Edward Bergers KONKLAVE

Conclave 1 - Copyright LEONINE DESTRIBUTIONCONCLAVE
– Bundesstart 21.11.2024
– Release 25.10.2024 (USA)

Alles in Edward Bergers KONKLAVE scheint gegenläufig zu sein. Ein atmosphärisch mitreißender Soundtrack, der aber zugleich eine unentwegt bedrohliche Stimmung birgt. Bestechende und opulente Kulissen, die aber in ihrer klaren Nüchternheit eine erschreckende Ohnmächtigkeit erwirken. Szenen ohne Dialoge, die so unendlich viel aussagen. Darsteller die extrem zurückgenommen sind, aber in ihrem Ausdruck Glanzleistungen erzielen. Eine unglaublich reduzierte Handlung, die in ihrer Vielschichtigkeit atemberaubend ist. Der Papst ist tot. Der zutiefst beeindruckende Ralph Fiennes wird als Kardinal Lawrence mit der schwierigen Aufgabe des Konklave betraut. Lawrence hadert damit, selbst möglicher Kandidaten für das Papstamt zu sein. Er würde gerne seinen besten Freund, den faszinierenden Stanley Tucci als Kardinal Bellini, auf dem Heiligen Stuhl sehen. Ein etwas zu aufdringlicher John Lithgow ist als Kardinal Tremblay der aussichtsreichste Kandidat, aber seiner offensiven Selbstsicherheit folgen auch einige Unstimmigkeiten.

Edward Berger ist zweifelsfrei ein Paradebeispiel dafür, was an kreativer Ausdruckskraft möglich ist, wenn man sich erst einmal aus den Ägiden deutscher Fördermaßnahmen und rückständiger Produzenten befreit. Man könnte glauben, Berger wäre erst mit IM WESTEN NICHT NEUES in der Branche erschienen. Aber seine Regie-Vita ist umfangreich. Unter anderem auch TATORTe, schon lange kein Qualitätsmerkmal mehr, aber ein Renommee. Erst Netflix hat ihm Oscar-prämierte Freiheiten zugestanden, die Hoss Productions und FilmNation nur zwei Jahre später mit KONKLAVE erneuern.

Der Film basiert auf einem Roman von Robert Harris, dessen Bücher sich durch ihre Fact-Fiction auszeichnen (‚Vaterland‘, ‚Enigma‘). Und auch KONKLAVE schindet in jeder Filmminuten damit Eindruck, dass hier innerhalb der Welt des Vatikans keine wilden Fantasien ausgesponnen werden. Ohne an dieser Stelle zu übertreiben, lässt Edward Berger regelrecht spüren, dass was die Zuschauenden sehen, tatsächlich alles so geschieht, was die Basis der Geschichte bildet. Und das auch tatsächlich alles so geschehen würde, was die Handlung betrifft. Der Film beginnt mit Kardinal Lawrence, der durch die Straßen von Rom, in den Vatikan, zu den päpstlichen Gemächern geht. Danach verlässt der Film die Räumlichkeiten in und um die Sixtinische Kapelle nicht mehr. Was sich vielleicht nicht sehr spannend ausnimmt, entwickelt eine unglaublich intensive Atmosphäre.

Fakten-Checker werden ihre wahre Freude haben, wie außerordentlich korrekt Produktionsdesign und Ausstattung gearbeitet haben, und die Regie die Abläufe des Konklaves inszeniert. Die Rituale nehmen ihre Zeit in Anspruch, wer allerdings glaubt, dass dies Längen bringen würde, der unterschätzt den Regisseur und sein Team gewaltig, und die Darsteller. Alleine die Darsteller generieren mit ihrem meist zurückhaltenden, aber stets fokussiert realistischem Spiel eine vibrierende Spannung. Hier greift die eingangs erwähnte Gegenläufigkeit, und lässt auch nicht mehr los.

Conclave 3 - Copyright FOCUS FEATURES

Berger inszeniert die Geschichte, und führt seine Schauspieler, wie man es nicht erwarten würde. Für eine Produktion dieser Größenordnung, nimmt sich der Regisseur ungewöhnlich viel Zeit. Was hervorragend funktioniert. Lawrence stößt zwischen den verschiedenen Wahlen auf diverse Ungereimtheiten bei anderen Kardinälen, bei ihren Motivationen oder durch ihr Benehmen. Aber näher sollte man wirklich nicht auf die Handlung eingehen. Vielleicht paradox, aber der Thriller entsteht aus seiner Zurückhaltung, die wiederum der Realitätsnähe zuzuschreiben ist. Die Wahl selbst ist eigentlich ein absurdes Ritual, entpuppt sich dann aber doch als nüchterner Ablauf. Einhergehen weltliche Eitelkeiten und Animositäten zwischen den Kardinälen.

Der Regisseur hat wieder Volker Bertelmann ins Team geholt, und der Oscar-Preisträger hat erneut einen Soundtrack komponiert der den rituellen Charakter des Konklaves atmosphärisch erhöht, aber gleichermaßen mit raffinierten Feinheiten die Spannung verdichtet. Und in genau dieselbe Richtung komponiert auch RUST AND BONES-Photograph Stéphane Fontaine sein visuelles Konzept von starken Kontrasten und kräftigen Tönen, aber wenigen Farben. Womit aber Fontaine diese beunruhigende Stimmung vollendet, sind die exzessiv kadrierten Einstellungen, welche den Fokus des Betrachtenden regelrecht fixieren. Die Bilder vermitteln sehr wohl, dass nicht die monumentale Erhabenheit von Gängen, Hallen und die Sixtinischen Kapelle hervorgehoben werden soll. Fontaine vermittelt, wie klein der Mensch in Wirklichkeit ist.

Jedes einzelne Element ist tadellos. Kamera, Schnitt, Musik, Kostüme, Kontinuität, und das verdammt gute Ensemble. Und wie alles ineinander übergeht, sich zusammenfügt, miteinander harmoniert, macht KONKLAVE zu einem ungemein fesselnden Thriller. Alles scheint gegenläufig, und das macht das Erlebnis ungewohnt. Weil sich auch keines seiner künstlerischen und technischen Element über das andere stellt. KONKLAVE ist ein Guss. Edward Berger streift dem Ritus der Papstwahl jede spirituelle Würde ab. Er macht diese zu einem nur allzu weltlichen, mit Neid, Misstrauen und Egoismus durchzogenen Schaulaufen. Und dann kommt in einer Szene einer der Kardinäle, und klärt die anderen darüber auf, welch unbedeutenden und bedauernswerten Männer sie eigentlich sind. Und mit diesem Moment schafft Berger fast schon etwas Göttliches.

Conclave 3 - Copyright FOCUS FEATURES

 

Darsteller: Ralph Fiennes, Stanley Tucci, John Lithgow, Isabella Rossellini, Lucian Msamati, Sergio Castellitto, Carlos Diezh u.a.

Regie: Edward Berger
Drehbuch: Peter Straughan
Nach dem Buch von Robert Harris
Kamera: Stéphane Fontaine
Bildschnitt: Nick Emerson
Musik: Volker Bertelmann
Produktionsdesign: Suzie Davies
USA, Großbritannien / 2024
120 Minuten

Bildrechte: LEONINE / FOCUS FEATURES
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