MICKEY 17

Mickey 17 - c WARNER BROS– Bundesstart 06.03.2025
– Release 28.02.2025 (KOR)

Asiatisches Kino trifft SESAMSTRASSE trifft Kurt Vonnegut trifft AVENUE 5 trifft George Carlin trifft Italo-Weltraum-Trash der Spätsiebziger. Jedes für sich bereitet durchaus Freude. Alles zusammen, gut gemischt, müsste Gold wert sein. In Bong Joon-hos neuestem Streich finden sich noch viel mehr verwertbare Anleihen und Vergleiche. Doch so oder so sind keine dieser verwendeten Zutaten für MICKEY 17 wirklich gut. Die Geschichte des entbehrlichen Mickey, Neudeutsch ein Expendable, der bei jedem wissenschaftlichen Versuch stirbt, mit dem Bioprinter neu gefertigt wird, und jede Inkarnation mit dem Geist und dem Wissen der Vorgänger gespeist wird, ist eine sichere Prämisse für perfekte Satire und sozialkritische Paukenschläge. Standardthemen für den südkoreanischen Regisseur und Drehbuchautoren, wie sie die Filme PARASITE und SNOWPIERCER dominieren, aber bei allen Filmen von Bong Joon-ho spürbar sind, selbst beim Monsterspaß THE HOST. Doch bei MICKEY 17 will der ‚Genre-Mix mit Anspruch‘ einfach nicht funktionieren.

Vorweg muss gesagt werden, dass dem Rezensenten nur die deutsche Synchronisation zur Verfügung stand. Und diese ist das Schlimmste, was einem in jüngster Zeit im Kino zugemutet wurde. Man kann durchaus annehmen das Inhalt und Bedeutung der Dialoge in ihrer weltfremden Naivität in der Originalfassung so vorgeben sind. Das ist für einen Film von Bong Joon-ho schon schlimm genug, die Dialoge sind schlicht und ergreifend furchtbar. Aber in der Synchronisation spürt man regelrecht das grauenhafte Unvermögen von Sprechern und Dialogregie, mit der Mischung von amerikanischem Kino und asiatischer Inszenierung umgehen zu können. Immer und immer wieder blickt man sich während der Vorstellung verstört um, ob das was von der Leinwand kommt tatsächlich Robert Pattinson, Toni Colette, Mark Ruffalo oder Naomie Ackie sein soll.

Satire hat viele Vorzüge, und viel Verantwortung. Die Definition von Satire variiert, im Kern ist es aber immer dieselbe Aussage. Bongs PARASITE ist Satire. MICKEY 17 ist es nicht, und tut sich selbst als Parodie seinem Publikum keinen Gefallen. Keine Frage, dass der jüngste Streich des ausgeschriebenen Genies technisch einwandfrei umgesetzt ist. Seinem relativ geringen Budget von etwa 120 Millionen Dollar macht er alle Ehre. Die visuellen Effekte sind tadellos, was auch durch den um ein Jahr verschobenen Starttermin zustande kam. Mit sehr raffinierten Kameraeinstellungen und Inszenierungstricks gelingt es dem Film in seiner Optik stets größer und teurer zu wirken. Erneut zeigt sich Darius Khondji als brillanter Kameramann für verschiedenste Genres und visuelle Ansprüche. In der Bildgestaltung ist MICKEY 17 hervorragend.

Mit Yang Jin-mo hat der Filmemacher seinen bewährten Cutter wieder mit eingebracht. Yang beherrscht die Kunst der geschickten Reduktion, und versteht jede Szene auf ihre essenziellsten Bilder zu verdichten. Das macht die 137 Minuten grundsätzlich sehr kurzweilig. Nur in seiner Inszenierung von Darstellern und ihren stets kindisch wirkenden Dialogen, oder auch in den selbst gesteckten Vorgaben des Handlungsverlaufs, wird der Film manchmal erschreckend lang – gefühlt. Und oft ist er auch nicht stimmig. Warum sind sechzehn Kopien des schüchternen bis weinerlichen Mickey in ihrem Wesen identisch, nur Mickey 18 zeigt sich als unerbittlicher Mister Cool.

Mickey 17 b - (c) WARNER BROS

Der gescheiterte Politiker und Multimilliardär Kenneth Marshall will einen weit entfernten Planeten kolonisieren. Für diese Mission lässt sich Mickey als ‚Expendable‘ anheuern. Er stirbt etliche Male bei Simulationen dessen, was bei der Expedition schiefgehen könnte, um den Rest der Crew zu schützen. Bis es zu einem Missgeschick mit den Ureinwohnern des Zielplaneten Niflheim kommt. Plötzlich steht die 17 der bereits gedruckten 18 seiner selbst gegenüber, etwas das absolut nicht sein darf. Schon aus ethischer Sicht dürfen zwei Körper keinesfalls die selbe Seele haben. Hier funktioniert die Geschichte noch einigermaßen. Die ethische Frage nach dem Wert eines Menschen und die moralische Verantwortung dem Leben gegenüber. All das wird für die Mission über den Haufen geworfen. Das Szenario ist absurd und bösartig zugleich, aber auch relevant. „Wie ist es zu sterben?“ – wird zum Running-Gag.

Aber MICKEY 17 will zu viel auf einmal. Gedacht beißender Witz, oder die anklagende Farce, dass alles hebt sich immer wieder auf. Der Regisseur hat keine klare Linie. Für ein reines Science Fiction-Spektakel ist es zu wenig, zu vorhersehbar, zu lang. Als zeitgemäß soziopolitische Nabelschau ist es zu offensichtlich und ohne intellektuellen Tiefgang. Ausgerechnet Größen wie Toni Colette und Mark Ruffalo kaspern sich ungewohnt unlustig, dafür erschreckend peinlich an ihren Rollen als Milliardärspaar ab als wäre es Kinderbelustigung. Die exzessive Leidenschaft für Saucen von Collettes Ylfa beginnt schon nach kürzester Zeit zu nerven, wird aber als Gag im Verlauf immer weiter strapaziert. Bong zeigt wenig Interesse an einer ernsthaft satirischen Gegenwartsbeschreibung. Aber selbst als absurder Blödsinn will der unstete Mix nicht funktionieren.

Was den Film retten könnte, wäre ein für Bong Joon-hos Filme gewohnter, tonaler Richtungswechsel. Und der findet dann tatsächlich statt, wie man es erwarten würde, wenn sich Mickey 17 und Mickey 18 begegnen und eine gemeinsame Strategie zum Überleben finden müssen. Aber der Wechsel geht in die falsche Richtung. Das ist der Moment, wenn Bong seinen Film strukturell in den absoluten Mainstream dreht, und mit den Albernheiten voll aufdreht. Erneut beweist Robert Pattinson seine Vielseitigkeit, und er zeigt wie man eine undankbar flach scheinende Rolle mit dem richtigen Gespür für den Moment immer wieder glänzen lässt. Sein unglaublich trauriger Gang, seine mitfühlende Resignation oder die subtilen Gesten, wenn der Fokus auf anderen Figuren liegt. Robert Pattinson ist der eigentliche Grund, weshalb man MICKEY 17 durchhält.

Man kann nur erahnen worauf der verantwortliche Filmemacher hinaus wollte, wenn er das Vokabular mehr und mehr, und bis zur nervtötenden Grenze auf „beschissen“ und „verfickt“ reduziert. Man kann nur erahnen – wie die meisten Aspekte in Handlung und Regie. Das Bong nicht linear erzählt ist, neben Pattinson, noch das gelungenste Element. Und er kann Emotionen – richtig emotional zu Herzen gehen – da verfehlt Bong Joon-ho auch hier nicht das Ziel. Aber MICKEY 17 ist auch politisch, sozialkritisch, hat gesellschaftliche Kommentare, und überaus satirische Spitzen. Aber das ergibt sich nicht natürlich, diese inhaltlichen Aspekte sind nicht korrelierender Teil der filmischen Erfahrung. Man muss sich Sinn, Sinnlichkeit und Hintersinn nebenher und hinterher selbst hart erarbeiten. Und dadurch gewinnt MICKEY 17 von Bong Joon-ho irrtümlich den faden Geschmack von fehlender Substanz.

Mickey 17 a - c WARNER BROS


Darsteller: Robert Pattinson, Steven Yeun, Mark Ruffalo, Noami Ackie, Toni Collette u.a.

Regie & Drehbuch: Bong Joon Ho
nach Edward Ashtons Novel „Mickey 7“
Kamera: Darius Khondji
Bildschnitt: Yang Jin-mo
Musik: Jung Jae-il
Produktionsdesign: Fiona Crombie
Südkorea, USA / 2025
137 Minuten

Bildrechte: WARNER BROS.
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