Es ist ein Jammer. Da gibt es genügend Science Fiction- und Fantasy-Fans in Deutschland, die es leid sind, immer nur von „Raumpatrouille Orion“ und der „Unendlichen Geschichte“ zu lesen, wenn Massenmedien über deutsche Genre-Produktionen schreiben. Man sieht sich amerikanische Science-Fiction-Filme an, guckt neidisch auf den Briten Doctor Who und bedauert, dass Deutschland eine wahre Diaspora der Fantasy ist. Und dann kommen da zwei enthusiastische Filmemacher, wagen die Verfilmung einer Fantasy-Trilogie, einer durchgehenden Zeitreise-Geschichte, erzählt über drei Filme, setzen mit vergleichsweise bescheidenem Budget aktuell den zweiten Film in die Kinolandschaft, und nur ein Bruchteil des SF- und Fantasy-Publikums nimmt davon Notiz. Der zweite Film erhält von der Filmbewertungsstelle das Prädikat „wertvoll“, etliche Rezensionen loben ihn, aber oft genug werden die Macher als bloße Nachahmer der Twilight- und Hunger-Games-Trilogien beschimpft. Warum erkennen so wenige, wie mit wie viel Herzblut und Professionalismus Felix Fuchssteiner und Katharina Schöde, Drehbuchautoren und Regisseure von RUBINROT und SAPHIRBLAU, um die es in diesem Artikel geht, an ihren Filmen gearbeitet haben? Warum müssen sie um jeden einzelnen Besucher kämpfen?
Schwer zu beurteilen, vor allem dann, wenn man die Filme schätzt. Wo soll man also mit der Suche anfangen? Beginnen wir am besten bei den zugrundeliegenden Romanen von Kerstin Gier. Dort findet man bereits die erste Hürde. Denn jede Verfilmung erfolgreicher Bücher versucht natürlich, die Leser mitzunehmen, um damit eine gute Erfolgsbasis zu haben. RUBINROT und SAPHIRBLAU gehören zur sogenannten Edelstein-Trilogie von Kerstin Gier. In dieser Trilogie erkennt die junge Gwendolyn, wohnhaft in London, dass sie die Fähigkeit zur Zeitreise geerbt hat. Insgesamt teilt sie diese Fähigkeit mit zwölf Menschen, alle verteilt über die Jahrhunderte. Dummerweise versucht eine Geheimloge unter der Anführung des Grafen von St. Germain, die Kontrolle über diese Zeitreisenden zu erlangen, um ihre Pläne umzusetzen. Im Folgenden versucht jeder zu erkunden, wer auf wessen Seite steht, wessen Leben warum in Gefahr ist und wie die Pläne des Grafen überhaupt aussehen. Und dabei gibt es selbstverständlich auch einen gutaussehenden Mann und es wird munter durch die Zeit gereist.
Hatte Kerstin Gier mit ihren ersten Bestsellern hauptsächlich erwachsene Frauen angesprochen, sind es bei ihrer Edelstein-Trilogie junge Frauen. Warum? Weil die Protagonisten jung und verliebt sind? Weil RUBINROT viel Rosa auf dem Umschlag hatte? Weil Männer eh weniger lesen, vor allem in jungen Jahren? Wahrscheinlich spielt alles ein bisschen mit. Romantische Bücher sind nun einmal nicht cool für junge Männer. Es sei denn, man möchte mit dem Lesen seiner Freundin gefallen. Eine Verfilmung also, die die Fanbase gewinnen will, muss junge Frauen ansprechen, die in siebenstelliger Zahl die Bücher weltweit gelesen haben. Erst von da aus kann man sein Publikum erweitern. Eine nicht gerade einfache Herausforderung.
Kommen wir zu den Filmen selber. SAPHIRBLAU ist aktuell in den Kinos zu bewundern und zeigt sich als gereifte Fortsetzung von RUBINROT. War RUBINROT eine gelungene Umsetzung, die ihr Auge auf die Geschichte und die Schauwerte gelegt hat, um nach großem Kino auszusehen, kümmert man sich bei SAPHIRBLAU verstärkt um den modernen Touch. Wichtiger als eine korrekte Darstellung der Zeit sind nun Dynamik und Unterhaltung. „Wir reisen durch die Zeit und wir haben eine coole Zeit“, lautet das Motto. Die Geschichte schreitet schneller voran, die Schauwerte sind dank vieler historischer Drehorte in ganz Deutschland noch größer, die Atmosphäre ist deutlich moderner geworden und auch der Humor kommt nicht zu kurz. Mit oft wenigen „Pinselstrichen“ wird die jeweilige Epoche überzeugend in Szene gesetzt, befindet man sich in einem Café der 50er oder lauscht Shakespeares Worten im Pub „The Black Swan“. Dieses Pub besucht man dann noch in zwei weiteren Jahrhunderten und zweifelt nie seine Authentizität an. Es wird durch alle Zeiten gefochten und gemordet, bedroht und betrogen, dass es eine wahre Freude ist. Warum um Himmels willen strömen dann die Genre-Fans nicht in Scharen ins Kino? Weil man deutsche Produktionen per se für uninteressant hält, für zu klein? Oder eben, weil im Mittelpunkt der Geschichte ein junges, verliebtes Paar steht? Hätte Shakespeare um diese Gefahr gewusst, er hätte womöglich Romeo und Julia nie geschrieben.
Am Film kann es nicht liegen. Fehlende Mittel wurden phantasievoll aufgewogen, indem man „On Location“ drehte, um kostspielige Bauten zu sparen. Deutschland ist dafür prädestiniert. Da die Zahl der Drehtage begrenzt war, splittete man dank zweier eingespielter Regisseure das Team auf, um so aus den Tagen das Maximum herauszuholen. Alle Beteiligten gaben ihr Bestes, um aus dem vorhandenen Budget den größtmöglichen Ertrag zu erhalten. Und erhielten so einen sehenswerten Film, mit dem sie in der Premierenwoche auf Kino-Tour gingen.
Und wenn man sich dann die Fotos dieser Kino-Tour anschaut, sieht man im Publikum viele junge Frauen sitzen und hin und wieder auch mal eine erwachsenere Frau oder gar einen Mann. Wurde vielleicht nicht genügend auf den Film aufmerksam gemacht? Was hat das Marketing sich ausgedacht?
Nun gut, man wirbt in der Bravo, in Mädchen und auf KiKa – schaltet aber beispielsweise auch eine Doppelseite in kostenlosen Kino-Zeitschriften und bekommt Titelbilder auf Fernsehzeitschriften. Josefine Preuß durfte anlässlich von RUBINROT Stefan Raab in TV Total besuchen. Doch auch wenn man mit Concorde einen erfahrenen Partner an Bord hat, der genügend Knowhow bei der Filmvermarktung besitzt, reicht das nicht, um dem Druck amerikanischer Produktionen genügend entgegenzusetzen. Und das Filmplakat? Auf dem sieht man wieder ein junges Paar – er guckt verträumt zu Boden, sie schmunzelt den Betrachter an –, dazu im Hintergrund London und ein paar geheimnisvolle Symbole. Hinweise auf die Geheimloge, Action, Humor? Das Plakat verspricht all das nicht. Natürlich, man muss ja an seine Zielgruppe denken, die man nicht verlieren will. Neue Zuschauer gewinnt man damit aber nicht.
Und dann ist da noch die deutsche Medienlandschaft. Journalisten, die sich mit den Filmen, die sie kritisieren, wirklich beschäftigen, die einen Überblick haben, sind bei uns nicht reich gesät. Es gibt zwar oft Lob, oft häufig gefallen sich die Kritiker darin, die Filme als Abklatsch von Twilight oder Hunger Games hinzustellen. Als dürfte man nach diesen Produktionen keine Trilogie mehr machen, ohne als Nachahmer diffamiert zu werden.
Wenige erkennen den Mut, sich gerade in Deutschland auf das neue Terra in der Fantasy-Trilogie zu begeben. Man schaut nicht auf das Erreichte, sondern kritisiert, wofür das Budget nicht gereicht hat. Das Herzblut, das ins Drehbuch, in die Kostüme, die Kameraführung, die Ausstattung, den Soundtrack geflossen ist, es wird nicht gesehen.
SAPHIRBLAU hat trotzdem einen deutlich besseren Start hingelegt als bei RUBINROT. Mit einer geschickten Einführung macht der Film auch Neuankömmlingen das Verständnis leicht. Aber es geht noch mehr. Den Machern sind noch viele weitere Zuschauer zu wünschen. Crowdfunding auf die direkte Art: Je mehr Menschen das Eintrittsgeld für SAPHIRBLAU ausgeben, umso wahrscheinlicher wird der abschließende Teil SMARAGDGRÜN. Und zum Dank bekommt man mit SAPHIRBLAU einen unterhaltsamen Film zu sehen. Wer diese Chance nicht ergreift, darf sich nicht wundern, wenn so bald keiner in Deutschland das Fantasy-Experiment wieder wagt. Und das wäre wirklich ein Jammer!
SAPHIRBLAU – Bundesstart 14.08.2014
Darsteller: Maria Ehrich, Jannis Niewöhner, Peter Simonischek, Josefine Preuß, Florian Bartholomä, Rufus Beck u.a.
Regie: Felix Fuchssteiner, Katharina Schöde
Drehbuch: Katharina Schöde, nach den Büchern von Kerstin Gier
Kamera: Sonja Rom
Bildschnitt: Wolfgang Weigl
Musik: Philipp F. Kölmel
Produktionsdesign: Ralf Schreck
Deutschland / 2014
116 Minuten