THE MUSIC für sich in Anspruch nehmen kann, ist eine ganz bizarre Mischung von fehlgeschlagenen Schenkelklopfern, merkwürdigen Musiknummern, und ein ganz absonderliches Setting ausgerechnet für Village People. Da schlägt man im Taxi mit Weißbrot aufeinander ein, und das Supermodel, das keine Supermodel mehr sein will, bepflanzt mit Schürze ihre Blumentöpfe. Der spießige Bruce Jenner, heute Caitlyn Jenner, tauscht ohne Vorwarnung seinen Anzug gegen Hot-Pants und bauchfrei Shirt. Und irgendwann tummelt sich die nackte Valerie Perrine mit der nackten Pop-Gruppe im Swimmingpool, unter dem Vorwand einer Gesangsnummer.
Es war ja nie ein Geheimnis, dass Jacques Morali mit der Gründung von Village People gezielt ein schwules Publikum ansprechen wollte. Steve Guttenberg spielt eine lächerlich seichte Version von Morali in CAN’T STOP THE MUSIC, wer hier den Begriff der Biografie anwenden möchte, sollte schleunigst kehrt wenden. In erster Linie wollte der Songschreiber natürlich mit seinen Ideen Geld verdienen. Und mit dem stereotypen Querschnitt von sexuellen Fantasien wie dem Ledertypen, Polizisten, Indianer, Bauarbeiter, Soldaten, und natürlich dem Cowboy, hatte Morali viel direkter und einnehmender ein Publikum angesprochen. Aber Allan Carr scheut sich nicht, die Gruppe für CAN’T STOP THE MUSIC zur sexuellen Fantasie für die Hetero-Szene inszenieren zu lassen. Das ist nicht nur eine mutige Entscheidung, sondern führt in vielen Sequenzen zu absurden Situationen, wenn man Realität und die filmische Fantasie gegenüberstellt. Dann aber, gibt es eine Gesangseinlage wie ‚YMCA‘, die mit ganz vielen knackigen Jungen tatsächlich beim Christlichen Verein Junger Männer gedreht wurde. Und offensichtlicher konnte der Versuch nicht sein, ein den Village People gewogenes, schwules Publikum zu bedienen. Es bleibt beim Versuch, weil CAN’T STOP THE MUSIC in seiner Gänze so fassungslos macht, dass man sich auf der einen Seite sinnbefreit unterhalten glaubt, sich aber immer wieder vollkommen verarscht fühlt.
Aber bei aller Liebe zum Schwachsinn, gibt es auch einen Moment der Erleuchtung. Es ist ein Streitgespräch zwischen Bruce Jenner und Valerie Perrine in welchem sie nur als Dialog mit aktuellen Musik-Titeln kontert, wie ‚I Love The Nightlife‘, ‚You’re The One That I Want‘, ‚Nobody Does It Better‘, ‚Knock On Wood‘, oder ‚I Love The Nightlife‘. Das bringt den Disko-Freund zum amüsierten kichern, kann aber in der deutschen Synchronisation nicht ansatzweise funktionieren. Schade darum. Dann muss man sich für das Amüsement eben mit ausgeflippten Weibern zufrieden geben, die über die Village People herfallen, welche grundsätzlich ihre Hemden bis zum Hosenbund aufgeknöpft haben. Oder vielleicht tut es auch der Streit, der mit Weißbrot ausgetragen wird. Ein sehr bizarrer Film. In Prämisse, Drehbuch und Inszenierung gleichermaßen.
Darsteller: Steven Guttenberg, Valerie Perrine, Bruce Jenner, Paul Sand, sowie Ray Simpson, David Hodo Felipe Rose, Randy Jones, Glenn Hughes und Alex Briley als Village People
Regie: Nancy Walker
Drehbuch: Allan Carr, Bronte Woodard
Kamera: Bill Butler
Bildschnitt: John F. Burnett
Musik: Jaques Morali
USA / 1980
124 Minuten