ENDER’S GAME – Bundesstart 24.10.2013
Ein Krieg, der alle Kriege beenden soll. Der Film hat sich, nach seiner Vorlage, ein großes Ziel gesetzt. Dieser Krieg wird mit nur einer einzigen Schlacht entschieden. Und heute, wo im Kino dank raffinierter Programmierer alles möglich ist, wird diese Schlacht dem Film und den Erwartungen der Zuschauer auch durchaus gerecht. Nur trägt ENDER’S GAME die Bürde, wie ebenfalls GRAVITY in diesem Jahr, dass er seine visuelle Kunst und Kraft lediglich auf der großen Leinwand ausspielen kann. Aber hinter dem Film steht weit mehr, als nur ein Vehikel für Visuelle Effekte, sondern eine feinfühlig eingewobene Geschichte um Moral, Verantwortung und Vertrauen. Seine bitterste Schlacht hat ENDER’S GAME bereits weitgehend für sich gewonnen, nachdem Buchautor, aber auch Mitproduzent, Orson Scott Card Anfang des Jahres das mediale Interesse an der Verfilmung seines Kultbuches dazu nutzte, seine Einstellung gegenüber gleichgeschlechtlicher Beziehungen kund zu tun. Lediglich die geschlossene Haltung von Regie bis über die Darsteller, gegen die offene Ablehnung des Autors gegenüber Homosexuellen, konnte bis zum Filmstart die gröbsten Wogen glätten. Schwierig wird es in einer Beurteilung der Situation dadurch, dass Orson Scott Card auch mit produziert hat, und somit am Einspielergebnis des Films weiter verdient. Eine prekäre Situation, die jeder Zuschauer für sich selbst einschätzen muss. Denn ENDER’S GAME propagiert letztendlich eine vollkommen konträre Anschauung zu der privaten Gesinnung des umstrittenen Autors.
Fünfzig Jahre ist es her, als die außerirdischen Formics die Erde überfielen, und kurz vor ihrem entscheidenden Sieg, vom Manöver eines intuitiven Flotten-Kommandanten überrascht und ausgeschaltet wurden. Die Erde rechnet jederzeit mit einer erneuten Invasion der Insekten ähnlichen Spezies. Doch Handeln und Tun der Formics erfordern eine strategische Herangehensweise, die herkömmlich militärische Strategien außer Kraft setzen. Jugendliche sind daher gefragt. Ihre Intuition, ihre Auffassungsgabe, ihr rationales Verständnis sind dem geschulter Militaristen weit überlegen. Unter den rekrutierten Anwärtern, für die Führungspositionen der Truppen gegen eine erneute Invasion der Formics, ist Andrew Ender Wiggin. Ender ist ein schmächtiger, eigentlich blass wirkender Jugendlicher, der mit einem unberechenbaren Temperament und überraschenden Einfühlungsvermögen sein Umfeld erstaunt. Der für die Ausbildung zuständige Colonel Graff erkennt Enders schlummerndes Potential, und sieht mit dem Jungen bereits einen Sieg, für den es noch nicht einmal einen vorhersehbaren Kampf gibt.
Der Film schlingert stets gefährlich nah an der Grenze zum platten Hurra-Patriotismus entlang. Wie sich ganze Familien dem größeren Ganzen der militärischen Struktur unterwerfen, oder wie die Kadetten auf ihre Aufgabe vorbereitet werden. Doch klugerweise wurde Harrison Fords Charakter des ständig polemisierenden Colonel Graff, mit Viola Davies als Major Anderson eine Stimme der Vernunft gegenüber gestellt, die zumindest hinterfragt, ob man Kindern tatsächlich zumuten kann, was Graff von ihnen erwartet. Den beiden Kino-Schwergewichten steht eine exzellente Jungdarsteller-Riege gegenüber, die in Leistung und Präsenz kein bisschen nachsteht. Besonders Asa Butterfield als Andrew Ender Wiggin überrascht mit einer ungewöhnlichen Intensität, die gleichsamt seine innere Zerrissenheit, aber auch seinen Führungsanspruch auf die Leinwand transportiert. Es ist mit der gelungenste Aspekt in der Handlung, wie Graff immer wieder hinter Enders Rücken manipuliert und betrügt, der junge Offiziersanwärter aber von seiner Seite aus Graffs Machenschaften mit eigenen Tricks und Ränkespielen umgeht.
Das Spiel mit den Gewissen von unbedarften aber ehrgeizigen Jugendlichen wird am Ende aufgehen, und der Film bekommt eine nicht überraschende, doch eine Wendung, deren Möglichkeit man eigentlich schon aus den eigenen Gedanken gestrichen hat. Es steckt wirklich mehr in der Geschichte von ENDER’S GAME als nur lohnendes Effekte-Kino. Autor und Regisseur in Personalunion, Gavin Hood, zaubert jetzt nicht das herausragende Gedankenspiel großer Science-Fiction-Vorbilder auf die Leinwand. Aber er zeigt Tiefe und eine ausgewogene Balance zwischen Heldenfilm und Moralstudie. Darüber hinaus ist es ein in allen Bereichen auf dem modernsten Stand der Technik umgesetzter Film, der nahezu perfekt gestaltet wurde. Zugegeben, die Regeln der Trainingseinheiten sind nicht so ganz klar angekommen, doch die Bilder im schwerelosen Raum sind einfach das Highlight. Aus allem tun sich Sean Howards und Ben Procters Produktionsdesign und Christine Biesline Clarks Kostüme besonders hervor, die mit sehr eigenständigen Designs überzeugen, ohne zu dick aufzutragen oder etwas zu vernachlässigen. Die Zweckdienlichkeit von Ausstattung und Kostüm könnte man in dieser Beziehung dann sogar als realistisch bezeichnen.
ENDER’S GAME schlägt seine Schlacht grandios. Er macht Spaß, ist spannend und verdammt gut gespielt. Manchmal lässt er den Zuschauer aufzucken, wenn der unreflektierte Pathos durchbricht, findet am Ende allerdings auch seine Rechtfertigung. Das er nicht die Komplexität und weiterreichenden Strukturen des Romans erreicht, schuldet fast jede Verfilmung seiner Vorlage. In diesem Fall ist es allerdings von Vorteil, weil der Film Spielraum gewinnt, sich wesentlich dichter an seine Figuren heranzutasten. Und das macht dann diese wiederrum komplexer. Großes Kino für große Unterhaltung. Und ein Film der beweist, das 3D nicht notwendig ist, um mit gut inszenierter Optik zu imponieren.
Darsteller: Asa Butterfield, Harrison Ford, Ben Kingsley, Abigail Breslin, Hailee Steinfeld, Viola Davies, Moises Arias, Nonso Anozie u.a.
Drehbuch & Regie: Gavin Hood
Kamera: Donald McAlpine
Bildschnitt: Lee Smith, Zach Staenberg
Musik: Steve Jablonsky
Produktionsdesign: Sean Howard, Ben Procter
USA / 2013
zirka 114 Minuten