– Bundesstart 30.01.2025
– Release 25.12.2024 (US)
Sich vernünftig mit BABYGIRL auseinanderzusetzen, ist schon sehr mühselig. Schon seit der Premiere beim Venice Film Festival wird überschwänglich der immer wieder grenzüberschreitende Wagemut in Nicole Kidmans Karriere gepriesen. Von Festival zu Festival, von Schlagzeile zu Schlagzeile. Das sagt leider noch gar nichts über BABYGIRL. Nach Halina Reijns dritten Film, dem beachtliche Horrorspaß BODIES BODIES BODIES, ist die Erwartungen in diesen Nachfolger ziemlich hoch angelegt. Schließlich ist da auch Nicole Kidman mit dabei, die bekanntlich vor keiner Herausforderung zurückschreckt, speziell bei körperlichen Anforderungen nicht. Was weiterhin nichts über BABYGIRL als solchen aussagt. Es ist ein Film über eine Frau auf der Suche nach der Definition ihrer sexuellen Bedürfnisse. Das ist grundsätzlich ein sehr komplexes Thema. Und es ist durchaus heikel, weil unendlich viel dabei beachtet werden muss, um nicht ins Lächerliche oder Voyeuristische abzurutschen.
Gleich in der Einstiegssequenz wird klar verständlich, was Romy in ihrem Leben vermisst. Die Vorstandsvorsitzende einer Firma welche sie selbst gegründet hat, ist verheiratet, hat zwei Kinder, und ist sexuell unbefriedigt. Bis der selbstsichere und respektlos auftretende Praktikant Samuel in die Firma kommt, mindestens 20 Jahre jünger als Remy. Der Rest zeigt das, weswegen man auch ins Kino gekommen ist. Haben die ersten Minuten sehr präzise auf den Punkt gebracht, wo es in Romys Leben hakt, wird es mit dem Auftritt von Samuel schwieriger und schwieriger. Die spannendste Szene ist eigentlich der Moment, als Samuel seiner Chefin unverfroren sagt, in Wirklichkeit will sie, dass man ihr sagt was sie machen soll. Da wird es kurzfristig sogar ein klein wenig erotisch.
Aber wenn alle Absichten, Wünsche, und Bedürfnisse auf beiden Seiten geklärt sind, was hier sehr schnell passiert, dreht sich Halina Reijns Erzählung nur noch im Kreis. Romy fordert oder verweigert, Samuel macht stets das Gegenteil. Reijns konstanter Vertrauter mit der Kamera ist Jasper Wolf, der bei diesem Film in den Bildern auf eine sehr kühle Lichtstimmung setzt, eher zu hell als ansprechend ausleuchtet, und die Kameraführung pragmatisch, nüchtern hält. Optisch ist Reijn mit ihrem Erotikdrama viel näher an Bertoluccis DER LETZTE TANGO VON PARIS als an Adrian Lynes 9 1/2 WOCHEN. Aber dramaturgisch, ist Reijns ganz weit weg von den beiden kultischen Werken.
Es ist ein spannendes, weil eben so komplexes Thema. Doch Halina Reijn weiß erstaunlich wenig an profunden Einsichten einzubringen. Nichts an der Thematik ist wirklich neu, und man stellt auch schnell fest, dass es lediglich Nicole Kidmans unberechenbarer Charakter ist, der eine Art Spannung hält. Doch am Ende ist auch diese Figur enttäuschend. Die Geschichte verzettelt sich am Ende dann noch in ein paar nicht wirklich glaubwürdigen Szenen, bei denen deutlich wird, wie die Filmemacherin hier zwanghaft versucht etwas Eigenes, etwas Unerwartetes zu kreieren. Der emotional aufwühlendste Moment kommt am Ende wider Erwarten von Antonio Banderas als Gatte Jacob (der Anstand gebietet eine Hülle des Schweigens). Banderas ist großartig, aber atemberaubend unterfordert. Es ist eindeutig Romys Geschichte, es sind ihre Sehnsüchte, es geht um ihr unbändiges Verlangen. Aber in einer Ehe von fast zwanzig Jahren, sollte der Gatte bei so einem Thema wesentlich mehr Einfluss auf die Geschichte haben.
Sehr viel mehr Einfluss auf Halina Reijns Drehbuch, haben Henrik Ibsens Stücke ‚Hedda Gabler‘ und ‚Nora und Ein Puppenheim‘, die im Film und für den Film eine substanzielle Bedeutung haben. Wirklich greifbar wird es aber nicht. Die Regisseurin ist zu sehr damit beschäftigt, der unwirklichen, sexuellen Beziehung zwischen Romy und Samuel mehrere emotionale Ebenen zu geben. Was aber in einem schier endlos scheinenden Kreislauf der gleichen Situationen mündet. Nicht schuld daran, aber einen wesentlichen Effekt darauf, hat Harris Dickinsons unglaubwürdiges, schablonenhaftes Spiel. Dickinson mag ein guter Darsteller sein, aber absolut nicht der Typ Mann, der einer Nicole Kidman auch nur annähernd ebenbürtig ist. Geschweige denn, charismatisch seinem Charakter überhaupt gerecht wird. Man erkennt in BABYGIRL viele gute Einfälle und Ansätze, aber Halina Reijn verpasst die Gelegenheit für ein überzeugendes Frauenportrait, und versäumt erst Recht die Möglichkeit auf ein sensibles Erotikdrama.
Darsteller: Nicole Kidman, Harris Dickinson, Antonio Banderas, Sophie Wilde, Vaughan Reilly u.a.
Regie & Drehbuch: Halina Reijn
Kamera: Jasper Wolf
Bildschnitt: Matthew Hannam
Musik: Cristobal Tapia de Veer
Produktionsdesign: Stephen Carter
USA, Niederlande / 2024
114 Minuten