HOLLAND

Holland - (c) AMAZON CONTENT SERVICES LLC– AMAZON PRIME 27.03.2025

Holland, Michigan, ist nicht Paris, Texas. In Holland, Michigan, bekommt man was der Name verspricht: bunt blühende Tulpenfelder, klassische Windmühlen, Holzschuhe und Menschen mit Namen wie Vandergroot, die sich den Traditionen ihrer Namensherkunft verschrieben haben. Nancy gehört dazu – auch wenn sie nur eine angeheiratete Vandergroot ist. Verheiratet mit Fred, einem Augenoptiker, und Mutter des pubertierenden Harry, der gerade folkloristischen holländischen Tanz lernt. Doch die perfekte Hausfrau Nancy hat andere Sorgen – zum Beispiel wie oft ein Augenoptiker tatsächlich Tagungen und Schulungen haben kann. Oder ist Fred vielleicht aus einem anderen Grund immer wieder auf Kurzreisen? Alles was uns Mimi Cave, die Regisseurin des witzigen Schockers FLESH, in den ersten Minuten von HOLLAND zeigt, wirkt eigentümlich künstlich. Die ganze Stadt, die perfekte Familie, die herzliche Hingabe der Mutter, die nebenbei noch Hauswirtschaft lehrt. Zu Recht glaubt man sich in einer Mischung von FRAUEN VON STEPFORD und DONT‘ WORRY, DARLING. Aber HOLLAND könnte nicht weiter von diesen Vorbildern entfernt sein.

Die Regisseurin gibt uns Einblicke in diesen geschlossenen Kosmos einer Kleinstadt, die sich durch selbst auferlegte Traditionen definiert. Aber diese Einblicke sind nicht sehr tief. Anfangs scheint es noch, als würde sich alles zu einem großen Ganzen fügen, zu einem sich gegenseitig stützenden Geflecht. Da gibt es noch den Lehrer Dave, ein verständnisvoller Kollege von Nancy. Er wird ihr helfen herauszufinden, ob Fred vielleicht eine Affäre hat. Eingebettet in das skurrile Szenario von Holland, entwickelt sich aus der anfänglich satirisch anmutenden Erzählung, eine hauchdünne Thriller-Atmosphäre. Ab diesem Punkt verliert die Geschichte auch eine konsistente Linie.

Kaum eine Darstellerin aus dem Mainstream hat sich derart konsequent gegen ihr festgeschriebenes Image als verwundbares Poster-Girl gestemmt wie Nicole Kidman. Auf der Leinwand als auch abseits davon. Und das zur Freude sehr erfolgreich. Was durchaus auch zu Verstimmungen führen kann, wenn die Produktion nicht mit der unbändigen Anziehungskraft und den Möglichkeiten der Künstlerin mithalten kann. Zuletzt war das bei BABYGIRL und leider auch EIN NEUER SOMMER der Fall. Und jetzt noch HOLLAND, ein furchtbares Durcheinander an Stil und Inhalt.

Die Absicht liegt auf der Hand, dass Autor Andrew Sodroski (u.a. MANHUNT: UNABOMBER) hier ein turbulentes Verwirrspiel mit satirischen Einschüben im Sinn hatte. Mimi Cave inszeniert zwei Szenen auch wie eine typische Screwball-Komödie. Sie inszeniert aber auch Sequenzen in klassischer Suspense. Oder sie verfällt kurzfristig dem Erotik-Thriller. Worauf man vergeblich wartet ist die implizierte Satire in der Abrechnung mit dem vermeintlichen Mief des Kleinstadtlebens. Noch viel schlimmer: Das die Stadt Holland ihre holländischen Wurzeln zelebriert, ist lediglich Ausschmückung ohne Bedeutung, und hat auf die Handlung nicht den geringsten Einfluss.

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Der ständige Wechsel von Genre und Sub-Genre zwingt zur ständigen Neuausrichtung. Man muss zugutehalten, dass die Idee mit der Modelleisenbahn hervorragend durchdacht ist und ihr Zweck sogar ziemlich brillant angedeutet wird. Aber da ist man längst wieder abgelenkt durch nicht unerhebliche Hinweise auf die Vergangenheit zweier Figuren, die allerdings nie aufgelöst werden. Noch während man darüber rätselt, reißen einen unvermittelt kurze, aber völlig überflüssige Splatter-Einlagen aus den Gedanken. Es will einfach nichts zusammenpassen. Mimi Cave nutzt kaum etwas von dem was ihr angereicht wird, packt dafür aber unheimlich viel hinein, was dann im Weg steht.

Aber es ist ein wahres Vergnügen Nicole Kidman zuzusehen. Wie so oft. Die brachiale Entschlossenheit von Nancy ist stets mit partieller Unsicherheit durchzogen, was Kidman mit präziser Körperspannung und pointiertem Minenspiel transportiert. Bei Nancy Vandergroot sind die Grenzen von Scharfsinn, Unverkunft und Wahnsinn immer wieder fließend, so wie die Linie zwischen Leidenschaft und Schamgefühl. Nicole Kidman kann das, ihre Mitspieler allerdings nicht. Das Matthew Macfadyen oder Gael García Bernal in ihren Figuren so uninteressant und zweidimensional bleiben, liegt aber an der Inszenierung selbst. Hier verlässt sich die Regisseurin viel lieber auf die Standards von Charakterzeichnungen, anstatt mit den Möglichkeiten zu spielen.

Holland, Michigan, ist nicht Paris, Texas, denn Holland ist eine reale Kleinstadt mit den ganz realen Eigenarten. Bereits hier beißt sich das Konzept des Films selbst in den Schwanz. DIE FRAUEN VON STEPFORD und DON’T WORRY, DARLING haben doch vorgemacht, dass so eine Prämisse nur als bitterböse Satire funktionieren kann. HOLLAND fehlt das Bitterböse als auch die Satire – was schade ist. Doch das letztendliche Scheitern des Films liegt am Unvermögen eine konsequente Linie zu finden.

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Darsteller: Nicole Kidman, Gael García Bernal, Matthew Macfadyen, Jude Hill, Jeff Pope, Isaac Krasner u.a.

Regie: Mimi Cave
Drehbuch: Andrew Sodroski
Kamera: Pawel Pogorzelski
Bildschnitt: Martin Pensa
Musik: Alex Somers
Produktionsdesign: JC Molina
USA / 2025
108 Minuten

Bildrechte: AMAZON CONTENT SERVICES LLC
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