RUSH – Bundesstart 03.10.2013
Peter Morgan etabliert sich immer mehr zum herausragenden Autor, wenn es um außergewöhnliche Biografien oder zeitgeschichtliche Abhandlungen geht,. LAST KING OF SCOTLAND, THE QUEEN oder FROST / NIXON, um nur die Auffälligsten zu nennen. Mit RUSH war er erneut in den Siebzigern des vergangenen Jahrhunderts, und entwarf einen aberwitzigen Blick auf den Rennzirkus der Formel 1, als James Hunt und Niki Lauda einen jahrlangen, verbissenen Kampf um die Spitze ausfuhren. Beide begegnen sich auf der Piste eines Formel 3 Rennens, wo Hunts rücksichtsloses Fahren und Laudas präzise Analytik das erste Mal kollidieren. Doch für beide ist die Zeit reif, reif für Größeres. Während James Hunt einen großzügigen Sponsor hat, der ihn die Formel 1 ermöglicht, muss sich Lauda mühselig über Umwege bei Ferrari einkaufen. Über sieben Jahre schenken sich die beiden auf der Rennstrecke nichts, und laufen sie sich privat über den Weg, bekunden sie nur allzu gern ihre gegenseitige Abneigung.
Einen tieferen psychologischen Einblick in diese hitzigen Köpfe gewährt uns das Buch und die Regie nicht. Aber es wird sehr schnell deutlich, dass sie sich in Wirklichkeit brauchen, der eine ist die Triebfeder des anderen. Und doch könnten diese Charaktere nicht unterschiedlicher sein. Wo Hunt von sportlichem, aber überzogenen Ehrgeiz durch Lauda angestachelt wird, beharrt Lauda darauf, dass ihn Disziplin und analytische Beobachtung zum besseren Fahrer machen wird. Regisseur Ron Howard bringt das mit seinen beiden, bestens besetzten Darstellern sehr genau auf den Punkt. Dabei dringt er allerdings nur so tief in das Innenleben seiner Figuren vor, wie es auch mit Rennsport und dessen Auswirkung auf Hunt und Lauda zu tun hat. Das hört sich zuerst nicht sehr spannend an, doch bedient sich Buch und Regie eines besonderen Kniffs. Denn keiner der Beiden wird als führende Person hervorgehoben, es gibt keine Rollenvergabe von Gut und Böse. Wenngleich Chris Hemsworths James Hunt vielleicht etwas mehr Sympathie entgegenschlagen könnte, weil er einfach den Lebemann verkörpert, der andere gerne sein würden. Sieht man hingegen mit sportlichen Augen auf den arroganten und überheblichen Niki Lauda, ist er es, der dem Rennsport das notwendige Gesicht der Vernunft verleiht.
Die schauspielerischen Leistungen sind exzellent. Hunt und Lauda könnten mit Hemsworth und Brühl nicht glaubwürdiger besetzt sein. Inwiefern sie den Charakter der wirklichen Personen treffen bleibt dabei irrelevant. Es ist eine fast vierzig Jahre alte Geschichte, zu der die wenigsten Kinozuschauer noch einen persönlichen Bezug durch Fernsehübertragung und Zeitungsgeschichten haben dürften. Aber mit Hemsworth, Brühl und der zurückgenommenen Regie von Ron Howard, fühlt sich alles richtig an und gewinnt dadurch eine eigene, wenngleich vielleicht sogar artifizielle Authentizität. Und da es scheint, als ob Ron Howard ohne jede Schwarz-Weiß-Malerei auskommen wollte, inszenierte er auch die Rennsequenzen entgegen jeder erzähltechnischen Logik. Howard zeigt kein Kopf-an-Kopf-Rennen, keine raffiniert inszenierten Fahraufnahmen, und er verzichtet auf künstlich erhöhte Spannungsmomente um den Zieleinlauf. Stattdessen kreiert er mit extremen Close-Ups von Fahrzeugen und Motorteilen, sowie exzessiven Schärfeverlagerungen in den Rennsequenzen eine ganz eigene, aber sehr besondere Dynamik, besonders in Zusammenhang mit dem unglaublich intensiven Schnitttempo.
Mit RUSH ist Ron Howard wieder ein Film gelungen, der den Mantel der Innovation trägt. Und das, obwohl Howard in keinem Moment des Films das Kino, oder seine Erzähltechniken wirklich neu erfindet. Aber er beweist mit RUSH erneut, dass man mit der richtigen Kombination und Dosierung von Erwartungshaltung des Publikums, technischer Finesse eines experimentierfreudigen Teams, und einem schon viele Male bewiesenen Gespür des Initiators für das Kino selbst, immer wieder überraschen kann. RUSH ist dabei bestimmt nicht Ron Howards bester Film, aber ein überzeugendes Werk, dass der Geschichte von Lauda, Hunt und der Formel 1 durchaus Rechnung trägt. Die Regie trägt den Handlungsablauf, die Darsteller die Glaubwürdigkeit des Films. So funktioniert Kino. Ron Howard ist einer der seltenen Filmemacher, welcher die Mechanismen des Unterhaltungskinos vollkommen verstanden, umgesetzt, und immer wieder neu definiert hat. In der Zusammenarbeit mit Peter Morgan wird aus RUSH ein hinreißender Film, der nicht nur durch Spannung funktioniert, sondern ein Exempel statuiert, in der erfolgreichen und hingebungsvollen Zusammenarbeit aller technischen und künstlerischen Bereiche. So funktioniert Kino. Nicht immer perfekt, aber erfolgreich.
Darsteller: Chris Hemsworth, Daniel Brühl, Olivia Wilde, Alexandra Maria Lara, Pierfrancesco Favino, Davild Calder, Natalie Dormer u.v.a.
Regie: Ron Howard
Drehbuch: Peter Morgan
Kamera: Anthony Dod Mantle
Bildschnitt: Daniel P. Hanley, Mike Hill
Musik: Hans Zimmer
Produktionsdesign: Mark Digby
USA / 2013
zirka 123 Minuten