THE WAY WAY BACK – Bundesstart 05.12.2013
Als Wayback Seat bezeichnet man die versteckte zweite Rückbank bei einem Familien-Kombi, die bei Bedarf aufgeklappt werden kann und auf der man dann verkehrt herum sitzt. Der vierzehnjährige Duncan sitzt auf diesem Wayback Seat, als er mit seiner Mutter und deren neuen Freund Trent bei dessen Ferienhaus ankommt, um dort den Sommer zu verbringen. Dieses Bild ist nicht sehr subtil, aber effektiv, weil Duncan quasi nicht vorausschaut, also nicht sieht, wo er ankommen wird, oder was vor ihm liegt. Wenn es am Ende nachhause geht, sitzt Duncan wieder hinten. Jetzt sieht er, was er zurücklässt, mit seinen letzten Blicken bewegt er sich fort von dem Ort, der ihn so viel gelehrt hat. Duncan ist ein schüchterner, sehr verschlossener Junge, der von sich aus nirgendwo Anschluss findet. Dieser Sommer macht ihn zu einem gewissen Grad erwachsen, mit allen Zutaten, die man von einer guten Coming-Of-Age-Komödie erwartet. Nat Faxon und Jim Rash, die hier selbst kleine Rollen übernahmen, haben auch das Drehbuch zu dem hinreißenden George-Clooney-Hit THE DESCENDANTS verfasst, und geben, ebenfalls im Doppelpack, mit GANZ WEIT HINTEN ihr Regie-Debüt. Ein nicht ganz einfaches Unterfangen.
THE DESCENDANTS war ein sehr ungewöhnlicher Stoff, der traurige Momente humorvoll gestaltete, und den Witz stets erdete. So ungewöhnlich ist GANZ WEIT HINTEN leider nicht, aber in seinem Metier ein doch sehr solides Regie-Debüt. Technisch gesehen, entspricht er höchsten Ansprüchen. Bildgestaltung und das Tempo im Schnitt tun sich nicht mit etwas Außergewöhnlichem hervor, aber genau das ist es, was einen Film dann eben solide macht, bevor er mit verspielten Experimenten den Eindruck von Filmhochschule vermittelt. Die Musik ist ebenso unaufgeregt passend, und die Lied-Auswahl orientiert sich grundsätzlich an die Achtziger, in denen die Handlung stattfinden sollte, was aber aus Budget-Gründen fallen gelassen wurde. Und künstlerisch vertut er sich nicht mit dummen Offensichtlichkeiten, die so leicht möglich gewesen wären, wenn man allein an die Beziehung von Collette und Carells Charaktere denkt, und wie leicht Rockwells Owen da mit hinein spielen könnte. Dadurch bewahrt sich der Film sogar einen unscheinbaren Realismus, weil er dem Zuschauer Optionen anbietet, die nur allzu leicht umzusetzen wären, aber dann doch ehrlich gegenüber der Geschichte bleibt.
Ein Film wie dieser steht und fällt in erster Linie mit seinen Darstellern. Da ist natürlich der wunderbare Liam James, der sich auf seine ganz eigene Weise gegenüber Größen wie Collette, Carell und Janney behauptet. Und im Zusammenspiel mit Sam Rockwell, wird James zu einer überwältigend sensiblen Einheit mit seinem Gegenüber. Überhaupt ist Rockwell der dominierende, aber nie aufdringliche Darsteller in dem Ensemble. Rockwell kann mitunter durchaus ein nervendes Gefühl verbreiten, doch trifft er hier, trotz seiner bekannten Routinen, genau den Ton, spielt sich nicht in den Vordergrund, und wirkt sogar als überdrehter Spinner sehr sympathisch. Alles in allem könnte GANZ WEIT HINTEN die perfekte Wiederholung eines altbekannten Filmschemas sein. Dazu stehen ihm allerdings die Zeichnung der Figuren und deren Inszenierung ein bisschen im Weg. Denn Faxon und Rash geben von allem immer einen Tick zu viel. Steve Carell ist eine Spur zu dominant, Collette ist einen Hauch zu passiv, Janney gibt sich einen Schuss zu überdreht, und Liam James ist eine Prise zu verschlossen. Nur die charismatische Kunst der Darsteller, lässt das Ganze nicht als überzeichnete Seifenblase platzen, was durchaus im Bereich möglich gewesen wäre.
GANZ WEIT HINTEN ist ein sympathischer Film, der nicht ganz weit vorne mitspielt, der aber auch nicht langweilt oder gar verärgert. Wenn Duncan am Ende dank des Wayback Seats sich von dem Ort seiner sommerlichen Erfahrungen entfernt, dann lächelt der Zuschauer dieses verständnisvolle Lächeln. Manche unter diesen Zuschauern werden erst kürzlich erfahren haben, was Duncan emotional durchlebt. Andere werden sich kopfnickend dieser lange Jahre zurückliegenden Erfahrung erinnern. Das wirklich Besondere ist GANZ WEIT HINTEN nicht, aber er erfüllt die Bedürfnisse, mit der die an ihn gestellte Erwartungshaltung gekoppelt ist, nicht nur in vollem Umfang, sondern auch mit sehr viel Gefühl.
Darsteller: Liam James, Sam Rockwell, Steve Carell, Toni Collette, AnnaSophia Robb, Maya Rudolph, Rob Corddry, Amanda Peet u.a.
Regie & Drehbuch: Nat Faxon, Jim Rash
Kamera: John Bailey
Bildschnitt: Tatiana S. Riegel
Musik: Rob Simonsen
Produktionsdesign: Mark Ricker
USA / 2013
zirka 102 Minuten