Deutschlandstart 11.10.2012
Chon und Ben ziehen das beste Marihuana der nördlichen Hemisphäre. Ihr Geschäft brummt. Die cleveren Drogendealer haben sich schließlich ihre Anzuchtsamen aus den einschlägigen Ländern der südlichen Hemisphäre geholt. Chon und Ben sind äußerlich die netten Jungs von nebenan, Surfer-Typen, die ein elegisches Leben führen. Aber Chon und Ben können auch anders, denn sie sind keine blauäugigen Eigenkonsumenten. Das sind im Grunde die besten Komponenten in Oliver Stones Versuch eines sehr bunten Film noir. Keine Figur stellt sich charakterlich als die Person heraus, die man ihrer Stellung und ihrem Betragen nach als Zuschauer erwarten sollte.
Filmisch kann der von trister New-York- oder Chicago-Kulisse zur sonnigen Umgebung Kaliforniens verlegte Gangster-Reigen allerdings nicht überzeugen. Aber im Hintergrund schlummert immer noch Oliver Stones Talent, Charaktere vielschichtig und interessant zu zeichnen. Der ängstlich wirkende CIA-Agent entpuppt sich als die eigentliche Drecksau, und die Drogenbaronin zeigt sich als mitfühlendes Herzchen. Die Figuren funktionieren herausragend, doch die fast schon herkömmlich anmutende Geschichte ist alles andere als überzeugend.
Zwei Sunny-Boys lieben dieselbe Frau. Die Frau liebt beide Kerle gleichermaßen. In ihrem Off-Kommentar erklärt O (das Kürzel von Ophelia) den einen zum befriedigenden Sex-Partner und den anderen zum verständnisvollen Seelenverwandten. Mit glaubwürdigen Charakteren will Oliver Stone eine unglaubwürdige Dreierbeziehung erzählen, die keinerlei Sinn macht, weil der Regisseur die Motivation der involvierten Personen und ihrer Beziehung untereinander nicht glaubhaft vermitteln kann. Und weil es sich dabei um die Hauptfiguren handelt, wird aus dem Fluss des Films eine holprige Steinpiste. Wo die Charakterzeichnungen stimmig sind, bleiben ihre eigentlichen Geschichten fragwürdig. Eine notwendige Identifikation zerfällt ins Nichts.
Oliver Stone war einmal der Mann, der dem Gewissen Amerikas das Fürchten lehrte. PLATOON gab es, genauso wie SALVATOR oder WALL STREET. Mit NATURAL BORN KILLERS hat er seine heimische Kultur schließlich vollkommen verstört. Aber in den letzten Jahren unterwarf sich Stone desaströsen Fehleinschätzungen wie ALEXANDER und einer mit oberflächlichen Phrasen gestopften Fortsetzung von WALL STREET. Und sein Kommentar zu den Ereignissen um das WORLD TRADE CENTER war ein sentimentales Drama ohne jeden Kommentar.
In Stil und Umsetzung könnte SAVAGES ein Nachfolger von Stones U-TURN sein, aber genau wie bei den zwei Teilen von WALL STREET fehlt es der Fortsetzung an schmutziger Ehrlichkeit und manipulativem Biss. Vollkommen abwesend ist die bohrende Subjektivität, mit der Oliver Stone gerne den Zuschauer die erzählte Geschichte hinterfragen ließ. Es hätte ein sehr bunter Film noir werden können, der auch unter die Haut gegangen wäre, wenn Oliver Stone endlich wieder Geist gezeigt hätte, sein Publikum herauszufordern.
Darsteller: Blake Lively, Taylor Kitsch, Aaron Taylor-Johnson, Jana Banker, Candra Docherty, Patrick Fourmy, Benicio Del Toro, John Travolta, Demián Bichir u.v.a.
Regie: Oliver Stone
Drehbuch: Oliver Stone, Shane Salerno, Don Winslow
Kamera: Daniel Mindel
Bildschnitt: Joe Hutshing, Stuart Levy, Alex Marguez
Musik: Adam Peters
Produktionsdesign: Tomás Voth
USA / 2012
zirka 131 Minuten