GET ON UP – Bundesstart 09.10.2014
Am 25. Dezember 2006 verstarb James Brown im Alter von 75 Jahren. Es ist erstaunlich, das es sieben Jahre dauerte, bis man eine Biografie über den Godfather of Soul machte. Obwohl man laut dieses Film erfährt, dass sich James Brown nicht auf eine Musikrichtung festlegen lassen wollte. Es war kein Soul, auch kein Funk, und Rock ’n‘ Roll schon gar nicht. James Brown bestand darauf, dass es der James-Brown-Stil war. Aus einer Biografie kann man eben viel lernen. Unverkennbar an Anzug und Frisur, geht ein Schwarzer einen dunklen Gang entlang. Dumpf und leise vernimmt man eine skandierende Menschenmenge. Der Zuschauer weiß, in was für einen Film er sitzt, und wird als regelmäßiger Kinogänger sofort an die Johnny Cash Bio WALK THE LINE erinnert. Und so kommt es auch. Noch bevor der Mann aus dem langen Gang sein Ziel erreicht, springt der Film zurück in der Zeit. Aber anders als in WALK THE LINE, wird James Browns Lebensweg nicht chronologisch erzählt, sondern springt in seinen nach Browns Musiktiteln benannten Kapiteln immer wieder vor und zurück.
Zuerst einmal muss man die Leistung würdigen, wie Chadwick Boseman mit scheinbarer Selbstverständlichkeit dieser schillernde Figur wieder gibt. Natürlich ist nahezu unmöglich einen Darsteller zu finden, der auch nur annähernd ein derart markantes und vergleichbares Gesicht besitzt. Aber bei Boseman ist das auch nicht notwendig, weil er mit Mimik und Körpersprache erschreckend viel transportiert. Den Rest erledigen perfekte Perücken und exzellente Kostüme. Ist der Rest des Ensembles durchaus überzeugend und bestens besetzt, sticht neben Boseman nur Nelsan Ellis heraus. Als treuer Wegbegleiter Bobby Byrd, spielt er den geprügelten Hund mit herzerwärmender Sympathie. Er ist es, der auf die Frage, warum er sich so demütig in die zweite Reihe drängen lässt, dass er einfach erkannt habe, dass Brown eben das Genie wäre. Und hier beginnt der Film am Nerv des Zuschauers zu reiben. Denn es gibt keine Sequenz, in der die Person James Brown als Mensch akzeptabel präsentiert wird. Ohne Rücksicht, zieht der Mann sein Ding durch, und wenn er als Genie gehandelt wird, dann geschieht dies auf Kosten anderer Personen, die tatsächlich unter dieser Selbstverliebtheit und desse knallharten Egoismus leiden mussten.
Die Autoren, das Bruderpaar Jez und John-Henry Butterworth, lassen auch eine wirklich Motivation in Browns Bestreben vermissen. Natürlich will er nie wieder in diese erbärmliche Armut zurück, und selbstverständlich erzeugt Erfolg einen kräftigen Sog. Aber die Butterworths können nicht vermitteln, wo dieser spezielle, für James Brown entscheidende Antrieb her kommt. So lässt sich der Musiker stets und von jedem mit Mister Brown ansprechen, selbst von seinen engsten Freunden. Das dies vielleicht daher kommt, nicht mehr mit dem für die Südstaaten so typischen „Boy“ angesprochen zu werden, wie es gerade die Weißen gerne taten, darüber lässt sich nur spekulieren. Hier fehlen zur optischen Inszenierung, die Ausgleich schaffenden Blicke, die in Nuancen in die Psyche blicken lassen.
Kameramann Stephen Goldblatt hat das jeweilige Zeitkolorit phantastisch eingefangen. Doch am gelungensten sind die Bühnenauftritte, in der die Kraft spürbar wird, die Mister Brown bei seinen Auftritten ausstrahlte, wo er wiederrum diese Energie aus seinem ihm bewundernden Publikum erlangt. Doch egal wie anspruchsvoll sich die Bildgestaltung auch zeigt, der Film als solches wird ihr nicht gerecht. Regisseur Tate Taylor hatte den Film nicht wirklich im Griff. Der Film krankt stark an seinem Rhythmus, aber auch an seiner viel zu langen Laufzeit von 139 Minuten. Es ist ein netter Einfall, dass die Handlung immer wieder in den Zeiten umherspringt. Allerdings hat dies keinen dramaturgischen Hintergrund, wo man erwarten würde, die Handlung eines Kapitels, würde sich über die Geschichte im nächsten Kapitel erklären. Oder auch umgekehrt. Die Zeitsprünge sind wahllos, ohne sich ergänzender Dramaturgie. Wir sehen zum Beispiel, wie Mister Brown das erste Mal mit seiner Mutter konfrontiert wird, die ihn Jahre zuvor einfach verlassen hat. Noch vor der Auflösung dieser Begegnung, schieben die Macher eine halbe Stunde an diversen anderen Geschichten, bevor das Setting auf Mutter und Sohn zurück kommt. Da ist eine dramaturgische Steigerung einfach dahin, und verliert sich in einer bloßen Abfolge von Sequenzen.
Noch dazu, dass GET ON UP viel zu lang ist. Schon bei der Halbzeitmarke, beschleicht einen das Gefühl bereits alles gesehen zu haben. Man hat die Charaktere kennen gelernt, hat die Figuren verstanden, und auch längst begriffen, was aus diesem kleinen armen Kind wurde, welches ohne Eltern, aber mit der Leidenschaft zum Gospelchor groß wurde. Im weiteren Verlauf, nach dieser Halbzeit, leistet sich der Regisseur einen inszenatorischen Fauxpas, der schließlich das wirkliche Ende des Films signalisiert. Bei einer Show in der Mister Brown „Sex Machine“ zum Besten gibt, wird der Song mit einer Vielzahl von Ausschnitten unterschnitten, die Auftritte des Godfather aus all seinen Lebensphasen zeigen. Eigentlich ein beendendes Ausrufezeichen nach einer abgeschlossenen Geschichte. Dabei läuft GET ON UP danach noch fünfzehn Minuten, und offenbart keinen Anlass für diese so präsentierte Sequenz.
Darstellerisch kann GET ON UP überzeugen, mit sehr gut inszenierten Gesangseinlagen. Er kann auch ein wenig die Neugierde eines vielleicht nicht so involvierten Publikums befriedigen. Geschichten von den großen Aufsteigern haben immer dieses bestimmte Etwas, was sich anzusehen lohnt. Nur gibt es darunter Filme, die das wirklich spannend und dramatisch erzählen, und einem vielleicht diese historische Figur auch näher bringen können. Daran scheitert GET ON UP allerdings, weil er Figur und Geschichte aus den Augen verliert, im Ansinnen, einfach ganz anders zu sein, als eine dieser geradlinig dargebotenen Biografien. Wie RAY, oder WALK THE LINE. Die aber vielleicht gerade deshalb die weit besseren Filme waren.
Darsteller: Chadwick Boseman, Nelsan Ellis, Dan Aykroyd, Viola Davies, Lennie James, Fred Melamed, Craig Robinson, Jill Scott, Octavia Spencer u.a.
Regie: Tate Taylor
Drehbuch: Jez Butterworth, John-Henry Butterworth
Kamera: Stephen Goldblatt
Bildschnitt: Michael McCusker
Musik: Thomas Newman
Produktionsdesign: Mark Ricker
USA / 2014
139 Minuten