42 – Bundesstart 08.08.2013
Die Nummer 42 auf den Trikots des Major League Baseballs wurde in den Neunzigern in den Ruhestand versetzt. Nur am 15. April jeden Jahres, tragen alle Baseballspieler der amerikanischen Ober-Liga auf dem Trikot die Nummer 42. Keine kuriose Eigenwilligkeit, sondern der tiefe Respekt der Spieler vor einem Mann, der die Liga nicht nur veränderte, sondern auch begann, die Wahrnehmung gegenüber den Schwarzen bei der weißen Bevölkerung in Frage zu stellen. Es war der 15. April 1947, und Jackie Robinson beginnt als erster schwarzer Baseballspieler in den Arenen der ausschließlich von Weißen besetzten Major League eine beispiellose Karriere.
Verantwortlich für diesen Versuch von Veränderungen in einem bornierten System war Branch Rickey, der damalige Manager der Brooklyn Dodgers. Zuerst macht es den Anschein, als würde Branch Rickey nur eine finanzielle Lücke in der Major League schließen zu wollen, nämlich mit einem afroamerikanischen Spieler, auch wesentlich mehr afroamerikanische Zuschauer in die Stadien zu locken. Später erfährt der Zuschauer die wahren Hintergründe. Doch Rickey verteidigt sich nicht mit einer Rassismus-Debatte, in erster Linie will er Jackie Robinson als Sportler. Doch Robinson ist einer, der sich immer auflehnt, der keinem Streit, keiner herabwürdigenden Bemerkung aus dem Weg geht. Das macht ihn gleichzeitig zum Risikofaktor, denn wie man später erleben wird, ist es sehr schwer verdaulich, was sich Jackie Robinson von den Zuschauerrängen, oder Spielern anderer Mannschaften anhören muss. Zum Kampf auf dem Spielfeld gesellt sich der Kampf gegen die gesellschaftliche Bosheit.
Mit 42 ist Brian Helgeland ein anrührender Film gelungen, der eine harmonische Mischung von Sportfilm und Geschichtsdrama bildet. Auch wenn die Auseinandersetzung mit dem Rassismus die Handlung bestimmt, bilden die Spiele selbst eine gute Brücke für die in der Bevölkerung immer größer werdende Akzeptanz gegenüber Robinson. Doch Helgeland kann es vermeiden, das sich platter Pathos in die Handlung einschleicht, der hinter jeder Szene zu lauern vermag. Sicherlich gibt es Szenen die zu Herz gehen, und Schmerz wie Triumpf zelebrieren. Aber all das bleibt in einem geschmackvollen Rahmen, und macht die Geschichte noch glaubwürdiger. Wovor Helgeland allerdings nicht zurückschreckt, das ist der offen ausgelebte Rassismus, der oftmals erschreckt, aber vielmehr verstört. Und er erzeugt Wut. 42 wird zu einem Film, der weniger gegen die Diskriminierung appelliert, sondern mehr ein Gesellschaftsbild regeneriert. Ein hässliches, ein sehr fragwürdiges Bild. Es gibt eine sehr kurze Szene, in dem ältere Männer von den Rängen unschöne Bemerkungen gegen Robinson auf das Spielfeld brüllen. Ein kleiner Junge blickt erst verständnislos um sich, und begreift nicht was da vor sich geht, weil es scheinbar dazu gehört, stimmt der Kleine schließlich in die Beleidigungen der Erwachsenen mit ein.
Aber genauso ist 42 ein spannender Diskurs über einen Mann der, gerade weil er gegen seine Gewohnheiten handelt, über sich hinauswächst und ein anderes Bild von einem Schwarzen zeigt, als es die weiße Bevölkerung gerne in ihrer Voreingenommenheit bestätigt gesehen hätte. Chadwick Boseman spielt diesen angefeindeten Mann mit einer überzeugenden Leichtigkeit und einnehmender Eleganz, die keine große Gesten benötigt und auch auf überfrachtete Dialoge verzichten kann. Aber auch Harrison Ford versteht zu überraschen, der Branch Rickey entgegen seiner gewohnten Manierismen, mit fast comichafter Verschmitztheit darstellt, ohne dabei ins Lächerliche abzugleiten. Die rastlose Energie von Boseman und die stoische Gemütlichkeit Fords, erzeugen eine sich gegenseitig aufbauende Dynamik.
Auch wenn sich 42 in seinen technischen Aspekten einwandfrei gibt, ist es doch die makellose Inszenierung mit der Brian Helgeland seinen erst vierten Spielfilm zu einem kinematografischen Höhepunkt macht. Eine starke Geschichte, die ehrlich und ohne Kompromisse erzählt ist. Was sich zuerst wie eine für Hollywood typische Erfolgsgeschichte ausnimmt, entpuppt sich als nervenaufreibender Diskurs durch eine gerne verharmloste Übergangszeit in Amerikas Vergangenheit. Jackie Robinson begann seine Karriere in den weißen Stadien 1947, und erst mehr als zwanzig Jahre später fallen die letzten Gesetze, mit denen Schwarze aus der amerikanischen Gesellschaft ausgeschlossen wurden. Ein latenter Rassismus allerdings, ist noch immer nicht ausgeräumt. 42 ist ein uramerikanischer Film mit einer für Amerika eigenen Geschichte. Somit wird es der Film es auf dem europäischen Markt schwer haben. Aber es ist leicht diese Thematik als amerikanisches Problem abzutun, obwohl es nach wie vor ein weltumspannendes, aber gerne totgeschwiegenes Phänomen ist. Doch weit darüber hinaus bleibt 42 ein Film, der seine Aufmerksamkeit verdient hat. Nicht nur durch seine erstklassige, filmische Umsetzung, sondern wegen seiner gerne ignorierten, aber stets aktuellen Geschichte.
Darsteller: Chadwick Boseman, Harrison Ford, Nicole Behane, Christopher Meloni, Ryan Merriman, Lucas Black, Andre Holland u.a.
Regie & Drehbuch: Brian Helgeland
Kamera: Don Burgess
Bildschnitt: Peter McNulty, Kevin Stitt
Musik: Mark Isham
Produktionsdesign: Richard Hoover
USA / 2013
zirka 128 Minuten