DRITTE PERSON

THIRD PERSON – Bundesstart 04.12.2014

Third-Person-1, Copyright  Sony Pictures ReleasingPaul Haggis wird noch viele Filme machen und schreiben müssen, bis ihn die Welt nicht immer nur mit L.A. CRASH in Verbindung bringen wird. Immerhin ersann er nicht nur die Neugeburt des britischen Agenten Bond, sondern schrieb für Clint Eastwood auch den genialen Zweiteiler der Schlacht um Iwo Jima. Kaum ein Autor ist so vielfältig unterwegs wie Paul Haggis. Serien für die er schrieb und schreibt umfassen alle Genres, und kaum ein Schreiber gelingt die Umstellung vom Heimkino zur großen Leinwand so radikal konsequent. Doch Paul Haggis wird weiterhin der Mann bleiben, der L.A. CRASH gemacht hat. Und sein fünfter Kinofilm als Regisseur wird das Publikum nicht unbedingt davon abbringen. DRITTE PERSON ist ein sehr eigener Film, der es den Zuschauern alles andere als leicht macht. Drei Paare bewegen sich durch die Handlung. Die in Paris machen den ausgelassenen Eindruck von frisch Verliebten. Das Paar in Rom lernt sich erst kennen, umkreisen sich dabei verunsichert und misstrauisch. Während es für die Zwei in New York keinerlei Hoffnung mehr zu geben scheint, die offensichtlich heillos zerstritten sind. Was die Paare letztendlich miteinander verbindet bleibt lange Zeit unklar. Bis eine Notizblatt, in einem New Yorker Hotel geschrieben, von einem Schreibtisch in Paris genommen, und weggeworfen wird, um schließlich von einer Putzfrau in New York im Abfalleimer gefunden zu werden.

Der Pulitzer-Preis-Gewinner Michael sitzt in seinem Pariser Hotelzimmer, an seinem jüngsten Roman arbeitend. Die Kamera fährt langsam zurück, und eine Stimme flüstert, „pass auf.“ Der Autor ist alleine im Zimmer, aber keineswegs überrascht. In Rom hat der Amerikaner Scott Entwürfe für Mode-Designs gestohlen, und will sich den restlichen Tag in einer Bar verbringen, wo er auf die attraktive Monika trifft. Eine Roma, die ihre Tochter aus einer Schlepperbande freikaufen will. Nach einem psychischen Zusammenbruch, findet die junge Julia einen Job als Putzfrau in einem New Yorker Hotel. Der Besuch ihres Sohnes bei seinem leiblichen Vater Rick wurde ihr gerichtlich untersagt. Und Rick setzt auch alles daran, Julia nicht in die Nähe des gemeinsamen Sohnes kommen zu lassen. Soweit hat Paul Haggis ein sehr robustes Gerüst an solidem Drama und überzeugenden Charakteren geschaffen. Der Titel verleitet natürlich dazu, die Verbindung zwischen den einzelnen Geschichten in jener bewussten dritten Person zu suchen. Unter der Beziehung von Julia und Rick, leidet letztendlich ihr gemeinsamer Sohn. Michaels Affäre mit der angehenden Autorin Anna, ist für seine von ihm verlassene Frau ein Bürde. Bei Scott und Monika hingegen, steht die festgehaltene Tochter als verbindendes Glied.

Doch Paul Haggis geht nicht einen, sondern viele Schritte weiter. Und DRITTE PERSON erweist sich in seiner Struktur wesentlich komplexer, aber auch komplizierter für den Zuschauer. Es ist ein Film für Tüftler, für ein Publikum, das die Herausforderung sucht. Spätestens mit dem an verschiedenen Orten gleichzeitig befindlichen Notizzettel, weiß man, dass etwas ganz und gar nicht in Ordnung ist, dass man wachsam sein muss. Die unterschiedlichen Dramen mit ihren vielschichtigen Facetten, finden ihren Weg zusammen. Nur ist der Weg dorthin steinig. Während das Ensemble durchweg exzellent ist, und es wahre Freude bereitet, sie bei Liebe und Leid zu beobachten, zerfällt die Handlung nach und nach an seiner langsamen Inszenierung. Natürlich möchte Haggis seinen Figuren den größtmöglichen Freiraum geben, aber er schafft dadurch keine tiefere Bindung von ihnen zum Zuschauer. Die Darsteller sind allesamt so charismatisch, dass diese Bindung bereits von den ersten Szenen an besteht. Der Regisseur zeigt dadurch die Schwäche, dass er seiner Geschichte und seinen Schauspielern nicht richtig zu vertrauen scheint. Die Längen in der Erzählung sind unnötig, und wären leicht vermeidbar gewesen.

Allerdings verlieren auch die Geschichten nach und nach ihre besonderen Reiz, gerade wenn sie beginnen sich ihrer eigentlichen Auflösung zu nähern, und somit an die anderen Erzählstränge angleichen müssen, wo jeder Strang dann nicht mehr für sich stehen kann. Hier zeigen sich dann auch die Längen, und mit sich bringen sie das Gefühl, dass Haggis viel schlauer sein wollte, als seine Geschichte herzugeben bereit war. Mit viel Pathos stürzt sich dann die Inszenierung auf den eigentlichen Kampf um Schuld und Sühne, und wirft noch einmal alle dramatischen Möglichkeiten in einen Topf. Glück für die einen, das Elend für die anderen, und Selbstzweifel bei dem, der die Geschichte bestimmt hat. Cutter Jo Francis hat diese Bilder jedes Handlungsstranges ineinander verwoben wie ein Geflecht, welches sich nur durch die Erkenntnis des Zuschauers lösen lässt. Hier darf Dario Marianellis Soundtrack noch einmal richtig übertreiben, so wie er schon bei der Vorstellung der Figuren zu Anfang jede Szene untermalte, als wäre sie die wichtigste im ganzen Film. So richtig stimmig ist das dann nicht. Die letzte Kameraeinstellung ist die Wiederholung einer vorangegangenen, und soll einen aufklärenden Charakter haben. Aber sie wirft lediglich die Frage auf, ob alles was eben gezeigt worden ist, auch wirklich so zusammen passt. Der Film für die Tüftler, wird am Ende zu einer echten Herausforderung. Und eine solche sucht nicht unbedingt jeder Zuschauer, der sich im Kino gerne auch einmal fallen lässt.

DRITTE PERSON ist zu keiner Zeit ein schlechter Film. Es ist ein sehr einnehmender, sehr glaubwürdiger Film, der mit echten Charakteren überzeugt, und seine Szenen als realistische Situationen vermittelt. Technisch gesehen, ist DRITTE PERSON über jeden Zweifel erhaben, wenn man die wenigen Ausrutscher des Komponisten außer Acht lässt. DRITTE PERSON ist kein schlechter Film, hätte aber weit besser sein können. Paul Haggis wollte provozieren und herausfordern, was ihm durchaus gelang, allerdings immer leicht versetzt zu den Erwartungen seines Zielpublikums. Also bleibt Paul Haggis noch eine Zeit einfach der Mann, der L.A. CRASH gemacht hat.

Third-Person-2, Copyright  Sony Pictures Releasing

Darsteller: Liam Neeson, Mila Kunis, Olivia Wilde, James Franco, Adrien Brody, Moran Atias, Kim Basinger, Loan Chabanol, Maria Bello u.a.
Regie & Drehbuch: Paul Haggis
Kamera: Gianfilippo Corticelli
Bildschnitt: Jo Francis
Musik: Dario Marianelli
Produktionsdesign: Laurence Bennett
USA – Großbritannien – Deutschland – Belgien / 2013
134 Minuten

Bildrechte: Sony Pictures Releasing
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