FOXCATCHER – Bundesstart 05.02.2015
Als Ringer und Goldmedaillengewinner Mark Schultz seine Geschichte, und die seines Bruders Dave, im Film FOXCATCHER wieder erleben durfte, da war er vor Begeisterung kaum zu bremsen. Allen voran pries er das Talent von Regisseur Bennett Miller. Wie echt doch alles wirkte, wie er sich wieder erkannt hatte, und wie erschreckend realistisch Steve Carell als sein Sponsor John du Pont war. Werbewirksam lobte Mark Schultz diese Biografie in höchsten Tönen. Schließlich war es auch eine sehr wichtige Geschichte, nicht nur für ihn, sondern auch in Hinsicht auf das Schicksal seines Bruders Dave. Auch die Kritiker nahmen FOXCATCHER begeistert auf, bejubelten ihn umgehend als Oscar-Kandidaten, geizten nicht an Superlativen. Auch das hat Mark Schultz bestimmt begeistert. Bis in einigen, ebenfalls lobenden Kritiken, die homoerotische Beziehung zwischen Mark und John du Pont thematisiert wurde. Eine Beziehung, die nicht wirklich so inszeniert ist, aber mit viel Fantasie gesehen werden kann. Der Interpretationsspielraum ist durchaus gegeben. Das verkehrte Mark Schultz‘ Begeisterung umgehend. Und wie man Schultz‘ Textnachrichten nach urteilen kann, richtete sich seine Wut nicht gegen die eigentlichen Vermutungen, sondern dass er als harter Mann einfach nicht schwul genannt werden wollte. Und diese Wut ließ er in sehr einfachen, aber groben Worten an Regisseur Bennett Miller aus.
Miller hatte als Langfilme zuvor nur MONEYBALL und CAPOTE gemacht. Beide gleichermaßen faszinierende Filme die auf wahren Begebenheiten beruhen. 1984 hatte Mark Schultz bei den Olympischen Spielen die Goldmedaille im Ringen gewonnen. Geblieben ist nichts von diesem Erfolg, Mark ist ein ausgebrannter, fast mittelloser Einzelgänger, der noch immer mit seinem im Leben gefestigteren Bruder Dave trainiert. Dann tritt der Multimillionär und Großindustrielle John Eleuthère du Pont in Marks Leben, mit dem er eine Ringer-Mannschaft aufbauen und trainieren will. Ziel ist es, bei den Spielen 1988 in Seoul, Amerika als ein Land der Gewinner zu präsentieren. du Pont ist natürlich auch an Dave als Trainer interessiert, der allerdings ablehnt, weil er seine Existenz mit der Familie bereits anderswo aufgebaut hat. So sehr der Millionär auch seinen angeblichen Lieblingsringer umschwärmt und ihm das Gefühl von Kontrolle über das Team vermittelt, kristallisieren sich erst nach und nach John du Ponts wahre Absichten heraus.
Man muss Bennett Miller zugestehen, dass er den Stoff sehr gut beherrschte, und hervorragend zu inszenieren verstand. Gerade die falsch interpretierte Beziehung von John du Pont und Mark Schultz ist sehr intensiv geworden. Mark kann seinen Sponsor, der sich sehr freundschaftlich gibt, nicht wirklich einschätzen. Und das überträgt sich ebenso einnehmend auf den Zuschauer. Das verleiht einigen Szenen eine schon sehr unheimliche Atmosphäre, wenn du Pont manchmal unvermittelt an Marks Hütte erscheint. Doch da ist noch viel mehr, was John zu kompensieren versucht. Da ist zum Beispiel die Beziehung zu seiner Mutter, der leider vollkommen ungenutzten Vanessa Redgrave. Aber Buch und Regie deuten John du Ponts Unsicherheiten und Ängste nur an, fordern den Zuschauer stets heraus, verschiedene Teile des Puzzles selbst zusammen zu setzen. Das gelingt der Inszenierung von Bennett ganz hervorragend, wie er den Zuschauer nicht einfach Konsument sein lässt, sondern ihn einbindet. Allerdings vergisst der sonst sehr dichte Film dabei, wichtige Teile der Handlung wirklich zu erklären, die selbst durch Mutmaßungen nur schwer verständlich bleiben. Was ist der Hintergrund von Johns Beziehung zu seiner Mutter, der er sich mit obskuren Aktionen zu beweisen versucht. Aber auch warum Daves Frau Nancy, dem großzügigen Mäzen ihre Verachtung offen entgegenbringt. Gerade weil diese zwei Frage sehr auffallend im Auditorium schweben bleiben, könnte man annehmen, dass ein paar bestimmte Szenen auf dem Server des Schnittcomputers verbleiben musste. Vielleicht weil die Dreiecksbeziehung von Mark, Dave und John eine sehr intensive Atmosphäre bilden, könnten weitere Einflüsse auf Handlung und Rhythmus des Films störend gewirkt haben.
Was auf alle Fälle über FOXCATCHER in den Geschichtsbüchern stehen wird, dass er der Film mit den verstörendsten Gesichtsprothesen bislang ist. Tatsächlich kommt Steve Carells Maske dem wahren Aussehen von John du Pont erschreckend nahe. Doch es ist einfach Steve Carell, nicht der Komiker, schon ein ernst zu nehmender Charakterdarsteller, aber der Mensch Steve Carell, der einfach zu aufdringlich präsent bleibt. Das Gleiche gilt für die Brüder, von Channing Tatum und Mark Ruffalo hervorragend verkörpert. Tatum ist einfach noch viel zu sehr er selbst, als dass seine überbreite Nase ihn zu einem anderen Charakter transformieren könnte, und an Mark Ruffalos sehr hoher Stirn, wo man immer glaubt, das Makeup über seinem wirklichen Haaransatz zu erkennen. Während die eigentliche Kunst der Möglichkeiten von Makeup überzeugt, bedeutet es in diesem Fall, für eine Vertiefung in die Charaktere nur ablenkendes Stilmittel.
Dabei sind Tatum und Carell wirklich überragend. Der Erste scheu, demütig, in sich zurück gezogen, während der Zweite unnahbar bleibt, ebenso undurchsichtig und gleichermaßen ein Gefühl von Unbehagen verbreitet. Diese Zwei scheinen sich gesucht und endlich gefunden zu haben, nicht nur als Filmfiguren, sondern umso spürbarer als zwei sich ergänzende Darsteller. Da bildet Ruffalos Dave einen ausgezeichneten Gegenpol, der mit seiner stets freundlichen aber geerdeten Art, eine menschlich nachvollziehbarere Komponente einbringt. Bennett Miller hat sie allesamt genau gewichtet inszeniert. Anfangs fließt der Film noch in einem sehr gemächlichen Bett, und erst mit du Ponts Erscheinen ersten Stromschnellen entgegen geht. Sehr spannend, und intensiv, weil undurchsichtig. Wer die Geschichte der Gebrüder Schultz mit John Eleuthère du Pont noch nicht kennt, den erwartet zudem ein sehr überraschendes Abenteuer von menschlichen Bedürfnissen und zwischenmenschlichem Versagen. Und Bennett Miller hat nicht versucht den Eindruck zu vermitteln, Schultz und du Pont könnten eine homoerotische Beziehung gehabt haben. Es waren zu diesem Zeitpunkt nur zwei einsame Seelen, die irgendwo in ihrem Innersten einen zwischenmenschlichen Ausgleich zu ihrem aus der Spur gelaufenen Wesen brauchten. Auch der wirkliche Mark Schultz hat das nach seinen Attacken gegen Bennett Miller erst für sich entdecken müssen, um nicht nur Frieden mit FOXCATCHER zu schließen, sondern ihn wieder lobend als ein Vermächtnis für ihn nahe stehende Personen zu propagieren.
Darsteller: Channing Tatum, Steve Carell, Mark Ruffalo, Vanessa Redgrave, Sienna Miller, Anthony Michael Hall, Guy Boyd, Dave „Doc Bennett u.a.
Regie: Bennett Miller
Drehbuch: E. Max Frye, Dan Futterman
Kamera: Greig Fraser
Bildschnitt: Stuart Levy, Conor O’Neill, Jay Cassidy
Musik: Rob Simonson
Produktionsdesign: Jess Gonchor
USA / 2014
129 Minuten