THE FEELING THAT THE TIME FOR
DOING SOMETHING HAS PASSED
– Bundesstart 12.12.2024
– Release 26.04.2024 (US)
Fast könnte man sagen, froh zu sein, endlich Joanna Arnows Spielfilmdebüt zu erleben. Fast. So einfach macht es einem die promovierte Filmstudentin auch nicht, die seit 2013 in allen Branchen umtriebig ist. Wer Produktionen mit der offensiven Künstlerin kennt, ob als Regisseurin oder Darstellerin, hat eine sehr gute Basis für das was einen bei dem Film erwarten könnte, dessen Titel schon Provokation ist. In dem geht es um Ann, eine 33-jährige die seit neun Jahren eine zwanglose BDSM-Beziehung mit Allen hat. Es ist ein unbequemer Anblick, wenn sich die unterwürfige Ann vollkommen nackt am Körper des dominanten Allen reibt, der neben ihr angezogen im Bett liegt. Und es irritiert ungemein, wenn Ann bekundet, wie toll sie es findet, dass er sie dabei ignoriert. Die Filmemacherin setzt beim Publikum die Bereitschaft voraus, Verständnis für einen unbekannten Lebensstil zu entwickeln.
Dem Film eine Geschichte zu attestieren wäre nicht gerechtfertigt. Es gibt Handlung, aber eine wirkliche Geschichte ergibt das nicht. Ann durchlebt einige Versuche von festen Beziehungen, es gibt skurrile Szenen mit ihrer ignoranten Familie, es gibt aberwitzige Episoden in ihrer Firma. Nur einmal, ein einziges Mal glaubt man einen Anflug von Entwicklung zu erkennen, wenn Ann mit einem neuen Freund, Chris, vor einem kräftig grünen Pflanzen-Hintergrund sitzt. Am Ende wird auch das ein irreführendes Signal im tristen Alltag von Ann gewesen sein, den Arnow in karg eingerichteten, mit weißen, undekorierten Wänden inszeniert. Es passiert einiges, ohne sich zu entwickeln.
Die Bildgestaltung als solche zu bezeichnen wäre auch falsch. Barton Cortright filmt die meisten Szenen in einer einzigen, langen Einstellung. Diese sind gut und effizient kardriert, aber es fehlt durchweg an dramaturgischer Ausrichtung. Einhergehend ist die Ausleuchtung schlampig, mit scheinbarem Eindruck von Desinteresse. Ihren Film hat Arnow selbst geschnitten, und sie lässt letztendlich in der fertigen Montage ein Konzept erkennen. Dieses hat aber wenig mit einer Spielfilm-orientierten Erzählung zu tun. Joanna Arnow hat jede Sequenz wie einen 3-Bilder-Comicstrip inszeniert. Oftmals wirkt die Reihenfolge der Sequenzen willkürlich, die meisten wären tatsächlich austauschbar.
Lediglich die Szenen an Anns Arbeitsstelle haben einen Fortsetzungscharakter, mit einer stringenten, brüllend komischen Auflösung. Ansonsten sind es Momentaufnahmen die Arnow bildlich und textlich festhält. Schonungslos, peinlich berührend, voller Sarkasmus, voller Sehnsucht, unglaublich witzig, unglaublich schmerzhaft, manchmal echt, manchmal surreal. Dadurch das die Filmemacherin ihren Charakter ins SM-Umfeld setzt, entzieht sich Anns wahre Gefühlswelt auch einem neutralen Publikum. Allerdings ist es von Seiten des Rezensenten schwer zu beurteilen, wie Menschen die BDSM leben, Arnows Werk einschätzen. Ein Werk, das durchaus als künstlerische Abhandlung funktioniert. Aber als Spielfilm hat er selbst für Arthouse einfach zu viel Art.
Darsteller: Joanna Arrow, Scott Cohen, Babak Tafti, Michael Cyril Creighton, Alysia Reiner u.a.
Regie, Bildschnitt & Drehbuch: Joanna Arrow
Kamera: Barton Cortright
Musik: Robinson Senpauroca
Produktionsdesign: Grace Sloan
USA / 2024
89 Minuten