NON-STOP – Bundesstart 13.03.2014
In was für einer Welt leben wir eigentlich, wo ein 32 jähriger Tobey Maguire aus Altersgründen keinen Spider-Man mehr spielen, aber ein 62 jähriger Liam Neeson ständig den harten Action-Typ geben darf. Kein Zweifel, es liegt an der Physis, denn eines muss man Neeson lassen, dass man ihm den überlegenen Einzelkämpfer immer wieder abnimmt, selbst wenn die Geschichte um ihn herum nicht immer so ganz stimmig ist. NON-STOP erinnert dabei stark an einen anderen Film mit dem charismatischen Iren. In THE GREY ist er ebenfalls ein Charakter, der sich vom Leben verabschieden möchte, seinen Platz darin längst verloren hat. Und auch hier fungiert er schließlich in einer scheinbar ausweglosen Situation, als das rettende Element für die von der Außenwelt abgeschotteten Gruppe. In NON-STOP ist es nicht die eisige Einöde von Alaska, sondern das beengte Innere einer Passagiermaschine, auf dem Weg von New York nach London. Neeson begleitet als Air-Marshal Bill Marks den Nachtflug, bekommt aber kurz nach Start über sein Smart-Phone die Warnung, das alle 20 Minuten ein Mensch an Bord sterben wird, wenn nicht 150 Millionen Dollar auf ein Off-Shore-Konto überwiesen werden. Doch wie sollte so ein Mord unbemerkt zu bewerkstelligen sein? Bill Marks wird es schnell herausfinden, und sieht sich mit einem übermächtigen Gegner konfrontiert.
Weiter in die Details zu gehen, würde sehr viel von Spaß und Spannung nehmen, wie Richardson, Roach und Engle ihr feinsinniges Drehbuch mit Tricks, Fallen, und bösen Wendungen durchzogen haben. Es ist eine raffinierte Geschichte, die den wunderbaren Nachgeschmack hat, dass er nach dem Filmgenuss zu Spekulation und Rekapitulation auffordert. Dabei entwickelt sich NON-STOP sehr schnell zu einem psychologischen Thriller, und lässt die wenigen Action-Sequenzen zweitrangig werden. Und das ist auch sehr gut so, denn Regisseur Jaume Collet-Serra, mit dem Neeson schon UNKNOWN gemacht hat, ist bei der Charakter-Inszenierung am besten. Neesons Verzweiflung, die Unnahbarkeit von Dockerys Flugbegleiterin, Moores tückische Sitznachbarin des Marshals, oder Corey Stolls Unberechenbarkeit als Straßenpolizist auf Urlaub. Das baut eine unglaubliche Spannung auf, die von einer Figur in die andere übergreift, und den Zuschauer ordentlich bei Laune hält. Und selbst in Dialogszenen entsteht dabei keinerlei Leerlauf, man könnte sagen, die Zeit vergeht wie im Flug. Das raffiniert perfide Spiel, das der oder die Entführerin mit dem Air-Marshal treibt, ist die selbe Bürde, die der Regisseur auch dem Zuschauer auferlegt. Und mit diesen durch die Bank hervorragenden Darstellern, wird es zum gern gesehenen Spießrutenlauf.
In den Charakter- oder Spannungsmomenten entwickelt Kamermann Flavio Martínez Labiano eine sehr gelungene Atmosphäre, welche die nicht gerade großzügige Ausstattung eines Flugzeugs wunderbar zur Geltung bringt. Das aber in den gerade einmal vier oder fünf kurzen Action-Segmenten Bild und Schnitt zusammen gegen jede Art von Sehgewohnheiten arbeiten, ist nicht im Geringsten nach zu vollziehen. Wer am Ende die Oberhand gewonnen hat, sieht man erst daran wer als letztes steht. Aber im chaotischen Schnitttempo und den offensichtlich bewusst unbestimmten Bildausschnitten, wird jedes Handgemenge oder Feuergefecht zu einem unverständlichen Bildteppich. Ein Stilmittel, dessen Sinn sich nicht erklärt, und das der Film überhaupt nicht gebraucht hätte, auch nicht verdient hat, denn NON-STOP funktioniert hervorragend mit seiner Geschichte, den Figuren und dem atemberaubenden Setting. Vielleicht wird er den ein oder anderen Missmut wegen der Auflösung herauf beschwören. Aber das hat dann insoweit etwas Gutes, dass man wieder einmal einen Film hat, über den man ausschweifend diskutieren kann.
Darsteller: Liam Neeson, Julianne Moore, Michelle Dockery, Scoot McNairy, Nate Parker, Corey Stoll, Lupita Nyong’o, Omar Metwally u.a.
Regie: Jaume Collet-Serra
Drehbuch: John W. Richardson, Christopher Roach, Ryan Engle
Kamera: Flavio Martínez Labiano
Bildschnitt: Jim May
Musik: John Ottman
Produktionsdesign: Alec Hammond
USA / 2014
zirka 106 Minuten