MAMA – Bundesstart 18.04.2013
„Geister sind Emotionen, die aus ihrer Form gerissen wurden, dazu verdammt, dies immer fort zu wiederholen.“ – Dr. Dreyfuss
Antonio Riestra lässt keinen Moment Zweifel aufkommen, dass dies ein unheimlicher Film sein soll, und auch bleiben wird. Riestras Kamera zeigt kaum Farben, lässt das Bild oft ausgewaschen aussehen, und bildet eine optische Einheit zu Luis Sequeiras ausgefressenen Kostümdesign. Andrés und Barbara Muschetti haben fünf Jahre vorher einen Kurzfilm gleichen Titels gemacht, welcher nur 3 Minuten dauert. Mit Unterstützung von Neil Cross haben sie das Drehbuch auf Spielfilmlänge erweitert, was Guillermo del Toro so gut gefallen haben dürfte, das er gleich seinen Namen als Produzent dafür hergab. Tatsächlich ist MAMAs Erzählstruktur und -ton del Toros Frühwerken CRONOS und DEVILS BACKBONE sehr ähnlich. Nur das diese nicht diese permanent beeinflussende Stimmung durch die Kamerabilder notwendig hatten. Andrés Muschiettis Regie, in Zusammenarbeit mit seinem technischen Abteilungen, ist da weit radikaler und unnachgiebiger als seinerzeit Guillermo del Toro.
Ein Vater will in einer einsamen Hütte im Wald seine beiden kleinen Töchter und dann sich selbst umbringen. Doch irgendetwas hindert den Vater an seinem Vorhaben. Fünf Jahre später finden Jäger die größer gewordenen Kinder Lilly und Victoria in der Nähe der Hütte. Doch wie konnten sie in der Wildnis ohne jede Hilfe überleben? Als nächster Verwandter nimmt Onkel Lucas die verwahrlosten und unzivilisierten Kinder bei sich auf. Seine ebenso kinderlose Freundin Annabel sieht das als Herausforderung. Wirkliche Schwierigkeiten machen die Kinder auch nicht, dafür etwas anderes. Etwas, das mit ihnen ins Haus gekommen zu sein scheint.
MAMA ist ein sehr routinierter Gruselthriller, der effektiv seine Spannungselemente ausspielt und nicht enttäuschend. Doch MAMA hat auf seinem Weg der Handlung so einige Augenblicke, die auf eine überraschende Wendung hoffen lassen. Freunde und Kenner des Horror-Genres werden während des Films immer wieder dem Glauben ausgesetzt, dass eine für das Genre unübliche Wendung für Überraschungen sorgen könnte. Dem ist aber leider nicht so. MAMA geht unter der Führung von Regisseur Andrés Muschietti einen bekannten, einen erprobten und sicheren Weg des wohligen Grusels. Dieser Weg hat für überraschende Wendungen wenig übrig. Die Schockmomente sind clever umgesetzt, und trotz Vorahnung, funktionieren die Schrecken hervorragend. Ebenso wirksam sind einige Spannungsbögen aufgebaut, die fantastische Gruselstimmung erzeugen.
Doch die eigentliche Triebfeder in MAMA ist Jessica Chastain. Megan Carpenter und Isabelle Nélisse sind als Victoria und Lilly wirklich überzeugend unheimlich, doch es ist Chastain, die den Zuschauer bei Laune hält und mitreißt. Wirft man einen Blick in ihre Vita allein der letzten zwei Jahre, dann hat die Filmwelt eine Ausnahmedarstellerin gefunden, mit der alles möglich ist, und die alles glaubwürdig verkörpern kann. Jemanden wie Jessica Chastain braucht ein Film wie MAMA auch. Denn die angesprochene Radikalität und Unnachgiebigkeit von Regisseur Muschietti bezieht sich in erster Linie auf die Routine mit welcher der Film den Standards gerecht wird. Eben anders wie zum Beispiel DEVILS BACKBONE, wo del Toro mit verschiedenen Stimmungen, Lichtwechseln und Farbgebungen richtige Atmosphären schaffte, die in spannenden Wechselwirkungen zur Handlung standen.
Muschietti wagt so etwas nicht. Seine Inszenierung ist voll und ganz auf Linie der Erwartungen für einen Gruselthriller. So ist dann auch Antonio Riestras Kamera nur bedingt stimmungsvoll, weil sie festgefahren wirkt und ohne Abwechslung bleibt. Daraus resultiert zwar ein spannender Film, mit einer hervorragenden Darstellerin, doch man bekommt nach einiger Zeit das unbestimmte Gefühl, Handlung und Settings würden sich wiederholen. In diesem Fall hätten die Macher auf zwanzig Minuten verzichten sollen. Aus dem, trotz allem, spannend unterhaltsamen Gruselfilm, hätte vielleicht etwas Besonderes werden können.
Den Kurzfilm MAMA gibt es in guter Qualität hier zu sehen. Allerdings fehlen dabei die letzten 15 Sekunden. Vollständig gibt es ihn in schlechter Qualität und mit Kommentaren, hier.
Darsteller: Jessica Chastain, Megan Carpenter, Isabelle Nélisse, Nikolaj Coster-Waldau, Daniel Kash und Javier Botet u.a.
Regie: Andrés Muschietti
Drehbuch: Andrés Muschietti, Barbara Muschietti, Neil Cross
Kamera: Antonio Riestra
Bildschnitt: Michele Conroy
Musik: Fernando Velázquez
Produktionsdesign: Anastasia Masaro
Spanien – Kanada / 2013
zirka 100 Minuten