– Bundesstart 25.12.2024
– Release 20.12.2024 (US)
Nach und nach schiebt sich der blaue Igel aus dem Sega-Game im Ranking immer weiter nach oben. Nicht im Überschall und vom Top Score noch weit entfernt, entwickelt sich aus einer bedacht familiengerechten, dafür umso charmanteren Spieleadaption, ein sich beständig entwickelndes Franchise. Die Überraschung des ersten, ebenfalls von Regisseur Jeff Fowley inszenierten SONIC, war seine Kompatibilität zwischen allen Altersgruppen, und Spielern oder Nichtspielern. Niemand wurde zurückgelassen, und niemand wurde um etwas beraubt. Am Anfang stand noch das überraschend berührende Thema um Sonics Einsamkeit auf der Erde, und die familienähnliche Freundschaft mit den Wachowskis, Maddie und Tom. Der zweite Teil fand noch ein gutes Mittelmaß zwischen den Menschen und schon etwas mehr außerirdischen Figuren aus der Sega-Spielewelt. Mit SONIC 3 ist Jeff Fowley fast schon im reinen Gaming Modus. Menschen werden so eine Art schmückende NPCs.
Das hört sich zuerst einmal weniger attraktiv an, ist aber eine notwendige Entwicklung, und auch die ganz große Stärke vom dritten SONIC-Abenteuer. Igel Sonic, Ameisenigel Knuckles und die doppelschwänzige Füchsin Tails verbringen schöne Zeiten im mittlerweile friedlichen Green Hills, Montana. Nachts gehen sie verbotenerweise auf Verbrecherjagd. Bei einem dieser Ausflüge werden sie mit der Vergangenheit konfrontiert. Der seit 50 Jahren gefangene Shadow, das düstere Ebenbild von Sonic, konnte sich aus einem Geheimlabor befreien, und beginnt einen gnadenlosen Rachefeldzug.
Warum es Shadow so stark nach Rache dürstet, hebt die bisherige Filmreihe noch einmal um einige Grad an emotionalem Anspruch und charakterlicher Tiefe. Aber zu keinem Zeitpunkt schmälert es den turbulenten Unterhaltungswert. Das Autoren Trio, John Whittington stieß erst bei Teil Zwei dieser Reihe hinzu, hatte einiges zu stemmen in allen Bereichen die ohnehin hohe Drehzahl, mit den Erwartungen des Publikums auch nach oben zu schrauben. Mit nunmehr vier tierähnlichen Charakteren, gibt es auch noch (SPOILER!) einen zweifachen Jim Carrey (Das Plakat hat es doch bereits gespoilert), gewohnt als Ivo Robotnik und zeitgleich sein eigener Großvater Gerald Robotnik. Das führt zu der Besten von all den unzähligen Selbstreferenzen, „es ist, als wären wir zwei Charaktere in einem Film, die vom selben Schauspieler gespielt werden“.
Carrey ist Fluch und Segen zugleich. Mit seinen grotesk überzogenen Faxen bringt er auch in diesen Film eine entfesselte Energie, die dem Film oftmals nicht gut tut. Und jetzt gleich im Doppelpack, weil Gerald Robotnik seinem Enkel mit eskapistischer Mimik und Gestik in nichts nachsteht. Es nimmt immer wieder von der dynamischen Inszenierung der computergenerierten Charaktere, die sich als Herzstück des Films behaupten, sich dies aber stets zurückholen müssen. Was Regisseur Fowler aber nie aus den Augen verliert, ist die tragische Geschichte von Shadow. Während Carrey die Possen erhöht, vertieft Shadow die Dramaturgie. „Als du (Sonic) Familie und Freunde gefunden hast, gab es für Shadow nur Verlust und Schmerz“. Gesetz der Serie – immer von allem etwas mehr.
Die Wechsel zwischen Tragik und Spektakel sind im Dauerfeuer der Inszenierung sprunghaft. Wobei natürlich das Spektakel unablässig die Oberhand behält. So steht auch der Humor immer weit über den nachdenklichen Momenten. Das war in Teil Eins noch anders, bei dem sich beides auch einmal erstaunlich feinfühlig ineinander verschränkt. Da wäre man wieder beim Gesetz der Serie. Doch Jeff Fowler kennt seine Filme, mit denen er seine Spielfilm-Karriere begründete, und wahrscheinlich auch nicht so schnell andere Angebote annehmen kann. Das Herzblut des Regisseurs ist durchaus zu spüren.
Etwas mehr Ruhe hätte SONIC 3 vielleicht besser getan, doch Fowlers energetische Regie garantiert zumindest keinerlei unangenehmen Leerlauf. Sehr wichtig ist auch bei dieser Inkarnation, dass dem Publikum keinerlei Vorkenntnisse abverlangt werden. Nicht von den Vorgängerfilmen, und noch viel weniger von den Computerspielen. Auch nicht von früheren Adaptionen, oder der aktuellen Paramount+ KNUCKLES-Serie. Dennoch geizt SONIC 3 nicht an Insider-Gags, oder raffinierten Querverweisen. Und Reaktionen im Publikum bestätigen das. Dennoch geben Autoren und Regie einem unbedarften Publikum nie das Gefühl etwas verpasst zu haben. Die ohnehin turbulent erzählte Geschichte gewinnt natürlich zusätzlich mit den herrlichen Hybrid-Aufnahmen. Fast, aber nur fast perfekt sind die realen und animierten Bilder kompositioniert. Wobei sich der visuelle Charme exakt dadurch entwickelt, dass an den optischen Charakteristika der Menschen und Spielefiguren, sowie beider Aufnahmeformate festgehalten wird.
SONIC THE HEDGEHOG 3 ist in seiner inhaltlichen Ausrichtung ein Familienfilm von älteren Versionen, spricht man im Sinne von Gaming. Er ist auf ein junges Publikum zugeschnitten, und hält auch diese Qualitäten, mit einem milden Anstieg an intellektuellem Anspruch nach jedem Level. Und das ist absolut gut so. Aber man muss ein gut kontrolliertes, aber frenetisches Treiben schon mögen. Und sollte auch keine Abneigung gegen Jim Carrey haben. Der Film hat guten Humor, noch mehr Klamauk, und einen für dieses Genre ansprechenden Tiefgang. Die Figuren haben ihr jugendliches, wenngleich außerirdisches Herz am rechten Fleck, und die Action lässt kaum Wünsche offen. Und wenn man als Unwissender den Publikumsreaktionen während des Abspanns Glauben schenken darf, haben die Macher nicht nur hier alles richtig gemacht, sondern sind auch perfekt für den bereits beschlossenen, viertel Teil gerüstet.
Darsteller:
Sonic: Ben Schwartz / Julien Bam
Shadow: Keanu Reeves / Benjamin Völz
Knuckles: Idris Elba / Oliver Stritzel
Tails: Colleen O’Shaughnessy / Paulina Weiner
und mit Jimy Carrey, James Marsden, Tika Sumpter, Lee Majdoub, Krysten Ritter u.a.
Regie: Jeff Fowler
Drehbuch: Pat Casey, Josh Miller, John Wittington
Kamera: Brandon Trost
Bildschnitt: Al LeVine
Musik: Tom Holkenborg (Junkie XL)
Produktionsdesign: Luke Freeborn
USA, Japan / 2024
110 Minuten