– Bundesstart 23.04.2025
– Release 23.03.2025 (MEX)
Pre-Release 23.04.25, Cinecitta, Nürnberg
Privatdetektiv Ray King wird bei einem Auftrag angegriffen und getötet. Seine ehemalige Kollegin Marybeth Medina, Agentin der Finanzbehörde, will die Hintergründe aufklären. Die letzte Nachricht von King ist auf dessen Arm gekritzelt: Finde den Accountant. Und Medina findet ihn. Christian Wolff, autistischer Finanzbuchhalter und Profikiller. Und ein Phänomen im lösen von obskuren Rätseln. Christian Wolff sieht und erkennt Verbindungen und Zusammenhänge, die kein anderer finden würde. Doch das kennt man bereits aus Gavin O’Connors Film von 2016, der nach einer Fortsetzung schlichtweg verlangte. Nur das es fast zehn Jahre dauerte ist verwunderlich. Wie so oft bei solchen erzwungenen Fortsetzungen, ist das verschwunden was den ersten Film eigentlich ausmachte. Die kühle Atmosphäre mit der unmöglich scheinenden Verbindung eines Neurodivergenten und Auftragskiller in Personalunion. Hauptdarsteller Ben Affleck hat selbst das Projekt über Jahre vorangetrieben, dann gleich die Produzentenrolle mit übernommen, und weil es sich folgerichtig anbietet, gleich eine Trilogie ins Gespräch gebracht.
Herausgekommen ist ein anderer Film, der sich merklich vom Original abhebt. Und das ist auch genau richtig so. Und die acht Jahre zwischen Start des ersten und Drehbuch des zweiten Films haben absolut gut getan. Eine Zeitspanne die sogar im Film immer wieder zur Sprache kommt. Drehbuch und Regie haben, zum Glück, wieder Bill Dubuque und Gavin O’Connor übernommen. Sie verstehen exzellent mit den beliebten Versatzstücken und Besonderheiten von Teil Eins zu spielen, zu variieren, aber auch dem zweiten Teil eine ganz eigene Stimmung zu geben. Und diese Stimmung ist wesentlich gelöster.
Christian Wolff und Marybeth Medina finden sich in einer Zweckgemeinschaft zusammen, und der Kriminelle kann für die Agentin die unstrukturierte Sammlung an Hinweisen enträtseln, die der ermordete King zurückgelassen hat. Menschenschmuggel, Kinderhandel und ein Junge mit Christians neuraler Verfassung. Für das Rätselgenie kein Problem herauszufinden, aber ein Problem, alleine gegen die Bande vorzugehen. Wie vom Vorgänger gewohnt, ist der Film bis hierhin mit trockenem Humor launig unterhaltsam. Doch dann ruft Christian seinen entfremdeten Bruder Braxton zur Hilfe, und der Film nimmt schwindelerregende Fahrt auf. Was weniger mit der Action zu tun, auch wenn es reichlich davon gibt, sondern mit einem überwältigend hohem Humorlevel.
Braxton ist im selben Geschäftsbereich tätig wie sein Bruder, aber im Wesen sind sie das exakte Gegenteil. Und „Accountant 2“ wäre nicht annähernd so gut, ohne die unfassbare Dynamik zwischen dem extrovertierten Braxton und dem in sich gefangenen Christian. Der eigentliche Witz und die amüsante Stimmung entwickelt sich selten durch die locker geschriebenen Wortgefechte und Tiraden, sondern was Jon Bernthal und Ben Affleck daraus machen. Und sie machen daraus eigentlich den ganzen Film. Denn O’Connor ist nicht unbedingt ein begnadeter Actionregisseur, was sich gerade im Showdown zeigt, der dennoch ganze zwanzig Minuten dauert. Die Feuergefechte kann man bestenfalls als gewöhnlich ansehen, aber als Höhepunkt sollte man es nicht bezeichnen.
Wie Teil Eins auf den Charakter von Christian Wolff ausgelegt ist, fokussiert sich der Kern von Teil Zwei auf die ungewöhnliche Energie in der Beziehung zwischen den Brüdern. Die sich, um es zu wiederholen, allein durch Bernthal und Affleck entfacht und weiter entwickelt. Es ist ihre extreme Gegensätzlichkeit in Beschreibung und im starken Spiel, in dem sich diese Figuren ergänzen. Es sind zwei eiskalte Mörder, die als Sympathieträger fungieren. Das kann der Film mit viel Sarkasmus in Dialog und Inszenierung ausgleichen und transportieren. Und ein wenig Zynismus spielt auch hinein. So ein Film funktioniert nur, wenn er auf einem angemessen überzogenen Niveau erzählt wird.
Bill Dubuque (auch Erfinder von „Ozark“) hat die zweite Ausgabe des „Accountant“ in viele einzelne Kapitel unterteilt. Diese episodenhafte Erzählung ist weit besser anzusehen als man annehmen möchte. Es verschwimmt viel weniger, und einzelne Sequenzen bleiben viel intensiver in Erinnerung. Braxtons erster Auftritt in einem Berliner Penthouse, Christians Speed-Dating Fiasko, oder die Aussprache der Brüder auf dem Dach des Airstream. Kapitel für Kapitel, und man genießt es. Dabei wird die bescheidene Qualität der Actionszenen fast schon nebensächlich. Ben Affleck und Jon Bernthal bringen wieder einmal richtig aufregendes Vergnügen in den angestaubten Buddy-Movie, ohne dabei albern zu werden. Eine überraschend gute Visitenkarte für „Accountant 3“.
Darsteller: Ben Affleck, Jon Bernthal, Cynthia Addai-Robinson, Daniella Pineda, Grant Harvey, Robert Morgan und J.K. Simmons u.a.
Regie: Gavin O‘Connor
Drehbuch: Bill Dubuque
Kamera: Seamus McCarvey
Bildschnitt: Richard Pearson
Musik: Bryce Dessner
Produktionsdesign: Jade Healy
USA / 2025
132 Minuten