TROUBLE WITH THE CURVE – Bundesstart 29.11.2012
Es gibt wieder ein wunderbares Beispiel von Schwachsinn in der deutschen Verleihwelt. Der Curve-Ball ist in Deutschland sicherlich kein allgemein bekannter Begriff. Das macht aber auch gar nichts, denn dann stecken schlaue Burschen und Mädels die Köpfe zusammen, wahrscheinlich haben sie sehr lange Marketing studiert, und ersinnen einen deutschen Titel. So wurde aus einem für das amerikanische Publikum treffenden und dem Film gerecht werdenden TROUBLE WITH THE CURVE der sehr deutsche und ohne Zusammenhang mit der Geschichte stehende BACK IN THE GAME.
Der von Clint Eastwood in nun endgültig überbeanspruchter Abgeklärtheit gespielte Gus wird alt. Als Späher für einen großen Baseball-Verein kundschaftet er bei Regionalligisten eventuelle Talente aus. Seine altersbedingte und sich rapide verschlimmernde Sehschwäche ist ihm bei einem Sport wie Baseball nicht sehr zuträglich. Zu seiner Tochter Mickey, einer erfolgreichen Anwältin, hat er ein eher zwiespältiges Verhältnis. Dennoch treibt es die beiden zusammen auf Tour, bei der es nicht nur um Gus‘ Reputation als Talent-Scout geht, sondern auch um die Beziehung zu seiner Tochter.
TROUBLE kommt wie ein radikaler Gegenentwurf zu dem früher im Jahr gelaufenen MONEYBALL. MONEYBALL thematisierte die Revolution im Auswahlverfahren von Sportlern im amerikanischen Spitzensport, wo man begann, auf menschliche Intuition zu verzichten und sich Tabellen und Statistiken zuzuwenden. TROUBLE WITH CURVE oder, wie man als guter Deutscher sagt, BACK IN THE GAME propagiert in für Hollywood typischer Vehemenz, dass Computer und Statistiken niemals dem menschlichen Einfühlungsvermögen und emotionalen Scharfsinn das Wasser reichen können. Darauf baut der Film, allerdings fälschlicherweise. Aus rein menschlicher Sicht mag sich das nicht richtig anfühlen, aber das Konzept von MONEYBALL ist ein bis heute unbestrittenes Erfolgsmodell.
TROUBLE ist kein Film, der sich den Regularien dieser Realität unterwirft, sondern die Philosophie des Sports nur als Transportmittel für die Selbstfindung sucht. Jeder ist sucht, selbst der alternde Gus muss sich neu orientieren. Tochter Mickey, die sich fragen muss, ob sie wirklich zur Anwältin geboren ist. Vater und Tochter, die einen Weg zueinander suchen. Justin Timberlakes Johnny sucht seinen eigenen Weg. John Goodmans Pete muss sich zwischen Loyalität und Verstand entscheiden. Nur die, die sich sicher fühlen und glauben, über den Dingen zu stehen, werden am Ende zur Freude des Publikums vom Spielfeld geschlagen. Dass diese sehr geradlinige und auch sehr vorhersehbare Geschichte ansehnlich bleibt, ist allein den Darstellern geschuldet.
Auch wenn man dies seit Jahren unverändert kennt, ist es eine Paraderolle für Eastwoods stoische Griesgrämigkeit. Amy Adams macht eine hervorragende Figur, allerdings fordert sie die Geschichte nicht nach ihren Möglichkeiten. John Goodman, der ewige Nebencharakter, ist wie immer in seinen wenigen Szenen der alles dominierende Charakter. Dafür hätte man sich etwas mehr Tiefgang für Justin Timberlakes eindimensionalen Charakter gewünscht, denn er ist längst als ernstzunehmender Darsteller angekommen. Nur Matthew Lillard als neuer Talent-Scout schlägt vollkommen aus der Reihe. Nicht eine seiner Szenen ist glaubwürdig, weil sein Spiel viel zu überzogen ist. Randy Brown hätte da entweder noch mal über die Dialoge gehen müssen oder Robert Lorenz seinen Schauspieler deutlich zügeln.
Robert Lorenz ist langjähriger Weggefährte von Clint Eastwood und stand bei den meisten Filmen der letzten Jahre als Regie-Assistent neben dem Großmeister. In einem Film, der eigentlich geradezu danach schreit, dass auch hier Eastwood Regie führen sollte, scheint Lorenz zumindest in der Auswahl eine ideale Besetzung. Für ein Regie-Debut allerdings ist TROUBLE WITH THE CURVE von seiner Geschichte her etwas zu einfach gestrickt, da liegt viel in den Händen der Regie, einzelne Szenen tiefer auszuarbeiten und die charakterlichen Entwicklungen interessanter zu gestalten. Ein gutes Beispiel wäre hierfür Eastwood mit MILLION DOLLAR BABY, wo der Regisseur trotz der fast schon frechen Vorhersehbarkeit gerade mit den Figuren einen durchweg spannenden Film erzählt.
Bei BACK IN THE GAME ist selbst am Ende niemand BACK IN THE GAME. Davon sollte man sich allerdings nicht irritieren lassen, es gibt ja immer noch TROUBLE WITH THE CURVE, wo am Ende alle aus ihren Schwächen mit einem im Bogen geworfenen Ball gelernt haben. Zumindest die Metapher mit dieser speziellen Wurftechnik funktioniert für alle Charaktere im vollen Umfang. Es ist wichtig zu verstehen, dass TROUBLE kein Sportfilm ist, auch wenn er vordergründig Baseball thematisiert. Dazu ist er wirklich kein tiefsinniger Film, dafür aber allemal unterhaltsam. Wenngleich man von Tom Sterns Bildern nicht gerade verwöhnt wird. Seine Kamera hat bei anderen Filmen schon wesentlich mehr zur Erzählung beigetragen. Hingegen sich wieder einmal knapp zwei Stunden mit Clint Eastwood die Zeit zu vertreiben zählt ja nicht unbedingt zum schlechtesten Abschalten vom Ernst des Lebens.
Darsteller: Clint Eastwood, Amy Adams, John Goodman, Justin Timberlake, Joe Massingill, Chelcie Ross, Bob Gunton, Robert Patrick, Matthew Lillard u.a.
Regie: Robert Lorenz
Drehbuch: Randy Brown
Kamera: Tom Stern
Bildschnitt: Joel Cross, Gary Roach
Musik: Marco Beltrami
Produktionsdesign: James J. Murakami
USA / 2012
zirka 111 Minuten