JUPITER ASCENDING – Bundesstart 05.02.2015
Mit THE MATRIX waren wahre Meister geboren. Andy und Larry, jetzt Lana Wachowski revolutionierten das Mainstream-Kino, veränderten visuelle Stilmittel, und vervielfachten die Erzählebenen. Das ein oder andere Element war dem Arthouse-Kino lange nichts mehr Fremdes. Doch alles zusammen geballt auf das Popcorn-Publikum loszulassen, sprengte die Grenzen des bisher Zumutbaren. Herunter gebrochen, blieb MATRIX ein reduzierter Action-Film. Doch alles in seiner Inszenierung, Geschichte, Ausstattung, Visualisierung, Kostüme, Darsteller griffen so perfekt ineinander, dass man das Genie hinter den Gebrüdern nicht leugnen konnte. Selbst als MATRIX RELOADED auf eher verhaltenen Jubel stieß, war es immer noch Matrix der Wachowskis, was zur Liebe fast schon verpflichtete. Der Absturz von MATRIX REVOLUTIONS war bitter für Filmwelt und Fans, konnte auf paradoxerweise aber nicht am Genie-Status rütteln. Es blieb immer noch Bullet-Time. Ein visueller Effekt, der erstmals 1967 bei der Anime-Serie SPEED RACER genutzt wurde. Genau der Film, mit dem die Wachowskis nach fünfjähriger Schaffenspause 2008 grandios scheiterten. Da musste man auf etwas zurück greifen, das Anspruch versprach, visuell und konzeptionell die Grenzen sprengen würde, und den Intellekt herausforderte. Während das künstlerische Konzept von CLOUD ATLAS stürmischen Beifall fand, wurde er mit 130 Million Dollar weltweit trotzdem nicht, was man als Erfolg bezeichnen konnte.
Die Wachowskis mögen das Superlativ. Sie sind vernarrt danach, und leben es künstlerisch aus. Das sie dabei keine Rücksicht auf nachhaltige Verwertbarkeit legen, spürt man nach SPEED RACER und CLOUD ATLAS, auch sehr ausgeprägt bei JUPITER ASCENDING. Ein mit Wolf-Genen aufgepeppter Sternenkrieger, der sich in eine illegal in Chicago arbeitende Putzfrau verliebt. Das hat durchaus etwas sehr spezielles, nur nicht für einen Stoff, wie ihn die Wachowskis beginnen auszubreiten. Denn die Putze ist Jupiter Jones, süß anzusehen, hasst ihr Leben, und möchte sich ein Teleskop leisten können, um im Sternenhimmel zu schwelgen, wie einst ihr Vater im fernen Russland. Trickreich wie das Leben eben so sein kann, braucht sie kein Teleskop, weil sie selbst die Reinkarnation einer Königin ist, die einer gigantischen Wirtschaftsdynastie vorstand. Um ihr rechtmäßiges Erbe antreten zu können, von dem sie selbstredend nichts ahnt, braucht sie die Unterstützung des geheimnisvollen Caine Wise, der modifiziert durch Wolf-Gene ein starker Krieger und Einzelgänger ist, von dem sie selbstredend auch nichts ahnen konnte. Und das sich beide ineinander verlieben könnten, das konnte selbstredend nicht einmal der Zuschauer ahnen.
Was stimmt bei einem Film, dass er durchweg unterhaltsam bleibt, aber doch nicht richtig funktioniert? Das ist in erster Linie sein Produktionsdesign und der ungebrochene Glaube an das Superlativ. Die Wachowskis geben Gas, treten aber niemals auf die Bremse. Trotz 127 Minuten Laufzeit, geht es nur voran, und wenn sich zwei schmachtend in den Armen liegen, dann nur, um von der nächsten Action-Sequenz überrascht zu werden. Gigantische Raumschiffe brechen durch die majestätischen Ringe eines Planeten. Monde werden zu unwichtigen Orientierungspunkten im All. Und die Prämisse gibt vor, dass die unwissende Erde nur ein kleiner Teil einer unvorstellbaren universellen Industrie ist. Es gibt kaum eine Szene in JUPITER ASCENDING, die nicht am Computer bearbeitet wurde, und das bekommt der Zuschauer auch auf das Auge. Schauwert um Schauwert wird hier bemüht, um das Staunen hoch zu halten.
Aber was stimmt bei einem Film nicht, der alles zu geben bereit ist, und im Endspurt scheitert? Es ist der klägliche Versuch, extrem schwache Charaktere durch einen mehr als absehbaren Plot zu navigieren, der sich immer wieder selbst der Lächerlichkeit preis gibt. Da redet man zum einen von abertausenden zivilisierter Planeten, und kommt dann doch nie aus dem Solar-System hinaus. Und bei abertausenden zivilisierter Welten, sehen alle gezeigten Welten-Entwürfe doch alle sehr gleich aus. Ob Raumschiffe, Stadtplanungen, oder Innenarchitektur, niemand wird einen Unterschied feststellen können. Kleidung, Makeup, Manierismen, alles nicht sehr originell. Diese altbackene Geschichte der unterprivilegierten Hoheit, die sich durch ihre Gefühle zu einem unterprivilegierten Diener hingezogen fühlt, mag sich zuerst hinderlich anhören, ist aber der Geschichte geringstes Problem. Bei JUPITER ASCENDING stört die Wiederholung. Die endlose Wiederholung von szenischen Entwürfen. Kommt es zu einer Action-Sequenz, dann ist es immer die exakt selbe Abfolge, wie sich Channing Tatum mit seinen aus STAR TREK V geborgten Anti-Gravitationsstiefeln durch ein vollkommen unübersichtliches Szenario schießt, und aus nicht sichtlich erkennbaren Gründen als Sieger hervor geht. Dann bricht zum wiederholten Male ein Raumschiff durch die Nebel eines Gas-Planeten. Und der Zuschauer verbleibt ihm Ohh-Modus. Wiederholung, immer und immer wieder.
Mila Kunis, Channing Tatum, und der stets souveräne Sean Bean tragen den Film auf fast schon selbstverständliche Weise. Allerdings der das Publikum sonst verwöhnende Eddie Redmayne, zelebriert sich als darstellerische Selbstzerstörung. Sind seine gepresst und gehauchten Drohgebärden eher der peinlich berührenden Schublade zuzuordnen, sind seine impulsiv angedachten, lautstarken Ausbrüche kein Zeichen von feinsinniger Schauspielkunst, sondern großer Fremdschämfaktor. Das sind in Wirklichkeit die ausschlaggebenden Mankos von JUPITER ASCENDING, wo die Wachowskis nicht verstanden haben, wo genug genug sein würde, und wieweit der zu begeisternde Zuschauer noch bereit wäre, dabei zu bleiben. Die Sequenz bei den Bürokraten ist dabei besonders bitter. Scheinbar kann man in dieser Welt nicht einfach blaublütig geboren werden, sondern das muss durch unzählige Anträge und Formulare bestätigt werden, weil der Status einer Königin sonst keine Gültigkeit hat. Ganz klar wollten die Wachowskis hier dem ANHALTER DURCH DIE GALAXIE ebenso Tribut zollen, wie den versponnenen Fantasien von Terry Gilliam. Dessen Gastauftritt hier nebenbei verheizt wird. Doch diese ganze Bürokratie-Sequenz hat überhaupt nichts in diesem Film verloren. Witzig gemeint, passt sie von Inszenierung, Ausstattung und Atmosphäre überhaupt nicht zum Rest des Films.
Hier haben sich viele gute Ideen auf dem Papier als fantastischer Film verkauft. Zusammen gekommen ist ein Sammelsurium von Halbherzigkeiten, wovon man jede Minute guten Gewissens in der Luft zerreißen könnte. Muss man aber nicht zwangsläufig. Wenn man die Kraft aufbringt, sich vollkommen fallen zu lassen. Denn diese vielen guten Ideen sind nicht ohne Reiz. Immer wieder erkennt man die Genialität hinter manchen Ideen, auch wenn es nie einen stimmigen Film ergibt. Der Weltenentwurf ist eben zu wild und spekulativ, als das die Macher es gewagt hätten, diesem mit aller Konsequenz zu folgen. Und dann entsteht eben ein Universum, das viel zu angepasst unsere bekannte Welt kopiert. Da heißt es zurücklehnen, durchatmen, die spektakulären Effekte genießen, und sich daran erfreuen. Zumindest zu sehen gibt es viel und unentwegt. Und sei es nur ein gigantisches Raumschiff, das durch die dichten Wolken eines Planeten bricht.
Darsteller: Mila Kunis, Channing Tatum, Sean Bean, Eddie Redmayne, James D’Arcy, Douglas Booth, Gugu Mbatha-Raw, Terry Gilliam u.v.a.
Drehbuch & Regie: Lana Wachowski, Andy Wachowski
Kamera: John Toll
Bildschnitt: Alexander Berner
Musik: Michael Giacchino
Produktionsdesign: Hugh Bateup
USA / 2015
127 Minuten