Es ist alles eine Frage der Maske. Durfte man 2011 schon von DiCaprios Altersmaske überwältigt sein, vollbrachten Mark Coulier und Roy Helland mit der Neugestaltung von Meryl Streep ein wahres Wunder. Und das ist, was dieser Film durchweg ausstrahlt, die unglaubliche Magie einer alles beherrschenden Meryl Streep. Unterbrochen werden ihre Auftritte in unregelmäßigen Rückblenden, wenn eine ebenso erstaunliche Alexandra Roach die Kostüme der jungen Margaret Thatcher an hat, die sogar mit wesentlich weniger Make-up eine überzeugende Ähnlichkeit mit der zu diesem Zeitpunkt zukünftigen Premierministerin aufweist. Beide sind eine wunderbare Ergänzung zueinander, von welcher der Film nur profitiert. Doch wenngleich sich Streeps Auftritte mit den Sequenzen von Roach ablösen, bleibt ihre Präsenz allgegenwärtig. Alles eine Frage der Maske, und einer ungeheuren Disziplin.
Es war zweifellos eine bemerkenswerte, eigentlich unvorstellbare Karriere. Doch der Film beginnt mit einer greisen, verunsicherten Dame, die Milch einkauft. Später wird sie sich bei ihrem Mann darüber beschweren, dass die Milch teurer geworden ist. Es ist der einzige Hinweis auf die Auswirkungen der Thatcher-Politik, die als eine der ersten Amtshandlungen das Milchgeld an britischen Schulen abgeschafft hat. Für einen Großteil der Zuschauer also ohne Bedeutung, wenn man nicht außerordentlich gut die politische Geschichte der letzten vierzig Jahre verfolgt hat. Selbst für die meisten Briten wahrscheinlich eine nichtssagende Anspielung.
Hin und her springt der Film. Eine einsame, an Demenz erkrankte Frau und die junge, aufstrebende Politikerin. Was Elliot Davis mit seinen Bildern schafft, ist in der Farbgebung abgesetzte Stimmungen. Kalte, blasse Farben in den aktuellen Szenen, strahlende Leuchtkraft bei Margarets Weg an die Spitze. Damit unterstützt die Kamera einen Eindruck, der durch Handlung und Dialoge nie in Frage gestellt wird. Welche Auswirkungen hatte die Politik von Margaret Thatcher tatsächlich auf die britische Gesellschaft? Man sieht Demonstrationen gegen die Partei, man sieht jubelnde Mengen für die Partei. Aber Abi Morgans Drehbuch sträubt sich gegen jede Art von Stellungnahme oder politischer Aussage. Somit entlarvt sich Phyllida Lloyds erst dritte Regiearbeit als inkonsequentes Spektakel, das lediglich mit Schauwerten interessant gestaltet ist.
Als Biografie ist die „eiserne Lady“ nicht gelungen. Was der Film allerdings eindrucksvoll zeigt, ist die Gegenüberstellung der aufstrebenden Politikerin, der willensstarken Premierministerin und einer alten Frau, der die Kraft und auch die Möglichkeit von Macht und dem Durchsetzen derselbigen abhanden gekommen sind. Aber Margaret Thatcher war zu bedeutend für die britische Politik und auch für das Ansehen Britanniens in der restlichen Welt, als dass man in einer Biografie darauf verzichten kann. „Die eiserne Lady“ ist so nur auf den ersten Blick ein beeindruckender, spannender Film. Was am Ende allerdings bleibt, ist ein Vakuum, das nur mit dem Bildnis von Meryl Streep gefüllt ist.
Es ist alles eine Frage der Maske. So wie sich Streep mit der erschreckend realistischen Maske von Coulier und Helland beim Publikum verdient macht, versteckt sich das unzulängliche und dann doch enttäuschende Drehbuch hinter der Maske und der Magie von Meryl Streep. Dies ist kein Film über Margaret Thatcher, sondern ein Film mit Meryl Streep.
Darsteller: Meryl Streep, Jim Broadbent, Alexandra Roach, Harry Lloyd, Olivia Colman, Iain Glen, Victoria Bewick u.a.
Regie: Phyllida Lloyd
Drehbuch: Abi Morgan
Kamera: Elliot Davis
Bildschnitt: Justine Wright
Maske: Mark Coulier, J. Roy Helland
Musik: Thomas Newman
Produktionsdesign: Simon Elliot
Großbritannien / 2011
zirka 105 Minuten