GETAWAY – Bundesstart 21.11.2013
Als Courtney Solomon das letzte Mal im Regiestuhl saß, hat er mit FLUCH DER BETSY BELL gezeigt, wie sicher er im Horror-Genre ist. Wenn GETAYWAY beginnt, dann ist der Zuschauer sicher, dass Solomon auch im Action-Genre einen sicheren Stand beweisen wird. Der ehemalige Rennfahrer Brent Magna wird von einem Unbekannten gezwungen, mit einem gestohlenen Auto verschiedene halsbrecherische Aufgaben zu bewältigen. Als Druckmittel wurde Brents Frau entführt. Der aufgemotzte Mustang, den Brent aus einem bewachten Parkhaus stehlen muss, wurde mit zahlreichen Überwachungskameras ausgerüstet, damit der als ‚Voice‘ benannte Unbekannte alles sehen kann, damit Brent nicht auf dumme Gedanken kommt. Stets von der Polizei gejagt, muss der Gepeinigte durch Einkaufpassagen donnern, Straßensperren durchbrechen, und immer wieder Menschenleben riskieren. Die verschiedenen Aufgaben müssen immer innerhalb einer bestimmten Zeit bewältigt werden, wenn Brents Leanne überleben soll. Bis plötzlich während einer Verschnaufpause die vorlaute ‚Kid‘ mit geladener Pistole im Wagen sitzt. Es ist ihr Mustang, den Brent sich aneignen musste. ‚Voice‘ gefällt diese anscheinend ungeplante Planänderung, und er bringt die Beiden dazu, die Hetzjagd gemeinsam bis zu einem unbestimmten Ende zu meistern.
Der Film startet ohne auch nur eine Minute Zeit zu verschwenden. Der Zuschauer ist schon mitten in der atemlosen Jagd, die immer wieder von der Entführung von Leanne unterbrochen wird, und wie Brent von ‚Voice‘ kontaktiert wird. Aber der Fokus liegt von Anfang an auf den Actionsequenzen. Immer haarsträubendere Dinge verlangt ‚Voice‘ von dem ehemaligen Rennfahrer. Worauf es hinauslaufen wird, bleibt für den Protagonisten auf der Leinwand und den Teilnehmern vor der Leinwand ein Rätsel. Und tatsächlich wird es auch etwas beliebig, denn was das Auto alles ausrichten und anrichten muss, ist in erster Linie reiner Schauwert. Und diese Schauwerte sind perfekt inszeniert und choreografiert. Das man die am Auto angebrachten Überwachungskameras, und ihre gering auflösende Bildqualität, mit einbindet, gibt den Szenenfolgen einen sehr eigenen Look, an den man sich schnell gewöhnt hat, und der dramaturgisch auch bestens funktioniert.
Erst im weiteren Verlauf stellt sich heraus, dass das Ganze in Bulgarien spielt. Wohl auch ein Grund, warum die Autoritäten nicht in der Lage sind, den losgelassenen Mustang dingfest zu machen. Aber auch ein Grund, ziemlich unbekümmert die mehr als zahlreichen Passanten zu gefährden. Ob diese Szenario auf amerikanischen Grund so gut angenommen und akzeptiert werden würde, muss bezweifelt werden, das sich die hiesige Polizei sicherlich nicht als derartige Stümper darstellen lassen. Und für einen Action-Spaß mit diesem Tempo und in dieser Größenordnung, muss die Gegenseite einfach als Stümper herhalten. Doch Hand aufs Herz, es tut dem Fluss des Filmes auch wirklich gut. Die Stunts sind atemberaubend und jeden Cent Eintritt wert. Bereits die FAST & FURIOUS Reihe hat den physischen Stunt zurück in den Actionfilm gebracht, der ebenfalls von der Computer-Generierung bedroht war. Und GETAWAY zieht daraus seinen eigentlichen Spaß, dass Charlie Picerni als Stunt-Coordinator seine osteuropäischen Stuntmen so geschickt und überwältigend durch dieses destruktive Szenario gejagt hat.
Doch dann steigt Selena Gomez zu Ethan Hawke ins Auto, und mit einem Mal zerbricht dieses nervenzerreißende Gebilde, mit einer unentwegt dumm daher plappernden Göre, die eine eigentlich offensichtliche Situation nicht einzuschätzen vermag, selbst wenn man es ihr auf die Stirn tätowieren würde. Gomez als ‚The Kid‘ stört, nervt, und bringt das stabile Gerüst eines funktionierenden Action-Krachers zum wanken. Von hier ab werden die Action-Szenen von infantilen Ausbrüchen unterbrochen, und das tut dem Film alles andere als gut. Regisseur Solomon hätte dafür einen besseren Blick, beziehungsweise Gehör, während der Inszenierung haben müssen. Doch damit nicht genug, denn Finegan und Parkers Drehbuch haben sich tatsächlich noch einen raffinierten Plot ausgedacht, der die zweite Hälfte bestimmt. Das wäre an sich verständlich, wenn dieser Plot nicht wieder in abgedroschene Plattitüden verfallen würde. Hightech und viel Dummheit, die erwartungsgemäß nur in Osteuropa möglich ist. Man fragt sich ernsthaft, warum. Hätte ‚The Voice’s nicht einfach nur ein perverses Spiel sein können. Vielleicht eine Gruppe, die Wetten auf Brent Magnas Geschick platzieren, oder etwas anderes Sinnbefreites, das die sinnbefreite Action rechtfertigt.
GETAWAY zerfällt wirklich an dem glücklosen Versuch, eine ausgefeilte Handlung in etwas zu bringen, wo der Zuschauer gar keine logischen Erklärungen erwartet. Courteney Solomon hat seinen Film soweit im Griff, wenn es um das pure Adrenalin geht, wenn er dem Action-Freund das Spektakel präsentiert, wenn er einfach nur Gas gibt. Eine ausgeklügelte Entschuldigung für die Ereignisse, wie sie hier dargebracht werden, macht wirklich alles kaputt. Gutes Action-Kino muss sich doch nicht rechtfertigen, jedenfalls nicht mit einer nervenden Selena Gomez, und einem ach so einfallsreichen Bank-Diebstahl. Gutes Action-Kino funktioniert, wenn die Macher zu dem stehen, was so eine Geschichte hergibt. Aber nicht, wenn man anfängt hinzu zu montieren, aufzublasen, und mehr Gewichtung auf etwas zu legen, das niemand braucht. GETAWAY fängt als schnörkelloser Action-Kracher an, der Laune macht und Spaß ins Publikum trägt. Und zerfällt, trotz durchweg glänzend inszenierter Action-Sequenzen, zu einem belanglosen Film, der vorgibt viel mehr zu sein.
Darsteller: Ethan Hawke, Selena Gomez, Jon Voight, Rebecca Budig, Paul Freeman, Bruce Payne, Ivailo Geraskov u.a.
Regie: Courtney Solomon
Drehbuch: Sean Finegan, Gregg Maxwell Parker
Kamera: Yaron Levy
Bildschnitt: Ryan Dufrene
Musik: Justin Burnett
Produktionsdesign: Nate Jones
USA / 2013
zirka 89 Minuten