THE ONLY GIRL IN THE ORCHESTRA

Only Girl Orchestra - c NETFLIX– Release 04.12.2024, NETFLIX

Oscar 25Ihre Eltern, Marguerite Churchill und George O’Brien, waren bekannte Filmschauspieler. Und Tochter Orin O’Brien hatte Physis und Ausstrahlung (und hat sie eigentlich noch), um selbst in diesem Medium beliebt und berühmt zu werden. Aber sie entschied sich lieber für die Musik. Sie hatte keine Ambitionen zur Solistin, sagt Orin selbst, weswegen sie sich für den Kontrabass entschied, um in der hinteren Reihe zu spielen. Was sie auf sehr ironische Weise in die erste Reihe beförderte. Kein Geringerer als Leonard Bernstein beharrte auf Orin, und holte sie 1966 zu den New York Philharmonikern. Zum Entsetzen der männlichen Orchestermitglieder, und mit Widerspruch von Musik-Puristen. Orin O’Brien war das erste, und lange Zeit „das einzige Mädchen im Orchester“. Die Filmemacherin Molly O’Brien hat dieses Mädchen, ihre Tante, porträtiert.

Der strukturelle Aufbau der Dokumentation ist eher klassisch, also nicht sehr aufregend.  Es gibt Ausschnitte von Filmen, in denen ihre Eltern auftraten. Man sieht Archivmaterial aus Orins Anfängen bei den New Yorker Philharmonikern. Die Bassistin ist im Off-Ton zu hören, oder sie sitzt in einer Interview-Situation an einem Tisch. Es gibt auch die üblichen Filmschnipsel von aktuellen Unterrichtsstunden mit ihren Schülern. Und es gibt privates, wenn sie durch ihre Wohnung führt, aus der sie ausziehen will, wegen des Schimmels, der ihren Instrumenten nicht gut tut. Eigentlich das Übliche an Interviews und Bildmaterial, wäre da nicht diese Frau selbst, mit ihrem erstaunlichen Charisma.

Only Girl Orchestra b - c NETFLIX

Molly O’Brien hat den Film über ihre Tante begonnen, als diese gerade von den Philharmonikern in den Ruhestand verabschiedet wird. Nach 55 Jahren. Wer dann zu rechnen beginnt, will nicht glauben, dass Person und Zeitangaben übereinstimmen sollen. Der Film besticht durch eine unglaubliche Leichtigkeit, die durch Orins spürbare Lebenslust, und mitreißende Natürlichkeit getragen wird. Keine der aktuellen Szenen wirkt gestellt, oder beschönigt. Interviews entstehen aus der jeweiligen Situation. Da gibt es durchaus auch einmal heftige Wortgefechte zwischen Tante und Nichte. Im Heute kann man sehr leicht erkennen, was Bernstein im Gestern bewogen haben muss. Nicht nur Orins perfektes Spiel, sondern auch ihr diszipliniertes Selbstbewusstsein.

Es ist die ungezwungene Protagonistin die Molly O’Briens Film erfrischend nahbar macht. Und diesen Rezensenten auch dazu verleitet, Orin vertraulich beim Vornamen zu nennen. Eine wohltuende Abwechslung zu den sonst gefälligen und getragenen, vom Schicksal gebeutelten, und sozial bewegenden Themen, welche ständig, nicht nur die Doku-Festivals, sondern auch die meisten Preisverleihungen dominieren. Mit seiner erstaunlichen Zugänglichkeit macht THE ONLY GIRL IN THE ORCHESTRA richtig Freude. Molly O’Brien vergisst dabei aber nie hervorzuheben, was Tante Orin O’Brien geleistet hat, immer noch leistet, und zukünftig leisten kann. Und was für eine tolle, aber auch streitbare Frau sie ist.

Only Girl Orchestra a - c NETFLIX


Darsteller: Orin O’Brien, Carlos Barriento, Jaqui Danilow, Lea Ivanovic u.a.

Regie: Molly O’Brien
Kamera: Martina Radwan
Bildschnitt: Monique Zavistovski
Musik: Laura Karpman
Produktionsmanagement: Susan Ricketts
USA / 2023
34 Minuten

Bildrechte: NETFLIX
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