GODZILLA – Bundesstart 15.05.2014
Er ist zweifellos das beliebteste Monster der Kinogeschichte. Frankensteins Kreatur vielleicht das Bekannteste, Dracula kein wirkliches Monster, und King Kong ist wohl einfach zu brav. Aber bei wem wird wohl um so lauter gejubelt, je mehr bei seiner Randale zu Bruch geht? Godzilla. Eine Ikone, die zur selben Zeit in Japan das Licht des Projektors erblickte, als die Amerikaner mit FORMICULA ebenfalls ihre Angst vor der unzähmbaren Macht der Kernspaltung bekundeten. 1954 war das Misstrauen gegen diese scheinbar unberechenbare Kraft der Zerstörung, im liberalen Amerika gewaltig angestiegen. Für den Japaner allerdings, waren die Möglichkeiten der Bombe bereits realer Bestandteil der Geschichte. Als wirkliches Opfer, lag für Japan seit neun Jahren nichts mehr Unberechenbares in dieser technologischen Entwicklung. War GODZILLA trotz allem als reine Unterhaltung konzipiert, war die Thematisierung der Atomkraft eine verbissene Botschaft. Das Trauma von Hiroshima und Nagasaki forderte dies heraus.
Die nachfolgenden 28 Inkarnationen der vermeintlichen Echse konnten nie wieder diese Intensität in ihren Anliegen aufbringen. Im Gegenteil, mit Außerirdischen und Kung-Fu beherrschenden Monstern, wurde die Reihe immer alberner, doch auch immer beliebter. Godzilla, eine Namensmischung der japanischen Bezeichnungen von Gorilla und Wal, wie er erstmals beschrieben wurde, mutierte zum japanischen Nationalheld aller Altersgruppen, während er in Amerika zur Matinee-Sensation noch nicht pubertierender Jungs wurde. 1998 dachte Roland Emmerich, er könnte die Zerstörungsorgie auf Hollywood-Verhältnisse übertragen, und scheiterte an seinem eigenen Ehrgeiz. 2010 hat dann Erfinder und Rechteinhaber Toho ihre Ikone endgültig verkauft. 2004 war mit FINAL WARS der letzte japanische Godzilla in die Kinos gekommen, im alten Gewand mit Gummi-Kostüm und überdrehter Handlung. Die Zeit hatte das Konzept längst überholt, der Spaßfaktor war noch gegeben, die Umsetzung allerdings nicht mehr gerechtfertigt.
Max Borenstein und Dave Callaham haben eine Geschichte ersonnen, die dem Geist der ursprünglichen Geschichte Respekt zollt. Befreit von jeder Ironie, oder augenzwinkernden Feinsinn, haben es die Ideengeber dieser Neuauflage geschafft, die Echse, welche in Wirklichkeit keine ist, in das moderne Kino des 21. Jahrhunderts zu transportieren. Über den Humor in GODZILLAs Version von 2014 kann man nur sagen, dass er fehlt, aber nicht wirklich vermisst wird. Gareth Edwards inszeniert seine Fassung eines Monsterfilms, mit thematisch aktuellen Einflüssen, tatsächlich bierernst, doch gerade Roland Emmerich hat gezeigt, was ein flapsiger, nicht ernster Ton in der Inszenierung anrichten kann. Thematisch, darstellerisch und in der Inszenierung hat Edwards seine Gewichtung genau richtig gelegt, um schon im Voraus weniger gut gesinnten Quertreibern weitestgehend den Wind aus den Segeln zu nehmen.
Gareth Edwards hat mit MONSTERS eine extravagante Visitenkarte hinterlegt, die lediglich zwei Möglichkeiten offen ließ. Er würde dem Budget nicht standhalten, oder den ultimativen Reboot inszenieren. Ultimativ ist der Film nicht geworden, aber weit besser als ein Reboot. Man kann Edwards Vision als direkte Fortsetzung der Erstausgabe von 1954 ansehen. Buch und Regie wollten, was ihnen in weiten Teilen auch gelingt, größtmöglichen Realismus. Wie real ein Film mit einer Urzeit-Kreatur sein kann, muss dahin gestellt bleiben. Aber schon mit den Charakterzeichnungen bewegen sich die Darsteller auf höherem Niveau. Nicht nur der manische Joe Brody von Bryan Cranston ist eine durchweg glaubwürdige Figur, auch Aaron Taylor-Johnson überzeugt als Sohnemann Ford, der im Wechselbad der Gefühle mit seinem Vater ringt, aber gleichzeitig als Soldat dem Monster Einhalt gebieten muss. Taylor-Johnson überrascht zudem als gereifter Erwachsener, der dem KICK-ASS-Nerd schneller als erwartet entwachsen ist, und nicht nur optisch einen wirklichen Soldaten abgibt, dem man seine harte Seite genauso abkauft, wie seine Gefühlsregungen.
Den perfekten Brückenschlag von der japanischen Reihe zur amerikanischen Wiederbelebung, gelingt den Machern in der ersten Stunde, wo die Handlung vorerst in Japan verweilt, wo Joe Brody als technischer Leiter eines Atomkraftwerkes arbeitet. In der zweiten Handlungslinie gesellt sich Japans filmischer Top-Export Ken Watanabe als Doktor Serizawa dazu, der den Spuren eigenartiger unterirdischer Aktivitäten nachgeht. Es ist nicht zu viel verraten, wenn man sagt, dass das Schicksal beide Linien zusammen führen wird. Hier funktioniert GODZILLAs Neuauflage auch als ernsthafte Auseinandersetzung mit tagesaktuellen Themen. Da ist nicht nur der Super-GAU eines Kraftwerkes, oder ein verheerender Tsunami, sondern auch die erbarmungslose Arroganz des Menschen gegenüber der Umwelt. Denn der Film wagt die Frage zu stellen, ob die Figur Godzilla tatsächlich das Monster ist, oder am Ende ein Regulativ in der Natur. Diese Ansätze gab es schon zu Toho-Zeiten, wenn verzückte Menschen tränenreich und winkend die vermeintliche Echse verabschieden, obwohl Tokio im Hintergrund in Schutt und Asche liegt. Edwards GODZILLA macht dies weit feinsinniger und eleganter, lässt aber die verstörte Menschheit ebenfalls nachdenklich zurück, wie dieser Schrecken ganzer Städte einzuschätzen ist.
Kritiker werden zweifellos bemängeln, dass bei einem Godzilla-Film tiefergehende Charakterzeichnungen und Handlungsstränge so wenig gebraucht werden, wie das Monster auf freiem Land. Aber dieser Film durfte gar nicht werden, was schon mit FINAL WARS beendet worden war. Maßgeblich sind es Autor Max Borenstein und Regisseur Gareth Edwards, die Godzilla endgültig und gelungen ins neue Jahrtausend holten. Ohne die hohe Kunst der alten Hollywood-Schule zu verraten. Borenstein zauberte eine geschickte Handlung, die nicht typischer für Mainstream-Unterhaltung sein könnte. So werden die Hauptfiguren durch trickreiche Verkettungen stets auf Tuchfühlung mit dem Monster gebracht, oder ins Zentrum der Gefahr gestellt. Wie Brody schließlich mit Serizawa zusammen gebracht wird, warum Ford wider Erwarten die Jagd nach dem Urvieh begleitet, oder dass sich der Showdown dann auch in einer amerikanischen Metropole austoben darf, und wie Fords Frau zusätzlich durch das zerstörerische Treiben in Gefahr gerät. Das sind altbekannte Muster, die Borenstein hier aber sehr geschickt nutzt, indem er diese im Grunde eher fragwürdigen Zufälle als Charaktereigenschaft bereits gegeben hat, oder lange im Voraus einführt wurden und damit sehr plausibel werden. Der dramatische Effekt mit der Geburtstagsgirlande ist dafür ein sehr gutes Beispiel, die gleich in den ersten fünf Minuten eine kaum relevante Rolle zu spielen scheint, nach vierzig Minuten allerdings das Verhältnis von Vater und Sohn festigen wird.
GODZILLA ist insoweit ein Film mit hohem Anspruch, dass er klassisch bekannten Erzählstrukturen mit modern eigenwilligem Inszenierungsstil koppelt, und somit die Erwartungshaltung des Publikums ausreizt, aber auch zu erfüllen versteht. Dazu gehört auch, dass Seamus McGarvey seine Kamera immer wieder bei den menschlichen Charakteren lässt, während das eigentliche Spektakel eher als Hintergrund dient, oder nur aus der Sicht der Protagonisten zu erahnen ist. Doch selbst in diesen, nicht wenigen Momenten, verliert der Film zu keiner Zeit seinen Bombast. Im Gegenteil, Sequenzen, wo nur Godzillas Schwanzspitze durch die zerstörte Szenerie huscht, oder man nur seinen gezackten Rücken zu erkennen glaubt, gewinnt die Atmosphäre an Intensität. Es gibt zwei, drei kurze Szenen, bei denen die Tricktechnik nur allzu leicht zu erkennen ist, allerdings ist der gesamte Rest ein Bravourstück wie CGI genutzt werden kann. Und an visuellen Effekten geizt der Film ganz und gar nicht. Natürlich gibt es auch Bilder, die dem Mann im Latex-Kostüm zu Ehren gereichen, wenn in totalen Bildeinstellungen ganze Hochhäuser vernichtet werden. Aber selbst bei diesen Verneigungen vor dem Original, werden die Effekte für den Zuschauer zu unglaublich realistische Abbildungen der eigentlich unmöglichen Szenarien. GODZILLA ist ein überwältigendes Ereignis, das umgehend die Frage aufwirft, wie man gegenüber dieses Bombastes bei einer Fortsetzung mitziehen will. Aber eine Fortsetzung muss her. Und die selbstredend mit dem gleichen Team, und dessen ungebrochener Hingabe etwas Besonderes zu schaffen.
Darsteller: Aaron Taylor-Johnson, Ken Watanabe Bryan Cranston, Elizabeth Olsen, Carson Bolde, Juliette Binoche, David Straithairn, Richard T. Jones u.a.
Regie: Gareth Edwards
Drehbuch: Max Borenstein
Kamera: Seamus McGarvey
Bildschnitt: Bob Ducsay
Musik: Alexandre Desplat
Produktionsdesign: Owen Paterson
USA / 2014
123 Minuten