ESCAPE PLAN – Bundesstart 14.11.2013
Es war ein Wunschkind seit Mitte der Neunzehnhundertachtziger. Die vorgetäuschte Rivalität zwischen den Heroen, die das Action-Genre zu dieser Zeit fast alleine bestritten, war kein Hinderungsgrund für Stallone und Schwarzenegger, immer wieder Pläne für ein gemeinsames Projekt zu schmieden. Es hätte der Film der Filme werden können, was grobe Geschichten und sinnbefreiter Aktionen angegangen wäre. Aber ständig hakte es am Drehbuch selbst, und auch an Terminproblemen. Schließlich kam endgültig die Politik dazwischen. Erst Schwarzeneggers Gastauftritt bei Stallones EXPENDABLES ließ das gemeinsame Projekt wieder ans Tageslicht kommen. Und fast dreißig Jahre später ist es dann tatsächlich soweit. Und Antoine Fuqua hätte Regie führen sollen, es hätte wahrscheinlich sogar Stallones eigene Hommage an die Achtziger mit EXPENDABLES übertroffen. Doch die Regie übernahm Mikael Håfström. Der Schwede hat sich im Regiestuhl Respekt verschafft, aber wirklich aufgefallen war er nur mit seinem Drehbuch für die außerordentliche Komödie KOOPS.
Ray Breslin ist Sicherheitsberater der besonderen Art. Er lässt sich inkognito in Gefängnisse einsperren, und kundschaftet dann ihre Sicherheitslücken aus, natürlich mit einem folgenden, stilvollen Ausbruch. Sein Folgeauftrag ist allerdings sehr mysteriös. Es soll sich um eine privat geführte Hochsicherheitsanlage handeln, in der unliebsame Gestalten für immer ohne Spur verschwinden. Natürlich hat Breslins Chef Clark sofort Einwände, zu ungenau sind die Angaben, ein Kontakt wäre zur Zentrale auch nicht möglich. Doch Ray Breslin ist selbstredend der harte Typ, der sich fragt, was schon passieren sollte. In dieser ersten halben Stunde macht die Handlung schon einige eklatante Fehler, die tatsächlich ein Kopfkind der Achtziger sein könnten, aber heute kaum noch tragbar sind. Schon der Auftritt der ominösen Vertreterin dieser Hochsicherheitsanlage ist derart von alter Schule, dass sich kein verantwortungsvoller Mensch darauf einlassen würde. Jeder Satz und jede Erwiderung schreien förmlich nach „wie blöd seit ihr eigentlich, euch darauf einzulassen?“. Und dann stellt sich unweigerlich die Frage, was für einen Sinn so eine Anlage macht, in der Menschen für immer verschwinden sollen, wo nicht einmal Angehörige ihnen nachspüren können? Selbst Guantanamo ist öffentlich bekannt, und rechtsfrei. Sollten solche Problemfälle nicht mit Kopfschuss und Wüstensand erledigt werden?
In der Einrichtung angekommen, mit gläsernen Zellen und durch Masken verhüllten Wärtern, macht Breslin die Bekanntschaft mit Emil Rottmayer. Ein Gefangener, der nur festgehalten wird, weil er den Aufenthaltsort eines Mannes kennt, der für dubiose Kreise eine wichtige Rolle spielt. Breslin weiht Rottmayer in die Kunst von Beobachtungsgabe und praktischen Denkens ein, die mit einem erfolgreichen Ausbruch einhergehen. Dabei wird Ray Breslin plötzlich und unerwartet klar, das doch nicht alles mit rechten Dingen zugeht. In Rottmayer glaubt er den richtigen Partner zu haben, einen Ausbruch angehen zu können. Im weiteren Verlauf der Handlung macht es sich der Film nicht leichter. Rottmayers und Breslins ständiges Austesten der Wächter und provokantes Verhalten, um ihren Plan voranzutreiben, scheint sich irgendwo im Kreis zu drehen. Mikael Håfström inszeniert nicht sehr spannend und auch nicht sehr abwechslungsreich. Obwohl Rottmayer unter ständiger Beobachtung des Gefängnisdirektors steht, erregen ihre überdrehten Aktionen keinen Verdacht auf das Offensichtliche. Was passiert, passiert um der Sache willen. Und das ist für gehobene Ansprüche an das Action-Kino kein guter Ausgangspunkt. Selbst, oder gerade als Reminiszenz an die guten sinnbefreiten Tage der Achtziger.
Doch erst im letzten Drittel verflüchtigt sich ein interessantes Konzept, zu einem endgültig hoffnungslosen Fall. In der ersten halben Stunde konnte der Zuschauer nicht nur eine perfekte Flucht beobachten, sie wurde ihm in aller Ausführlichkeit und mit jedem Respekt an Logik erklärt. Da werden natürlich Erwartungen geschürt, die weder Drehbuch, und die Inszenierung im weiteren Verlauf schon gar nicht, erfüllen. Noch schlimmer, die Macher vertrauen ihrem Stoff nicht und wechseln in den letzten Runden auf eine vollkommen andere Fahrbahn. Die Namen sind Stallone und Schwarzenegger, und in diesem Sinne ändert sich die Prämisse des Films in den letzten zwanzig Minuten in reines Action-Spektakel, welches allerdings in keiner Relation zur vorangegangenen Handlung steht. Dem gesamten Konzept einer Wiedervereinigung von Action-Ikonen, steht ein falsch strukturiertes Gerüst entgegen.
Die Inszenierung geht also vollkommen an ihren Möglichkeiten vorbei. Aber da ist noch Jim Caviezel, der einmal ein überzeugender Jesus war, und hier nur abgehalfterte Plattitüden verkörpern darf. Schlimmer trifft es Vinnie Jones, der als oberster Wärter nur eine fiese Visage zeigen darf, aber keinen eigenständigen Beitrag zu leisten versteht. Letztendlich bleibt ein Film, der soviel zu versprechen verstand, und dann doch in eine nicht gut durchdachte Geschichte abrutschte. Natürlich sind Stallone und Schwarzenegger die Zugpferde, die soviel von Inszenierungsschwächen und Logikfehlern zu nehmen verstehen. Aber gerade bei diesem Prestigeobjekt sind die Schwächen leider zu sehr ausgeprägt. Witziges Detail in der englischen Sprachfassung ist Schwarzenegger, dessen Agent ihm nach Jahrzehnten endlich wieder erlaubt hat deutsch zu reden. In dieser bewussten Szenen schreit und wütetet der Österreicher zwar grammatikalisch korrekt, allerdings mit derart amerikanischen Akzent, das es nur schwer verständlich bleibt. Sprachlich ist Schwarzenegger also nirgendwo mehr richtig zuhause. ESCAPE PLAN ist ein halbseidener Thriller, der eigentlich viel mehr Actionfilm sein möchte, und sich scheinbar auf nichts von beiden einigen konnte. Schade ist, dass man während des Handlungsverlaufs immer wieder merkt, wie viel Möglichkeiten in dem Projekt tatsächlich offen standen, die ungenutzt verstrichen.
Darsteller: Sylvester Stallone, Arnold Schwarzenegger, Jim Caviezel, Faran Tahir, Amy Ryan, Vincent D’Onofrio, Vinnie Jones, Sam Neill u.a.
Regie: Mikael Håfström
Drehbuch: Miles Chapman, Arnell Jesko
Kamera: Brendan Galvin
Bildschnitt: Elliot Greenberg
Musik: Alex Heffes
Produktionsdesign: Barry Chusid
USA / 2013
zirka 115 Minuten