CAPTAIN PHILLIPS

CAPTAIN PHILLIPS – Bundesstart 14.11.2013

Captain-Phillips-1, Copyright Columbia Pictures / Sony Pictures ReleasingDies ist die Geschichte von Captain Phillips, dessen Container-Schiff 2009 von somalischen Piraten geentert wird, und als Geisel fünf Tage in einem kleinen Rettungsboot zu überleben versucht. Eine Geschichte, die durch alle Medien ging, vor allem wegen des dramatischen Eingreifens von Seite der amerikanischen Navy. Und eine Geschichte, die erneut durch die Medien ging, als die Besatzungsmitglieder von damals starke Einwände gegen den Film vorbrachten. Der Film, nach dem Buch von Captain Richard Phillips selbst, würde nicht die tatsächlichen Ereignisse wiedergeben, Vorgänge beschönigen, und gewisse Situationen gleich ganz außer Acht lassen. Leider ist es aber so, dass all die Punkte, welche die Kritiker hervorbringen, im Film aufgeführt sind. Die warnenden E-Mails an den Captain, die nicht abgebrochene Feuerübung, obwohl die Piraten schon in Sichtweite sind, das Ignorieren der Mannschaft und ihrer Bedenken so dicht an der Küste Somalias vorbei zu fahren. Es ist alles da. Es ist allerdings nicht überdramatisiert, weil Paul Greengrass wieder einmal einen bedrückend realistischen Film gemacht hat. Und in der Realität hat es einfach so ausgesehen, dass Captain Phillips die Situation schlichtweg unterschätzt hat, was der Film in dieser Art der Inszenierung sehr gut vermittelt.

Die einzigen Bedenken die man gegen einen Film von Paul Greengrass vorbringen kann, sind auch bei CAPTAIN PHILLIPS nicht ganz vermieden worden. Allerdings ist Barry Ackroyds Kamera bei weitem statischer, als etwa das unerträgliche Gewackel bei GREEN ZONE. Barry Ackroyd weiß genau, was er mit seiner Kamera in den einzelnen Sequenzen zu machen hat. Er ist in den Einstellungen intensiv nah an den Gesichtern, arbeitet aber genauso in den Totalen die Größenverhältnisse und Positionen der Schiffe heraus. Das sind keine verspielten, künstlerischen Experimente, die Kamera ist immer auf das Wesentliche konzentriert. Regisseur Greengrass stellt auch nie irgendwelche Schuldfragen, verfällt auch nicht in irgendwelche Erklärungsversuche. Seine Inszenierung richtet sich ganz konkret auf den Augenblick. Damit gelingt ihm eine ungeheure Intensität im Verlauf der Handlung zu halten, die nicht abreißt. Selbst wenn man aus den Medien den Ausgang der Geschichte kennen sollte, hat Paul Greengrass daraus packendes Spannungskino entwickelt. Dazu unterstützt Henry Jackmans elektronischer Soundtrack die Intensität einzelner Sequenzen soweit, dass sie auf einem Höchstmaß an Dramatik gehalten werden. Besonders in den letzten zwanzig Minuten, wird das Zusammenspiel von Bild, Schnitt und Musik zu einer positiven zu verstehenden Zerreißprobe für die Nerven.

Doch was nützen die besten technischen Voraus- und Umsetzungen, wenn man nicht die Darsteller hat, die diese Spannung mittragen. Aber mit Tom Hanks hat CAPTAIN PHILLIPS einen Mann gefunden, für den diese realen Ereignisse passiert zu sein scheinen. Greengrass kann die anderen Schauspieler so gut wie möglich einbinden wie er will, dies ist Tom Hanks‘ Film. Er bestimmt die Emotionen und er nimmt den Zuschauer mit festem Griff. So sehr sich der Film die wahren Begebenheiten auch zueigen macht, zeigt sich Paul Greengrass nicht daran interessiert soziologisch wirtschaftliche Erklärungen zu erkunden, oder die Geschichte in einen politischen Kontext zu setzen. Das hat den Nachteil, dass die Motivationen der Piraten kaum Beachtung finden, und sie nicht als Figuren mit Hintergrund wahr genommen werden.

Es geht um Charaktere und die Situation, in der sie sich unvorbereitet behaupten müssen, in dem Moment wo sie geschehen. Und diese Augenblicke vermittelt Tom Hanks mit einer einnehmenden Intensität, die sogar mit seiner zu unrecht nicht mit einem Oscar gewürdigten Leistung in CAST AWAY – VERSCHOLLEN gleichsteht. Während sich seine Kollaborateure, zwar überzeugend, die Seele aus dem Leib spielen, braucht Hanks oftmals nur Blicke, oder  ein leichtes Spiel mit den Mundwinkeln. Und in den letzten zehn Minuten bereitet die Inszenierung dem Schauspieler noch eine höhere Plattform an emotionalen Ausbruch, den man in dieser Dramatik nicht erwartet hätte. Die letzten Minuten verdichten noch einmal, was diesen Film von Paul Greengrass so besonders macht. Ein beeindruckendes Stück von künstlerischer Finesse und darstellerischer Höchstleistung, welches verdeutlicht, dass hinter medialen Ereignissen noch immer menschliche Schicksale stehen. Und inwieweit die dramatisierten Elemente von den realen Geschehnissen abweichen, wird dabei fast schon relativ.

Captain-Phillips-2, Copyright Columbia Pictures / Sony Pictures Releasing

Darsteller: Tom Hanks, Barkhad Abdi, Barkhad Abdirahman, Faysal Ahmed, Mahat M. Ali, Michael Chernus, Corey Johnson, Max Martini, Chris Mulkey, Yul Vazquez, Catherine Keener u.a.
Regie: Paul Greengrass
Drehbuch: Billy Ray, nach dem Buch von Richard Phillips
Kamera: Barry Ackroyd
Bildschnitt: Christopher Rouse
Musik: Henry Jackman
Produktionsdesign: Paul Kirby
USA / 2013
zirka 133 Minuten

Bildquelle: Columbia Pictures / Sony Pictures Releasing
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