Killer Joe – DVD-Veröffentlichung 02.11.2012
Es war so ein kleiner Hoffnungsschimmer auf dem Fantasy Filmfest. William Friedkin hatte wieder einmal einen Thriller gedreht, so einen kleinen schmutzigen Thriller, in dem alles passieren kann. So wie einst bei TO LIVE AND DIE IN L.A., nur angesiedelt im heruntergekommenen Trailer-Park-Milieu. Da ist Emile Hirsch als naiv-dümmlicher Chris, der mit Drogen handelt, aber selbst das nicht richtig kann. Das bringt ihn in mächtige Schwierigkeiten, aus denen ihn nur die Summe einer Lebensversicherung helfen könnte. Und die Lebensversicherung seiner verhassten Mutter wäre da gerade richtig. Ein Police-Detective wie Joe Cooper kommt da sehr gelegen, der neben seiner Polizeiarbeit für eine angemessene Summe schon einmal das eine oder andere Leben aushaucht. Dies ist erst der Anfang dieses kleinen schmutzigen Thrillers. Es wird also noch eine Menge passieren, bis die 102 Minuten um sind.
William Friedkin ist ein Regisseur, der hauptsächlich von Orson Welles beeinflusst wurde. Das hat er in seinen besten Filmen auch deutlich gezeigt. Es sind geradlinige Filme, ohne Schnörkel oder Firlefanz, die sich auf das Wesentliche konzentrieren. KILLER JOE ist genauso direkt inszeniert. Und das ist dann doch das Besondere an dem Film, denn als Zuschauer merkt man kaum, wie sich die Rollen von Gut und Böse im Laufe des Films wandeln. Ist der Böse wirklich so böse? Nach BUG ist dies Friedkins zweite Verfilmung eines Stückes von Tracy Lett. Übrigens ist BUG ebenfalls ein Film, der nur dank des Fantasy Filmfestes wenngleich nur kurz auf deutschen Leinwänden zu sehen war. Und der Passus des Theaterstückes sollte auch aufhorchen lassen. Denn KILLER JOE ist am Ende doch nicht der kleine schmutzige Thriller, der mit kleinen schmutzigen Schauwerten punkten wird, wie man zuerst vermuten möchte. Die Handlung bei einem Bühnenstück funktioniert meist über seine gut ausgearbeiteten Figuren, und eben nicht über feinsinnig erdachte Gewaltorgien.
Die Darsteller sind über jeden Tadel erhaben. Emile Hirsch als dümmlicher Verlierer ist dabei ebenso überzeugend wie der überheblich arrogante Killer-Detective gespielt von Matthew McConaughey. Gina Gershon ist aber ebenso erfüllend hassenswert wie Juno Temple einfach zum Drücken niedlich ist. Aber es ist Thomas Haden Church, der als infantiler Vater den größten Eindruck hinterlässt. Man mag große Erwartungen in William Friedkins jüngsten Film gelegt haben. Fans, Kinofreunde und Kritiker gleichermaßen. Werbung und Erwartungshaltung haben letztendlich aber den interessierten Zuschauer getäuscht.
Dies ist kein Film mit irrwitzigen Schießereien, blutigen Exzessen oder absurder Gewaltkomik. Es ist ein Film, der die Gewaltbereitschaft in einer vernachlässigten Gesellschaft demonstriert, und woraus diese Bereitschaft erwächst. Und es ist auch ein Film, bei dem der Regisseur seinen Darstellern so viel Freiraum gibt, um durch den Spaß am Spiel den größtmöglichen Ausstoß an emotionaler Intensität zu garantieren. Am Ende ist KILLER JOE nicht der Film, den man erwartet hätte. Aber es ist ein sehenswerter Film, der zu überraschen versteht. Nach wie vor ein kleiner schmutziger Thriller, aber doch ganz anders als man es erwartet hat. Das macht es diesem Film nicht sehr leicht, weil seine Macher und Verleiher aus Mangel an Vertrauen ihr eigenes Projekt verraten.
Dieses kleine schmutzige Kammerspiel von William Friedkin ist ein sehenswerter Thriller, der nicht die Erwartungen erfüllt, die im Zuschauer geweckt wurden. Aber es ist ein intensives Charakterstück, welches einen unbedarften Zuschauer durchaus fesseln wird. Auch wenn KILLER JOE sicherlich nicht der Film ist, den man erwartet – auf seine eigene Weise ist es dennoch ein schmutziger kleiner Thriller, der mit seiner Atmosphäre aus Bühnenspiel und Kammerspiel echt zu überzeugen versteht.
Darsteller: Matthew McConaughey, Emile Hirsch, Juno Temple, Gina Gershon, Thomas Haden Church u.a.
Regie: William Friedkin
Drehbuch: Tracy Letts nach seinem Bühnenstück
Kamera: Caleb Deschanel
Bildschnitt: Darrin Navarro
Musik: Tyler Bates
Produktionsdesign: Franco-Giacomo Carbone
USA / 2011
zirka 102 Minuten