– Bundesstart 10.04.2025
– Release 24.10.2024 (It)
In seinem jüngsten Film macht Paolo Sorrentino das, was er in seinen Film am liebsten tut. Er beschäftigt sich mit den Vorzügen des Jungseins, oder mit der Anmut von Menschen, vielleicht mit einem ungezwungenen Leben. Und manchmal vereint er alles, wie zum Beispiel in EWIGER JUGEND, oder dessen Vorgänger DIE GROSSE SCHÖNHEIT. Wirklich exzessiv behandelt er diese Themen in PARTHENOPE. Wer in römischer oder griechischer Mythologie nicht bewandert ist, wird bei diesem Film ziemlich schnell zurückfallen. Parthenope war eine der Sirenen, deren Gesang bei Odysseus nichts anhaben konnte, weswegen sie selbstmörderisch ins Meer sprang und später tot an der Küste Neapels angeschwemmt wurde (Manchmal ist das Presseheft hilfreich und von Vorteil). Aber wie das bei Sorrentino so ist, soll dies keine moderne Abhandlung des Mythos sein. Der neapolitanische Filmemacher bedient sich nur an einzelnen Elementen.
Der Film beginnt Mitte der 1960er, auf einem opulent malerischen Anwesen in Neapel, wo die junge, liebreizende Parthenope alle Blicke auf sich zieht. Die Familie pflegt ein Leben des Müßiggangs. Parthenopes Brüder Raimondo und Sandrino sind ihr in schmachtender Leidenschaft verfallen. Es braucht einige Zeit bis man sich an die Selbstverständlichkeit gewöhnt hat, wie mit den inzestuösen Hitzewallungen innerhalb der Familie umgegangen wird. Parthenope erweist sich als die beste Studentin auf der Universität und studiert Anthropologie, weil sie die Definition von Anthropologie nicht versteht. Ihr Professor rät ihr zur Dissertation über „Die kulturellen Grenzen von Wundern“.
Eine Inhaltsangabe erweist sich als schwierig, da sich in Sorrentinos Erzählung vieles nicht erklären lässt. Man kann den Film durchaus ‚erfahren‘, aber nicht zwangsläufig ‚verstehen‘. Parthenope ist eine Frau die jeden Mann dazu bringt, sich nach ihr umzudrehen, und von jeder Frau neidvoll, aber anerkennt beobachtet wird. Hier wird ein Frauenbild gezeichnet das schon lange nicht mehr zeitgemäß ist, sogar höchst fragwürdig dargestellt wird. Selbst wenn sich Parthenope als die cleverste aller Studierenden erweist. Aber der Regisseur hat auch einen Film inszeniert, der sich außerhalb von Zeit und Realität befindet. Dennoch wird Parthenope nicht explizit sexualisiert-erotisch dargestellt, Sorrentino zeichnet sie als die Verkörperung anziehender Sinnlichkeit.
Über ein Jahrzehnt begleitet der Regisseur sein Objekt der Begierde, die durch ihre Reize auch den Schlüssel zu ihrer Selbstbestimmung hält. Traumwandlerisch und manchmal auch unverständlich werden große Momente von pseudo-philosophischem Hintersinn zelebriert. Reale Dialoge sind eher eine Versehen. Ansonsten vergießt der Regisseur und gleichzeitige Autor Dialoge über seinen Figuren wie, „findest du nicht das Begehren ein Mysterium ist, und Sex sein Begräbnis“ – und das natürlich während einer Bestattung. Sorrention schafft das über die gesamten 130 Minuten, ohne Abspann.
Es sind die Bilder von Daria D’Antonio, die dem Film seinen verführerischen Glanz geben. Das sonnendurchflutete Neapel mit starken Gegenlichtaufnahmen. Die punktuelle Beleuchtung in den Nachtszenen. Keine Einstellung ist dem Zufall überlassen. Hier wird PARTHENOPE zum endgültigen Kunstprojekt. Besonders drastisch ist es in den Szenen von Intimität, in denen sich die Paare nie berühren, und leidenschaftlicher Kontakt nur angedeutet bleibt. Es gibt nur eine einzige Sexszene im Film, die aber nicht mit Parthenope-Darstellerin Celeste Dalla Porta ist und bewusst extrem unerotisch inszeniert wurde. Der Regisseur sorgt schon dafür, dass Dalla Porta allein im Zentrum sinnlicher Sehnsucht steht. Wann immer es die Dramaturgie erlaubt, hält D‘Antonios Kamera sie auch in der Bildmitte. Es ist Celeste Dalla Portas erste Hauptrolle und sich als sehr nuanciert abwechslungsreiche Darstellerin beweist. Ihr wirkliches Potential verliert sich aber immer durch Sorrentinos aufdringliche Sexualisierung der Figur.
Den stärksten Eindruck hinterlässt Gary Oldman, trotz oder gerade wegen seiner nur sehr kurzen Auftritte. Ein amerikanischer Schriftsteller, der als alkoholisiertes Wrack versponnene Lebensweisheiten von sich gibt, und eben Parthenope nicht verfällt. Oldman war selten so beängstigend real wie in diesem Film. Und es ist genau diese Rolle, die besonders stark hervorhebt, wie verspielt künstlich Paolo Sorrentino seinen Film gestaltet hat. Ein Film der seine optischen Reize bis zum Maximum ausspielt, aber intellektuell dann doch wesentlich mehr Fragen aufwirft. Die Figur Flora Malva, zu allem Überfluss eine Schauspiellehrerin, trifft den Charakter des Films ziemlich gut: „Zeigen Sie niemals Ihre Fotos. Verlassen Sie sich nicht einmal auf Schönheit. Es bezaubert in den ersten zehn Minuten und irritiert in den nächsten zehn Jahren.“
Darsteller: Celeste Dalla Porta, Daniele Rienzo, Dario Aita, Isabella Ferrari, Luisa Ranieri, Silvio Orlando und Gary Oldman u.a.
Regie & Drehbuch: Paolo Sorrentino
Kamera: Daria D’Antonio
Bildschnitt: Christiano Travaglioli
Musik: Lele Marchitelli
Produktionsdesign: Carmine Guarino
Italien, Frankreich / 2024
137 Minuten