MEA CULPA – Bundesstart 18.09.2014
Wenn Simon aus dem Fenster schaut, kann er in eine andere Wohnung sehen, wo eine glückliche dreiköpfige Familie lebt. Meist steht Simon im Dunklen, um die Familie zu beobachten. Es wird ein trauriger Film, um einen gebrochenen Mann. Dann lernen wir Franck kennen, wie er sich in einem fahrenden Wagen mit einem Mann und einer Frau prügelt, immer wieder kann der eine dem anderen die Pistole abnehmen. Der Kampf ist voll brutaler Energie. Durch die Enge des Raumes auch sehr intensiviert. Es wird ein harter Film, um einen knallharten Polizisten. Nicht nur in Komödie haben sich die Franzosen an Originalität und Unterhaltungsewert ganz nach oben gebracht. Aus Frankreich kommen auch exzellente Thriller. Nicht nur die überzeichneten Action-Reißer aus der EuropaCorp-Schmiede, sondern gerade düstere, unbequeme Filme wie die PURPURNEN FLÜSSE. Fred Cavayé nahm für seinen MEA CULPA das Beste beider Welten, und diese Rechnung ging bis auf den letzten Euro-Cent auf.
Der Rhythmus des Films schwankt zwischen melancholischer Ruhe und frenetischer Aktion. Lässt Cavayé den Zuschauer anfänglich noch rätseln, wie er MEA CULPA ein zu ordnen hat, geht es nach 20 Minuten in die Vollen. Kontinuierlich steigert sich der Film von einer ausgefeilten, aber brutal ehrlichen Action-Sequenz in die nächste. Allerdings verliert Cavayé dabei nie seine Figuren aus den Augen. Simon und Franck waren einst Partner, bis Simon mit dem Wagen in betrunkenem Zustand drei Menschen tötete. Seine Karriere wurde damals beendet, Franck hingegen durfte weiter die bösen Jungs jagen. Nun zieht sich eine Mordserie durch die Stadt, welche ganz offensichtlich der Unterwelt zuzuschreiben ist. Simons Sohn Théo wird Zeuge einer dieser Hinrichtungen, und eine gnadenlose Jagd auf den Kleinen beginnt. Auf Grund des damaligen Vorfalls, lebt Simons ehemalige Frau Alice mit Théo von ihm getrennt, und dieser Zustand von Misstrauen und Schuldzuweisungen macht die Situation mit dem Gangstern im Rücken wirklich sehr schwierig. Da die standardisierten Polizeimaßnahmen nicht greifen, besinnt sich Franck in alter Verbundenheit auf die Freundschaft mit Simon, und zusammen versuchen sie in atemloser Hatz, die Killer von Théo fern zu halten.
Hinterfragt man die exzellent umgesetzten Action-Szenen, dann sind sie letztendlich auch in die Sparte von übersteigerter Physis einzuordnen. Doch Cavayé inszeniert so intensiv, dass er Schmerz spürbar macht. Wenn sich Menschen schlagen, dann merkt man die Gewalt. Wenn jemand erschossen wird, dann bedeutet dies wirkliches Leid. Und dies über Bilder von der Leinwand auf den Zuschauer zu übertragen, es ihn nicht nur sehen, sondern auch erleben zu lassen, ist das herausragende Element in MEA CULPA. Es macht ihn zu einem wirklichen Erlebnis, und schafft es tatsächlich das Gefühl zu wecken, dass dem Zuschauer hier etwas Einzigartiges präsentiert wird. Natürlich spielt hier mit hinein, dass mit Vincent Lindon und Gilles Lellouche als Simon und Franck, zwei ganz ausgezeichnete Charakter-Gesichter verpflichtet wurden, die allein schon von ihrer Präsenz her viel Tiefgang mit einbringen. Mit Lindon und Lellouche hat Regisseur und Autor Fred Cavayé schon vorher gearbeitet, und offensichtlich genau gewusst, wie er seinen Film dementsprechend aufwerten kann.
Doch auch wenn sich der anfänglich als Drama gestaltete Thriller, zu einem bildgewaltigen, erschreckend realistischen Action-Film entwickelt, hält der Film eine wirklich überraschende Wendung in der Hinterhand. Die endgültige Auflösung der Geschichte, eröffnet für das ganze zuvor gesehenen Geschehen noch einmal einen wirklich neuen, weil unvorhergesehenen Blickwinkel. Action-Film, genauso wie Thriller, aber ebenso Drama, beweist wieder, dass die wirklich originellen Filme nicht mehr in Amerika produziert werden. Damit soll nicht der Unterhaltungswert von gefälligen Produktionen abgewertet werden. Massentaugliche Blockbuster werden ihre Berechtigung nie verlieren. Doch will man tatsächlich den Blick über den Tellerrand wagen, ist gerade MEA CULPA ein perfekter Vertreter für Filme, die so anders scheinen, und doch alle Bedürfnisse zu befriedigen verstehen. Aber darüber hinaus auch eine breitere Akzeptanz bei einem sonst eingefahrenen Publikum schaffen können.
Darsteller: Vincent Lindon, Gilles Lellouche, Nadine Labaki, Gilles Cohen, Max Baissette de Malglaive, Medi Sadoun, Velibor Topic u.a.
Regie: Fred Cavayé
Drehbuch: Fred Cavayé, Guillaume Lehmans
Kamera: Danny Elsen
Bildschnitt: Benjamin Weill
Musik: Cliff Martinez
Produktionsdesign: Philippe Chiffre
Frankreich / 2014
90 Minuten