Fast ein Jahr hat es nun gedauert, bis BIG YEAR den Weg in die deutschen Kinos finden durfte. Ein marketingtechnisch nicht ganz einfacher Film, der deswegen auch auf seinem heimatlichen Leinwänden katastrophal Federn lassen musste. Mit dem idiotischen deutschen Titel allerdings dürfte es auch hierzulande recht schwierig werden. Dabei ist dies ein sehr guter Film. Drei sehr unterschiedliche Vogelkundler entschließen sich zu einem sogenannten Big Year, in dessen Verlauf man versucht, so viele unterschiedliche Vogelarten zu sichten wie möglich. Das ist anstrengend, führt ein komplettes Jahr in gewaltigen Zick-Zack-Sprüngen über den Kontinent und kostet entsprechend. Der bisherige Meister Kenny Bostick ist mit 735 verschiedenen Vögeln innerhalb eines Jahres ungeschlagen. In seiner unverbesserlichen Eitelkeit möchte er seinen eigenen Rekord schlagen. Brad Harris möchte Jahresmeister werden, weil er bisher noch nichts in seinem Leben wirklich zu Ende gebracht hat. Und Stu Preissler möchte beweisen, dass es im Leben weit Interessanteres gibt, als große Geschäfte und das dicke Geld.
Aus ornithologischer Logik heraus laufen sich die drei Männer auf ihrer Hatz immer wieder über den Weg. Zwei schließen sogar Freundschaft, der dritte lernt trotzdem nichts dazu. Inspiriert wurde Howard Franklins Drehbuch von einer Geschichte von Mark Obmascik, und das Wort Inspiration trifft es ziemlich genau. David Frankel hat daraus einen erstaunlichen Film inszeniert. Natürlich geht es um Vögel, aber für den Zuschauer wird dabei nichts vorausgesetzt und er wird auch nicht überfordert. Durch die Augen der Figuren wird man eventuell sogar angeregt, ab und an einmal etwas genauer hinzusehen. Aber auch wenn das zentrale Thema die Vogelbeobachtung ist, so geht es in erster Linie um echte Menschen. Sie alle sind nachvollziehbare, glaubhafte Charaktere, die ihren Platz im Leben zuerst erkunden und dann auch finden. Zwischen tollen Naturaufnahmen und ehrlicher, bodenständiger Komik haben diese drei Figuren wirklich etwas zu sagen.
Mit den Namen Wilson, Black und Martin ist es natürlich schwierig, einen Film dieser Klasse ins richtige Nest zu setzen. Jack Black ist nicht der zappelnde Kasper, Steve Martin nicht der überzogene Neurotiker, Wilson kein liebevoller Aufschneider. Nur leicht sind die Typisierungen der Darsteller gegen ihr buntes Gefieder gebürstet. Es ist erfreulich zu sehen, dass Regisseur Frankel gerade mit diesen Schauspielern so viel Überraschendes zu erreichen versteht. Nur muss man dies dem zahlungswilligen Interessenten ebenso zu verstehen geben. FOX 2000 hat das mit seiner missglückten Kampagne in Amerika ebenso vergeigt, wie Cent-Fox wahrscheinlich in Deutschland den Film in den Sand setzen wird. Ein Kuckucksei sozusagen.
Es bleibt bei selbstherrlichen Bloggern und einer hoffentlich erfolgreichen Mundpropaganda, dass dieser leise, kleine und doch einnehmende Film einem breiteren Publikum bekannt gemacht wird. Nein, BIG YEAR, mit dem dümmlich-widersprüchlichen Titel EIN JAHR VOGELFREI, ist kein knalliger Schenkelklopfer. BIG YEAR ist ein bisschen unterschwellig, zaubert ein permanentes Lächeln auf die Gesichter der Zuschauer und versucht dank der einfühlsamen Regie von David Frankel gar nicht erst, lustiger zu sein als es der Geschichte gut tun würde. Dies ist ein Film, der es verdient, gesehen zu werden, gerade weil er weiß, wo und wie er sich zurücknehmen muss, um zu funktionieren. Wer also in einem Kinojahr sein BIG YEAR machen möchte, muss THE BIG YEAR einbeziehen, um auf eine vernünftige Anzahl von sichtungswürdigen Filmen zu kommen. Denn dort gehört dieser Film hin. Gesehen zu werden, weil er sehenswert ist.
THE BIG YEAR
Darsteller: Steve Martin, Jack Black, Owen Wilson, Brian Dennehy, Dianne Wiest, Anjelica Huston, Rosamund Pike, John Cleese, Kevin Pollack, JoBeth Williams u.v.a
Regie: David Frankel
Drehbuch: Howard Franklin, nach dem Buch von Mark Obmascik
Kamera: Lawrence Sher
Bildschnitt: Mark Livolsi
Produktionsdesign: Brent Thomas
USA / 2011
zirka 100 Minuten7