THE GAMBLER – Bundesstart 15.01.2015
Bereits 1867 schrieb Dostojewski den Roman DER SPIELER. Als über hundert Jahre später James Toback ein Drehbuch verfasste, welches die Geschichte in die Neuzeit versetzte, konnte natürlich nur ein Grundgerüst davon bleiben, was Fjodor Dostojewski einst geschrieben hatte. Geblieben ist eine klare Vorstellung, was der Schriftsteller mit seiner Geschichte vermitteln wollte. Ein strenger Blick auf die gesellschaftliche Toleranz gegenüber dem Glückspiel, und dem sittlichen Verfall von Spielsüchtigen. Und das in einer Zeit, wo man noch Jahrzehnte davon entfernt war, dass die Gesellschaft eine Sucht als Krankheitsbild anerkennen sollte. Mit Rupert Wyatts jetzt erschienen Filmfassung, gibt es mindestens zwölf Verfilmungen von Dostojewskis Roman. In diesem Zusammenhang ist allerdings lediglich Karel Reisz‘ Interpretation nach James Tobacks Drehbuch von 1974 interessant. Denn hier setzt William Monahan seine Neuausrichtung der Geschichte an. Aus den langsam in die Spielsucht abrutschenden Figuren, wird ein einziger, bereits unhaltbar süchtiger Charakter. Das Toback aus Dostojewskis General, ausgerechnet einen Literatur Professor macht, ist dann schon wieder ein bewundernswerter Kniff in Anbetracht einer Buchvorlage. Das für Monahan gerade darin der besondere Reiz für ein Remake lag, merkt man umgehend an den stets ans Existenzielle gehenden Dialogen.
Jim Bennett ist Literatur Professor, und süchtiger Spieler. Es ist nicht das Spiel alleine, welches ihn beherrscht, sondern der Zwang immer aufs Ganze zu gehen. Selbstzerstörerisch treibt er sich selbst in den Abgrund. Jim Bennett hasst sich selbst, hasst sein Leben, und er weiß nicht einmal mehr warum. Bei einem koreanischen Spielbetrieb hat er 260.000 Dollar Schulden. Um diese Schulden auszugleichen, borgt er sich Geld beim hiesigen Gangster Neville. Jim könnte ohne weiteres aus diesem Sumpf entfliehen, könnte er seine Grenzen richtig einschätzen. Kann er weder den Koreaner bezahlen, noch den Forderungen von Neville nachkommen, wendet er sich an das örtliche Syndikat, um auf dritter Front einen Schuldenberg an zu häufen. Und bei allen Fraktionen, hat die Rückzahlung der Schulden nie mit dem Geld selbst zu tun, sondern mit dem Prinzip. Und dem Prinzip nach, ist Jim Bennett so gut wie ein toter Mann, weil er sehr gut spielen kann, aber niemals im Stande ist, sein Limit wahr zu nehmen.
Ein bekanntes Szenario, eine oft erzählte Geschichte, und ein attraktiver Hauptdarsteller. Ein derart überschaubarer Zutatenmix zeigt sich offen für ein paar Überraschungen. Was Rupert Wyatt hier allerdings inszeniert hat, folgt den ausgetrampelten Pfaden des altbekannten Losers, der erst am Ende seinen inneren Schweinehund zu überwinden versteht. Auf der einen Seite ist Mark Wahlberg ein begnadeter Schauspieler mit viel Charisma. Auf der anderen Seite, ist er der schlichtweg viel zu coole Fuck-You-Charakter. Im Übrigen ist die Fuck-You-Lebenseinstellung ein entscheidender Bestandteil des Handlungsverlaufes. Was allerdings immer den bitteren Beigeschmack von Zugeständnissen an das aktuelle Kino hat.
Nicht das es störend wäre, dass diese Geschichte bereits in vielen anderen thematisch variierenden Erzählungen zu sehen gewesen wäre. Sondern Wyatt schafft es in seiner Inszenierung nicht, diese künstliche Fabrikation von Handlungsablauf zu durchbrechen. Sicher ist Wahlberg ein durchaus ansprechender Schauspieler, aber er ist genau der Typus, der letztendlich als Sieger aus dem Schlamassel hervorgehen muss. Natürlich wird die Hauptfigur einen raffinierten, dem Publikum nicht bekannten Plan haben, um seine Zuschauer Hände klatschend zu überwältigen. Und es steht außer Frage, dass die zum Scheitern verurteilte Beziehung mit einer Studentin nicht doch ein gutes Ende finden wird. Was bei THE GAMBLER in der Inszenierung überhaupt nicht funktioniert, ist dieses Spiel mit dem „alles ist möglich“. Was Ruper Wyatt dabei falsch gemacht, ist wirklich schwer zu erklären. Es ist einfach das Gespür eines gereiften Publikums, welches versteht, dass hier mehr vorgegaukelt wird, als das mit möglichen Realitäten experimentiert wird.
Immer wieder gleiten einzelne Sequenzen in abstrakte Lebensweisheiten ab. Was der Film ungemein spannend umzusetzen versteht. Ganze Passagen füllt der Handlungsverlauf mit Analysen und Reflexionen über das Leben und die Bestimmung des Individuums. Dialoge, die so gehaltvoll sind, dass man tatsächlich bereit ist, sich Notizen zu machen. Aus diesen Dialogen wird deutlich, wie Jim Bennetts persönliche Einschätzung seines eigenen Lebens zu verstehen ist. In diesen immer wieder zelebrierten Auseinandersetzungen, wird der Zuschauer direkt mit dem Innenleben der Hauptfigur konfrontiert. Jim Bennet hat keinen Glauben an sich selbst. Er versteht nur zu spielen, aber nur bis er das entscheidende Limit erreicht, und sich danach in sich selbst verliert.
Woran also scheitert THE GAMBLER? An seinem viel zu ambitionierten Hauptdarsteller, der letztendlich doch immer den Charme des Gewinners vermittelt. Dann ist da diese bereits mehrfach inszenierte Heldenreise an sich, in welcher der Underdog am Ende doch über sich hinauswächst, welcherr selbst Ruper Wyatt nichts Neues abgewinnen kann. Und das ist der Mann, der dem Publikum sprechende Schimpansen glaubhaft machte. Viele Zutaten bei THE GAMBLER stimmen im Grunde, wie der immer überwältigende John Goodman, doch genauso viel Zutaten stellen ihn als spannendes Drama in Frage. Wenn also so viel richtig gemacht wurde, und am Ende doch nichts zusammen passt, wen will man dann die Schuld geben? THE GAMBLER erweist sich nicht nur in künstlerischer Form als Problemkind, sondern auch im Fokus seiner intellektuellen Auseinandersetzungen. Mal gibt er sich als Gangsterballade, um dann wieder zum Exkurs über den Stellenwert des Menschen im Gefüge der Menschheit zu schwenken. Wie wenn man beim Roulette lediglich auf Rot oder Schwarz setzt, und die Kugel im Finale von Nummernfach zu Nummernfach springt. THE GAMBLER ist ebenso ein Spieler durch und durch. Kein guter Film, trotz vieler sehenswerter Passagen. Sehr spannend umgesetzt, und doch nichts, was man nicht schon gesehen hätte. Schwierig.
Darsteller: Mark Wahlberg, John Goodman, Brie Larson, Michael Kenneth Williams, Jessica Lange u.v.a
Regie: Rupert Wyatt
Drehbuch: William Monahan, nach dem Drehbuch von John Toback
Kamera: Greig Fraser
Bildschnitt: Pete Beaudreau
Musik: Jon Brion, Theo Green
Produktionsdesign: Keith P. Cunningham
USA / 2014
111 Minuten