CHIMPANZEE – Bundesstart 09.05.2013
Der Besprechung liegt die amerikanischen BluRay zugrunde, und nicht die deutschen Kinofassung.
Der Nationalpark Taï in der Republik Elfenbeinküste ist einer der letzten Regenwaldgebiete Westafrikas. Und er ist der Schauplatz von außergewöhnlichen Ereignissen. Hier wird Oscar geboren, und dies ist seine Geschichte. SCHIMPANSEN ist der siebte Film unter dem Label Disneynature, welches in alter Tradition von Konzerngründer Walt, mit aufwendigen Natur-Dokumentationen, gerade ein junges Publikum für die Natur begeistern soll. Es ist Filmemacher Mark Linfields zweites Abenteuer für Disneynature, für Alastair Fothergill bereits die dritte Arbeit. Fast vier Jahre verbrachten sie mit ihrem Team im Nationalpark Taï, um Schimpansen zu beobachten. Ihr eigentliches Treatment sah vor, einen neugeborenen Schimpansen auf seinem Weg ins Leben zu begleiten. Die Mutter nennen die Filmemacher Isha, der Kleine bekommt den Namen Oscar. Soweit wäre es eine sehr ursprüngliche Dokumentation geworden. Sehr aufwendig und engagiert, Mark Linfield hat viel für die BBC gearbeitet, aber noch nichts wirklich Außergewöhnliches. Doch während der Dreharbeiten passierte etwas innerhalb der Schimpansen-Sippe, was alle Absichten über den Haufen warfen, und eine vollkommen überraschende Wendung mit sich brachte.
ngereichert mit atemberaubenden, elegischen Flügen über den Regenwald, und fantastischen Zeitraffer- sowie Zeitlupenaufnahmen, nähern sich Martyn Colbeck und Bill Wallauer mit ihren Kameras erstaunlich nah den zwei im Film portraitierten Schimpansen-Gruppen. Immer wieder sieht man die Menschenaffen kurz in die Kamera schauen. Eher zufällige Blicke, die verdeutlichen, wie akzeptiert das Filmteam in den Gruppen gewesen sein muss. Viele Aufnahmen sind spektakulär, oder ungewöhnlich, oder beides, wie Oscars immer wieder schmerzhafte, aber doch witzig anzusehende Versuche, Nüsse zu knacken. So ist das eben mit Tierkindern, die direkt das Herz ansprechen.
Aber nicht die Bilder machen das Abenteuer SCHIMPANSEN zum Erlebnis. Es ist der sensationelle Schnitt Andy Netleys. Dies ist kein herkömmlicher Stil einer Dokumentation, sondern Andy Netley brachte alles in eine filmische Dramaturgie. Wie viel Stunden Rohmaterial ihm dafür zur Verfügung stand ist kaum abzuschätzen. Die Ereignisse werden nicht einfach nur abgerissen, sondern mit richtigen Spannungsbögen aufgelöst. Schuss, Gegenschuss, Totale, Nahaufnahmen, und ein geniales Timing in der Schnittfrequenz. SCHIMPANSEN wird zu einem durchweg spannenden Abenteuer, dessen Faszination man sich kaum entziehen kann. Dies gilt aber ausnahmslos für alle Altersgruppen. Es gibt zwei Szenen, die zum Alltag der Schimpansen gehören, aber kein wirklich leicht zu verarbeitendes Bild gegeben hätten, doch auch hier wird mit geschicktem Schnitt die Realität verarbeitet ohne Unnötiges zu zeigen. Trotz allem bleiben auch diese Sequenzen ausdrucksstark und aufwühlend. Der Erzähler, im Original Tim Allen, kommentiert alles sehr launig und für Kinder verständlich, ist für Erwachsene aber weniger störend, als man annehmen würde.
SCHIMPANSEN ist ein fantastisches, filmisches Abenteuer, das seinem produzierendem Studio mehr als gerecht wird. Mit seiner überwältigenden Umsetzung stellt er sich sogar auf eine Stufe mit dem zeitlosen Disney-Klassiker DIE WÜSTE LEBT. Sehr große Fußstapfen, aber perfekt ausgefüllt. Dokumentationen überzeugen meist durch Bilder, oder mit ihrer Thematik. Aber SCHIMPANSEN tut es mit einer kaum für möglich gehaltenen Dramaturgie für gleichermaßen alle Altersgruppen. Einer der ersten Filme in Jahren, für die sich der Rezensent erst nach dem Heimvideo-Genuss, mit Freuden noch einmal ins Kino begeben wird.
Erzähler: Tim Allen / Alexander Brem
Regie: Alastair Fothergill, Mark Linfield
Drehbuch: Alastair Fothergill, Mark Linfield, Don Hahn
Kamera: Martyn Colbeck, Bill Wallauer
Bildschnitt: Andy Netley
Musik: Nicholas Hooper
Tansania – USA / 2012
zirka 78 Minuten