– Bundesstart 31.10.2024
– MAX Stream seit 03.20.2024
Bereits in seinem zweiten Roman beschrieb Stephen King, was ihn fortan in der Überzahl seiner Geschichten beschäftigte. Der Überfall des Andersartigen, des meist Bösen in den stabilen Mikrokosmos einer behüteten Kleinstadt. Das ist fast 50 Jahre her. Verfilmungen von Kings Romanen kamen und gingen. Nur wenige haben Bestand. Ausgerechnet eine zweiteilige Fernsehserie gehört dazu. Aber die damals noch gültigen Einschränkungen von Blut und Gewalt gegenüber dem Kino, und die Möglichkeit ausführlicher zu erzählen, machten Tobe Hoopers ‚SALEM’S LOT – BRENNEN MUSS SALEM zu einem auch heute noch sehr gerne gesehenen Grusel-Klassiker. Der mittelmäßige Schriftsteller Ben Mears kehrt zurück nach Jerusalems Lot, wo er einst großgeworden war. Er möchte ein Buch über das alte Marsten Haus schreiben, ein mit unheimlichen Mythen belegtes Anwesen, welches nach Jahrzehnten endlich wieder einen Besitzer gefunden hat. Und ein Haus, mit dem Ben eine schreckliche Erinnerung verbindet.
Gary Dauberman hat seine Fassung von ‚SALEM’S LOT zweifelsfrei für die große Leinwand und ein kollektives Kino-Erlebnis gemacht (auch wenn der Film in den meisten Ländern bereits im Streaming zu sehen ist). Das wirklich Schöne daran ist, dass sich der Autorenfilmer inszenatorisch aber voll und ganz dem Kino der 1970er verschreibt. Dauberman hat viele Drehbücher zum ‚Conjuring Universe‘ ersonnen und verfasst, und sein Regiedebüt war ANNABELLE COMES HOME. Aber seine zweite Regiearbeit, inklusive seines Drehbuchs, geht in eine erfrischend andere Richtung.
Gleich die Anfangssequenz macht deutlich, dass einer der zwei neuen Bewohner des über der Stadt thronenden Marsten Hauses ein Monster ist. Der andere ist Straker, der in Lot einen Antiquitäten-Laden eröffnet. Als Straker hat Pilou Asbæk bei weitem nicht die finstere Aura eines James Mason aus Hoopers erster Verfilmung. Dafür entschädigt ein überaus reizvolles und fast schon perfekt gewähltes Ensemble an Lots unbedarften Bewohnern, einschließlich Lewis Pullman, der als stets besonnener Ben Mears nicht zögert, die Führungsrolle zu übernehmen. Ein starker Bill Camp, als scharfsinniger Lehrer, oder die mit überwältigender Natürlichkeit wirkende Mackenzie Leigh, als sehr selbstbewusste Herzensdame Susan Norton. Aber die angenehmste der Überraschungen ist der, zur Zeit der Dreharbeiten, dreizehnjährige Jordan Preston Carter.
Als Mears junger Sidekick Mark Petrie ist Carter erfreulicherweise nicht der sonst übliche, überhöhte Klugscheißer. Dennoch weiß der schwarze Mark bereits als Kind, was es für Afro-Amerikaner bedeutet in einer weißen Kleinstadt im Jahr 1975 zu leben. Da werden Vampire dann zum geringsten Problem. Dafür muss Dauberman seinen Protagonisten aber keine klugen Worte in den Mund legen, oder anderweitig ethnische Probleme bemühen. Auch so wird der Charakter absolut verständlich. Wenn sich Mark mit Kreuz und Pfahl bewaffnet, ist das kindliche Naivität und kein dramaturgisches Klischee. Und dank des Marsten Hauses, gibt es bald sehr viele Vampire in Jerusalem’s Lot.
Und die technischen Gewerke stehen mit merklichem Enthusiasmus hinter dem Regisseur. Es tut dem Film richtig gut, im Jahr 1975 angesiedelt zu sein, das Jahr in dem Kings Roman veröffentlicht wurde. Das folgt aber nicht einfach dem aktuellen Trend nostalgischer Rückbesinnung. Dauberman offeriert es herrliche Möglichkeiten zu spielen, wobei der größte Profiteur davon das fabelhafte Finale im Autokino ist. Aber es rechtfertigt auch klassische Gags, wenn zum Beispiel Susan mit Ben spricht, während sie sein Buch in der Hand hält, ihn aber trotz des Promo-Fotos auf dem Umschlag nicht erkennt. Dem Regisseur gelingt eine ganz eigene Atmosphäre von Nostalgie zu schaffen, in dem er sich auf eben jene klassischen Aspekte von Figurenzeichnung und Horrorszenarien fokussiert, aber diese nie altbacken inszeniert. Seine Umsetzung wirkt frisch und lebendig, als würde man klassisches Gruselkino das erste Mal erfahren.
Bester Verbündeter der Inszenierung ist Michael Burgess, mit seiner dezidierten Bildgestaltung. Erhöhte Farbsättigung, viel atmosphärische Schattenspiele, und leicht überzeichnete, akzentuierte Beleuchtung. Burgess erzeugt eine fabelhafte Atmosphäre von vergangenem Kino, besonders bei den Auftritten des Obervampirs Barlow. Der Spannungsaufbau im Showdown, mit dem wandernden Schattenwurf der Kinoleinwand, ist ein bravourös genutztes, klassisches Versatzstück. Gleichzeitig wirkt Burgess damit gegen dem selbst angewandten Trend der typischen Blumhouse-Bildsprache.
´SALEM’S LOT verliert sich nicht im reinen 79er-Charme, hält aber den Blutgehalt dennoch erstaunlich gering. Auch die Jump Scares sind nicht einfach nur willkürlich, und kommen auch ohne kreischende Toneffekte aus. Die Schockmomente kündigen sich über einen sorgsamen Aufbau von Spannung an. Dauberman und sein merklich gut aufgelegtes Kreativteam haben sicherlich keinen Instant-Klassiker aus diesem Horrorfilm gemacht. Aber sie alle folgen einer klaren, wirklich einheitlichen Linie.
Enttäuschend ist zum Beispiel die Figur des Meistervampires Barlow, die wie in der Original-Serie auch hier dem Graf Orlock Darsteller Max Schreck aus NOSFERATU nachempfunden sein soll. 1979 hat das Gänsehaut-mäßig gut funktioniert, hier hat das Make-up Department sich nicht unbedingt mit Ruhm bekleckert. Auch die Szenenwechsel wirken sehr oft ziemlich abrupt, was auf einige Kürzungen in der Nachbearbeitung schließen lässt. Und trotzdem lenkt das nicht davon ab, dass ´SALEM’S LOT eine erstaunlich effektive und gruselige Schauermär geworden ist, die richtig Spaß macht weil die gesamte Crew sich mit richtig viel Freude ins Zeug gelegt hat. Das ist wieder einmal eine Adaption, mit der Stephen King eigentlich zufrieden sein sollte. Wo ganz nach seinem perfiden Ansinnen das Grauen in den Mikrokosmos einer behüteten Kleinstadt im beschaulichen Maine Einzug hält. Wenn dann noch Gordon Lightfoots ‚Sundown‘ erklingt, nicht nur wegen seines offensiv direkten Texts, ist die Stimmung perfekt.
Darsteller: Lewis Pullman, Bill Camp, Makenzie Leigh, Jordan Preston Carter, Alfre Woddard, John Benjamin Hickey, Spencer Treat Click, Pilou Asbæk u.a.
Regie & Drehbuch: Gary Dauberman
Nach dem Roman von Stephen King
Kamera: Michael Burgess
Bildschnitt: Luke Ciarrocchi
Musik: Nathan Barr & Lisbeth Scott
Produktionsdesign: Marc Fisichella
USA / 2024
114 Minuten