– Bundesstart 20.02.2025
– Release 22.01.2025 (FR)
In diesem Film hat die Protagonistin direkt nach Faustschlag bereits eine mandarinengroße Schwelung im Gesicht. In diesem Film sieht ein tatsächlich rasiertes Haupt aus wie eine sehr schlechte Latex-Glatze. In diesem Film wird der Bösewicht wiederholt überwältigt, und bleibt trotzdem wiederholt unbewacht. In diesem Film ist Kommunikation im Flugzeug ohne Kopfhörer unmöglich, aber je nach Bedarf wird sich am selben Ort ohne Hilfe im Plauderton unterhalten. In diesem Film folgt die Zeichnung der Figuren sehr präzise dem Stereotyp für Thriller. Bei diesem Film hat Mel Gibson Regie geführt, und dieser Film ist schlecht. Und das schmerzt. Es schmerzt wirklich, weil es von dem Mann kommt, der PASSION CHRISTI und HACKSAW RIDGE inszeniert hat.
Das Drehbuch von Debütant Jared Rosenberg war 2020 auf der ‚Black List‘, die Liste der beliebtesten nicht-produzierten Drehbücher in Hollywood. Und das ist nachvollziehbar. Ein drei Personen Stück als Thriller, der (fast) in Echtzeit in nur einem Raum spielt. In diesem Fall ein Flugzeug, mit dem US Marshall Madolyn Harris den betrügerischen Buchmacher Winston von der Wildnis Alaskas nach Anchorage überführen soll. Das ist anspruchsvoll, und es weckt Interesse. Winston ist ein hyperaktives Plappermaul, der selbst dann nicht still sein kann, wenn sein Leben davon abhängt. Eine Rolle, die Topher Grace selbst im Alter noch mit jugendlichem Charme perfekt beherrscht.
Michelle Dockery muss als knochentrockene Marshall Harris mit dieser Überführung Wiedergutmachung leisten, für einen missratenen Einsatz. Es ist also die klassische, altbackene Rolle eines Charakters, der sich nicht nur bewähren muss, sondern mit den Ereignissen auch noch über sich hinauswächst. Da kommt Sonnenschein Mark Wahlberg als kumpelhafter Pilot gerade recht. Der komplettiert das abgenutzte Klischee des dramaturgischen Dreiecks von ’niemand-vertraut-irgendjemand‘. Es ist genau Whalbergs Pilot, der mit seiner aufdringlichen, teilweise vulgären Art darauf hindeutet, wo der Film hinsteuern wird. Es stellt sich sehr schnell die Frage, wie das Drehbuch auf die ‚Black List‘ kam. Da ist irgendwo zwischen Idee und Film etwas gewaltig falsch gelaufen.
Und was falsch gelaufen ist, erklärt sich im fertigen Produkt ständig von selbst. Das fängt mit einem CGI-Elch an, bei dem schon die Zweifel kommen, ob die Effekte-Leute wissen was sie tun. Und das setzt sich fort bei den Innenaufnahmen, die im The Volume gefilmt wurden, einem riesige LED-Studio. Ist The Volume eigentlich der Heilsbringer für pseudo-realistische Außenaufnahmen, schaffen es die Macher hier tatsächlich die Hintergründe teilweise schlechter als Rückprojektionen aussehen zu lassen. Den Vogel schießt (um im fliegenden Jargon zu bleiben) der Showdown ab, der so schlecht inszeniert ist und derart unrealistische Tricktechnik bietet, dass man sich in einem Looney-Tunes-Cartoon-auf-Drogen wägt. Trotz aller Liebe zum Film, ist es nicht anders auszudrücken.
Mel Gibsons Regie ist schlampig. Wiederrum schien ihm aber auch nicht viel Engagement seines Teams gegönnt gewesen zu sein, wie die Continuity beweist. Bei einer Unterhaltung zwischen Harris und Winston zum Beispiel, sieht man im unscharfen Hintergrund, wie der festgesetzte Pilot wild an seinen Fesseln reißt, obwohl er die ganze Szene über bewusstlos sein soll. Oder es gibt in einer Szene gleich zwei unterschiedliche Spannungskurven, die sich aber genau aus dem Grund gegenseitig aufheben. Gibson hat auch den Hang, Action-Sequenzen so quälend offensichtlich aufzubauen, dass sie weder Überraschung noch Nervenkitzel bieten. Und immer gewinnt der Bösewicht die Oberhand, wird aber so plötzlich außer Gefecht gesetzt, dass man es kaum wahrnimmt.
FLIGHT RISK ist schlecht, weil er nicht einmal den Anstand hat, den Trash-Faktor richtig hoch zu halten. Und ein guter Trash-Faktor würde sich einstellen, wäre der Film nicht in allen technischen (was selten funktionert) und künstlerischen Aspekten so verbissen ernst umgesetzt. Michelle Dockery hat sich schon oft als starke Darstellerin bewiesen, und die Rolle des Marshall ist für sie keine Herausforderung. Aber eine derart nüchterne Figur verlangt in einem ohnehin nach Lehrbuch konstruierten Film auch eine lockere, eher sarkastische Ebene. Nur der Regisseur weiß nichts mit ihr anzufangen.
Dafür schießt er mit Wahlbergs psychopathischen, Wut-schäumenden Kobold weit über die Linie des Erträglichen hinaus. Der Nebenstrang, wer der Verräter in den eigenen Reihen sein soll, klärt sich bereits im Moment, wenn das erste Mal der Verdacht über einen Maulwurf geäußert wird. FLIGHT RISK ist eben nur eine Abfolge von Standards nach der Schablone. Dafür erstaunt es, bleibt aber überhaupt nicht nachvollziehbar, dass es bei einer Figur für Bild und für Dialog zwei verschiedene Darsteller gibt. Selbst Gibsons eigentliche Vorliebe für explizite Gewaltspitzen hätte dem Film schon eine zugänglichere Note gegeben. Nicht das Gewalt eine Lösung wäre, aber in einem Echtzeit-Thriller mit nur einer Location, muss man sich weit mehr einfallen lassen als nur ein altbekanntes Programm abzuspulen, dem eine eigenständige Identität fehlt. Und das von dem Mann der BRAVEHEART und APOCALYPTO gemacht hat.
Darsteller: Michelle Dockery, Mark Wahlberg, Topher Grace u.a.
Regie: Mel Gibson
Drehbuch: Jared Rosenberg
Kamera: Johnny Derango
Bildschnitt: Steven Rosenblum
Musik: Antonio Pinto
Produktionsdesign: David Meyer
USA / 2025
91 Minuten