Blickt man auf die Vita von Musik-, Reise- und Sozialjournalist Nik Cohn, dann besteht die oberflächlich betrachtet erst einmal aus unzähligen Artikeln und vielen Büchern. Musik ist Nik Cohns Ding, der mit der Zeit gegangen ist, und heute mit über sechzig Jahren auf HipHop steht. In den letzten Jahren hat sich Cohn erneut einem Buch verschrieben, natürlich über die Geschichte und Geschichten um das Musikgeschäft. Und ohne dass Cohn albern würde, meint er dieses Buch könne bei Vollendung ungefähr 5000 Seiten haben. Das muss nicht übertrieben sein, denn sieht man tiefer in die Vita von Nik Cohn, ist er nicht nur ein einflussreicher Musikjournalist, sondern kannte sie zudem alle persönlich. Presley, Stones, Beatles, Who, und die ganze Spirale hinunter zu den weniger bekannten Künstlern. Das er dennoch nicht sehr zimperlich mit den Stars umging, und auch gerne mit harten Worten gegen den Strom schrieb, festigte nur seinen Ruf und Einfluss in der Musik-Branche. Die Rockoper TOMMY wurde erst zu dem, was sie ist, weil Pete Townsend ein großer Verehrer von Cohn war, und Townsend dem Flipper vernarrten Journalisten Tribut zollen wollte. Nur eines von unzähligen Beispielen, wie gefestigt Nik Cohn in dem Gefüge der Musik-Industrie war.
Eine filmische Fassung war bereits in Arbeit, als aus dem Arbeitstitel SATURDAY NIGHT dass hinlänglich bekannte SATURDAY NIGHT FEVER wurde, weil die Bee Gees unter anderem ihr Lied „Night Fever“ beisteuerten, was Regisseur John Badham wiederrum zur Titeländerung veranlasste. Der noch relativ unbekannte zweiundzwanzigjährige John Travolta wurde zum neunzehnjährigen Tony Manero, der in Cohns Artikel Vincent heißt, das „Gesicht“, der tanzende König von Bay Ridge. Der Rest ist Geschichte. Über 230 Millionen Dollar spielte SATURDAY NIGHT FEVER weltweit ein, für diese Zeit eine immenses Ergebnis, für einen Film mit einer amerikanischen Altersfreigabe von 18. Der Soundtrack der Bee Gees, unterstützt mit Stücken von David Shire, war lange Zeit eines der meistverkauften Musikalben überhaupt, und mittlerweile überholt lediglich von PURPLE RAIN und THE BODYGUARD, der erfolgreichste Soundtrack auf dem Globus.
In Europa, vornehmlich in Deutschland, war NUR SAMSTAG NACHT ein Disko-Film, einer wo es ums tanzen ging. Da waren coole Jungs und leichte Mädchen, die sich teilende Menge, wenn Tony Manero mit seiner Gang ins „2001 Odyssey“ einläuft, und nicht zu vergessen, ein Tanzboden der neue Standards setzte. Weltweit waren Diskos aus dem Boden geschossen. Was vorher exklusive Clubs waren, wurde zu Tanzstätten für die Allgemeinheit. SATURDAY NIGHT FEVER wurde exakt in der Hochphase von Disko auf das Publikum losgelassen. Tony Manero wurde als strahlender Tänzer zum Vorbild. Und wurde somit in weiten Teilen der Kinowelt total missverstanden. In seiner zweistündigen Laufzeit ist Manero tatsächlich nur drei Mal im „2001 Odyssey“. Und tatsächlich haben die Tanzszenen einen ganz anderen Hintergrund, als nur für den reinen Schauwert. Ganz im Sinne von Nik Cohns Artikel, ist STAURDAY NIGHT FEVER ein realistischer Blick auf die Perspektivlosigkeit der Heranwachsenden in Brooklyn, stellvertretend für den Rest des Landes. Die Feindschaften zwischen den ethnischen Gruppen, Arbeitslosigkeit, unerfüllbare Träume, Familienzwang. Alles wogegen sich ein Jugendlicher nur sträuben will.
Doch in der Disko ist Tony Manero jemand. Zwar hat er eine Job, aber keinen Plan fürs Leben. Im „2001 Odyssey“ kennt man ihn, respektiert man ihn, da blickt man zu ihm auf. Im Laufe des Films wird Tony sehr langsam bewusst, dass es noch mehr geben muss, dass er aber auch noch mehr möchte. Eine Vorstellung gibt es davon allerdings nicht. Nur die Zweckbeziehung mit der gereifteren und im Leben strukturierten Stephanie lassen ihn an seinem bisherigen Lebenslauf zweifeln. Er möchte nicht werden wie seine Eltern, sein vielgeliebter Bruder fällt plötzlich in Ungnade, seine Kumpels zeigen noch viel weniger Lebensperspektive. Grundsätzlich ist der Übergang vom Jugendlichen zum Erwachsenen ein steiniger Weg. In einer in sich geschlossenen Gemeinschaft wie Bay Ridge ist das noch wesentlich schwieriger. Und Bay Ridge ist überall, weit verbreitet in allen Großstädten Amerikas.
Damit sich Tony nur innerlich befreien kann, muss er tun, was er am besten kann. Der dritte Abstecher in die Diskothek zeichnet auch den Wandel in Tony. Er ist nicht mehr der Beste im tanzen, das sagen ihn aber nicht seine besten Freunde, sondern er muss es selbst feststellen. Aus dem Strahlemann wird ein zorniger Kerl. Die Reflexion über die bisher eingefahrenen Normen in seinem sozialen Umfeld, und das Erkennen von tatsächlichen Zuständen, werden Tony Manero keine Freude bereiten. Doch daran wächst er, und will daraus eines Ziel für sein Leben entwickeln. Ein Ziel, das notwendig ist, aber noch lange nicht definiert. SATURDAY NIGHT FEVER endet mit einem Blick auf Hoffnung.
Die Nationalbibliothek den Kongresses nahm SATURDAY NIGHT FEVER in ihren Katalog auf, weil sie den Film als kulturell, historisch und ästhetisch bedeutend betrachtete. Natürlich kann, und darf man den Film auch als Tanzfilm, sogar als Ode an die Disko-Ära betrachten. Schließlich geht es darum das Vincent wie Tony mit Tanzen ihrem tristen Alltag entfliehen. Aus diesem Grund sind die Tanzsequenzen so spektakulär inszeniert, und heben sich auch farblich von den Szenen außerhalb des „2001 Odyssey“ ab. John Badham, welcher Rocky-Regisseur John G. Avildsen ablöste, traf nicht nur den Zeitgeist, sondern zeichnete ein exaktes Bild dieser Generation.
Dieses Bildnis ist in erster Linie Norman Wexlers punktgenauem Drehbuch zu verdanken, das nicht groß ausholen muss, das auch keine großen Symboliken und schwere Dialoge benötigt. Nik Cohn hatte für Paramount, John Travolta und der Filmwelt also Großartiges geschaffen, der seinem Artikel die Worte voransetzte, dass die beschriebenen Ereignisse faktisch wären. Zudem schrieb Cohn sich selbst in die Geschichte mit ein, als der Mann, der die Fragen stellte, einen den die Gang um Vincent schließlich akzeptierte, um ihr Leben zu portraitieren, aber dennoch misstrauisch blieb. Erst 1994 gestand Nik Cohn gegenüber der Presse, dass TRIBAL RITES OF THE NEW SATURDAY NIGHT komplett erfunden war. Sicherlich gab es irgendwo in Bay Ridge einen Typen wie Vincent, sicherlich auch diverse Gangs. Aber Cohn hatte das Disko-Phänomen einfach nicht verstanden. Frisch aus England angekommen, konnte er mit dieser Subkultur nichts anfangen. Unbewusst war der Journalist und Autor so ein guter Beobachter, dass er am Ende kaum etwas bei seinen sogenannten Ermittlungen falsch gemacht hatte. Irritationen gab es lediglich wegen bestimmter Ausdrücke und Bezeichnungen die Cohn seinem Vincent in den Mund legte, die eigentlich der englischen Mod-Bewegung aus den Sechzigern zuzuordnen waren, aber niemals einem Kerl aus Brooklyn in den Siebzigern. Wie Nik Cohn später gestand, war Vincent tatsächlich einem alten Kumpel aus der Mod-Szene in den Sechzigern nachempfunden.
TRIBAL RITES OF THE NEW SATURDAY NIGHT war also Fluch und Segen für Nik Cohn geworden, einem der renommiertesten Musik-Journalisten der Welt. Ein Autor, der sich nie zuvor eine Geschichte ausdenken musste, und auch all die Jahre danach nicht mehr. Wann immer der Name Nik Cohn fällt, wird der erste Gedanke bei TRIBAL RITES OF THE NEW SATURDAY NIGHT sein. Fluch und Segen. Ganz sicher ein Segen für John Travoltas Karriere, und für die vernarrten Film-Fans. Selbst wenn sie in SATURDAY NIGHT FEVER nur einen Tanzfilm sehen.
Darsteller: John Travolta, Karen Lynn Corney, Barry Miller, Joseph Cali, Paul Pape, Donna Pescow, Bruce Ornstein, Frank Shakar, Julie Bovasso u.a.
Regie: John Badham
Drehbuch: Norman Wexler
Kamera: Ralf D. Bode
Bildschnitt: David Rawlins
Musik: The Bee Gees, David Shire
Produktionsdesign: Charles Bailey
USA / 1977
118 Minuten