MUFASA: Der König der Löwen

Mufasa - Copyright DISNEY ENTERPRISESMUFASA: THE LION KING
– Release 19.12.2024 (world)

Jon Favreaus Herangehensweise an die 2019er Neuverfilmung von KÖNIG DER LÖWEN war ein Geniestreich im digitalen Erzählen. Dem inflationsbereinigt zweiterfolgreichsten Zeichentrickfilm weltweit, einen neuen Anstrich zu geben (er wurde erst dieses Jahr von ALLES STEHT KOPF 2 abgelöst), erweckte berechtigte Skepsis. Diese Skepsis wurde von der imposanten, cinematographischen Kraft dieses Computer generierten Films regelrecht zerstäubt. Im Bestreben von Disneys Gesamtausrichtung mit Live-Action-Remakes. wird auch KÖNIG DER LÖWEN unermüdlich angeführt, der ja nicht wirklich Live-Action ist. Selbst DAS DSCHUNGELBUCH hatte zumindest einen einzigen menschlichen Darsteller. Was aber Jon Favreau gemacht hat, ist den LÖWENKÖNIG in einem Stil umsetzen zu lassen, als ob er in Kameraführung, Schnitt und szenischer Inszenierung mit gegenständlicher Filmtechnik gefilmt wäre. Mit den photorealistischen Bildern entstand exakt dieser einnehmend überzeugende Effekt eines Realfilms.

Jetzt hat für das Prequel mit Barry Jenkins endgültig politisch korrekt, auch ein schwarzer Filmemacher den Regiestuhl besetzt. Und der Regisseur von MOONLIGHT und IF BEALE STREET COULD TALK weiß verdammt gut, einen ganz eigenständigen Film zu machen, und gleichzeitig eine Vorgeschichte zu erzählen die dem Live-Action-Original [sic] ehrwürdig wird. Obwohl MUFASA dabei weit mehr Schwächen zeigt. Für das Drehbuch zeichnet sich wie bei der vorausgegangenen Nachgeschichte erneut Jaff Nathanson verantwortlich, unrühmlicher Autor von INDIANA JONES 4, und genialer Schreiber von CATCH ME IF YOU CAN. Irgendwo zwischen diesen Beispielen liegt MUFASA.

Eigentlich ist der Film eine Rückblende. Der alte, weise Mandril Rafiki erzählt König Simba und Königin Nalas Tochter Kiara die Geschichte ihres Großvaters Mufasa. Weitere Zuhörer sind das Warzenschwein Pumbaa und das Erdmännchen Timon, die mit selbstreferierenten Einwürfen und metaphysischen Bemerkungen, Witz und gute Laune in die sonst seriöse, nachdenkliche und spannende Handlung bringen sollen. Das funktioniert nur bedingt, bis gar nicht. Die absurd überdrehte Laune von Pumbaa und Timon nervt viel mehr als dass sie unterhält. Der eigentlich konsistente Fluss der Handlung wird unnötigerweise unangenehm gestört. Die ständigen Unterbrechungen von Rafiki und seinen Zuhörern ist ein starker Makel. Aber nicht DER Makel.

Der kleine Löwe Mufasa wird durch eine Sturzflut während des Monsuns von seinen Eltern getrennt. Der gleichaltrige Taka, Sohn des Löwenkönigs Obasi, kann Mufasa retten. Der König lehnt Mufasa als Außenseiter ab, aber Takas Mutter, Löwenkönigin Eshe, zieht ihn wie einen Sohn mit auf. Ein Rudel weißer Löwen, selbst alle Außenseiter, wollen alle Königreiche an sich reißen und greifen Obasi und seine Löwen/innen an. Taka muss fliehen, damit Obasis Blutlinie erhalten bleibt. Jetzt sind die brüderlichen Taka und Mufasa gemeinsam alleine, und beschließen das mystische Land Milele zu finden von dem Mufasas Mutter immer erzählt hat. Auf ihrer Odyssee stoßen sie auf den jungen, schon jetzt neunmalklugen Rafiki, das listige Löwenmädchen Sarabi, und den überdrehten Hornvogel Zazu. Und die weißen Löwen hängen ihnen immer an den Pfoten.

Nathanson hat in seinem Drehbuch einen ganz neuen, sehr eigenen Ansatz für eine Erzählung gefunden. Es ist nicht das Erwachsenwerden an sich, wie im danach spielenden Vorgängerfilm. Hier geht es um die Einsamkeit, den Verlust von Familie, und sich einen eigenen Stellenwert im ‚Circle of Life‘ zu finden. Alle fünf der Helden mit Heldin sind eigentlich Waise, aber alle gehen unterschiedlich damit um. Barry Jenkins verzichtet aber auf überladene Rührseligkeit. Dennoch behandelt der Regisseur seine Themen überaus sensibel und ansprechend. Und er versteht auch sehr gut, im richtigen Moment wieder zu sehr aufregend und dynamisch inszenierten Actionszenen überzuleiten.

Mufasa 1 - Copyright DISNEY ENTERPRISES

MUFASA wurde von Jenkins aus dem Korsett von Live-Action befreit, was heißt das die visuelle Konzeption alles nutzt, was eine reale Filmkamera nicht zu leisten vermag. Neben dem atemberaubenden Photorealismus, bedeutet das eine losgelöste Bildführungen. James Laxton ist Stammkameramann von Jenkins. Was beide voneinander erwarten können zeichnet sich auch in den herrlich vitalen und fließenden Einstellungen ab die regelrecht in den Film hineinziehen. Aber Laxton nutzt die ständig bewegte Kamera nicht zum Selbstzweck, sondern definiert die entsprechende Atmosphäre jeder Szene.

Dave Metzgers Soundtrack ist großartig, der Hans Zimmers Musik aus dem ersten Film unaufdringlich mit aufnimmt. Stimmungsmäßig schließt Metzger sehr gut beim KÖNIG DER LÖWEN an. Lin-Manuel Miranda, hier in Kooperation mir Mark Mancina, ist ja mittlerweile zum Andrew Lloyd Webber des amerikanischen Musicals geworden. Musikalisch sind die Gesangsnummer belanglos, und textlich irrelevant. Jon Favreau hat es im ersten Film verstanden die Figuren und ihre Beziehungen über Bilder zu erklären. Bei MUFASA wird das Offensichtliche niedergesungen. Darunter leidet MUFASA. Und er leidet unerträglich unter dem, was an dieser Stelle explizit auf die deutsche Synchronisation bezogen sein soll. Das sind die grauenhaft übersetzten und vor allem gesungenen Lieder, wenn Gesang wirklich die richtige Bezeichnung ist.

In Amerika haben Schauspieler in der Regel eine Gesangsausbildung, was bei entsprechenden Szenen auch immer wieder sehr angenehm überrascht. Eine solche Ausbildung ist ganz offenhörlich bei deutschen Darstellern nicht gegeben. Das ist ganz sicher polemisch, zweifelsfrei. Aber wie soll man anders diese Frechheit bezeichnen, die einem bei einem Film dieser Größe und Opulenz zugemutet wird. Wer dies ertragen musste, sollte sich zum Vergleich unbedingt den offiziell veröffentlichten Song ‚I always wanted a brother‘ auf einer entsprechenden Seite anhören, gesungen von Braelyn Rankins, Theo Somolu, Aaron Pierre und Kelvin Harrison, Jr.. Die Ausführung des Rezensenten soll auf keinen Fall dazu animieren MUFASA überhaupt nicht zu sehen. Barry Jenkins hat einen visuell überragenden Film gemacht, mit starken Figuren, die zwar einen vorgegebenen Weg gehen, der aber sehr spannend an das bekannte Ziel führt. Jeff Nathanson hat dabei im Narrativ auf alle bereits erschienen Fortsetzungen, Prequels und Spin-offs ignoriert, außer natürlich Jon Favreaus Film. Und das macht MUFASA zu einem, meistens, richtig unbeschwerten und dennoch spannenden Filmvergnügen.

Mufasa 2 - Copyright DISNEY ENTERPRISES

 

Darsteller:
eine Liste der deutschen Stimmen
lag zur Premiere nicht vor
Mufasa: Aaron Pierce
Taka: Kelvin Harrison Jr.
Sarabi: Tiffany Boone
Junger Rafiki: Kagiso Lediga
Zazu: Preston Nyman
Kiros: Mads Mikkelsen
Kiara: Blue Ivy Carter
u.a.

Regie: Barry Jenkins
Drehbuch: Jeff Nathanson
Kamera: James Laxton
Bildschnitt: Joi McMillon
Musik: Dave Metzger
Produktionsdesign: Mark Friedberg
USA / 2024
120 Minuten

Bildrechte: DISNEY ENTERPRISES
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