ALIEN: Romulus

Alien Romulus - Copyright 20th CENTURY STUDIOS– Release 14.08.2024 (world)

„DON’T FUCK UP!“ schrieb Ridley Scott unter anderem in Großbuchstaben in einer Notiz an Regisseur Fede Alvarez, welche dieser auf seinem Social Media Kanal veröffentlichte. Was letztendlich dazu geführt haben mag, warum Scott nicht selbst PROMETHEUS und ALIEN: COVENANT fortführte, wird nur in Versuchen von wilden Spekulationen enden. In der Filmbranche wird die Wahrheit immer relativ bleiben. Fakt ist Fede Alvarez‘ Script, welches Disney nach dem Erwerb von 20th Century Fox überzeugte, und anfänglich als Streaming Produkt für Hulu produziert wurde. Jetzt bekommt ALIEN: ROMULUS doch eine Kinoauswertung, und das ist gut. Denn Fede Alvarez hat es „nicht vergeigt“. Und das in einer Reihe von Sequels, Prequels, und Crossover, in denen man eigentlich schon alle Variationen von Handlung und Charakter-Design im Universum des mörderischen Aliens gesehen hat.

65 Lichtjahre von der Erde entfernt. Fünf junge Minenarbeiter und eine synthetische Person wollen aus ihrem unwürdigen Leben in der Kolonie Jackson Star flüchten. Eine Mine der bereits bekannten Weyland Yutani Corporation. Zum nächsten Planeten sind es neun Jahre, wozu sie fünf Cryo-Kammern samt Energievorrat bräuchten. Diese wollen sie aus einer bisher nicht bekannten und scheinbar verlassenen Raumstation plündern, die im Orbit um Jackson Star kreist. Bis zu einem gewissen Punkt verläuft alles nach Plan. Aber dann erfahren die Plünderer, warum die Station so verlassen wirkt.

Es ist eine charakterlich und ethnisch bunt gemischte Truppe, die sich Alvarez hier dem aktuellen Kino angemessen ausgedacht hat. Rundherum ist ALIEN: ROMULUS ein starker Vertreter des modernen Kinos. Auch wenn der Regisseur vehement beteuert, die mit Rodo Sayagues geschriebene Fassung ganz nach Stil von Scotts 1979er Film ausgerichtet zu haben. Dennoch gehen Moderne und Hommage sehr gut zusammen auf. Von allen sieben ALIEN-Teilen, die Predator-Crossovers bleiben wegen groben Unfugs außen vor, ist diese Adaption dem Original tatsächlich am nächsten.

Darüber hinaus ist aber ROMULUS weit mehr. Er verbindet im weitesten Sinne alle Filme miteinander, behält aber eine ungewöhnliche Eigenständigkeit. Querverweise sind dezent, und werden nie hoch vor sich hergetragen. So ist das vorweggenommene Monitorbild eines ‚Facehuggers‘ für den versierten Fan ein amüsant ironischer Hinweis, hingegen für den Quereinsteiger aber ein faszinierendes Puzzleteil. Das Spiel mit all den bekannten Motiven ist aber so raffiniert gestaltet, dass es für Publikumsschichten von der einen, wie von der anderen Seite her gleichermaßen spannend bleibt. ROMULUS ist nicht das Alte in neuer Verpackung, sondern eher viel Neues in der alten Verpackung.

Alien Romulus 2 - Copyright 20th CENTURY STUDIOS

 

Alvarez gliedert seinen Film in drei Teile, in welchen er auch in etwa den szenischen Aufbau des Originals integriert. Die Exposition von Figuren und Setting. Gefolgt von der homogenen Mischung eines Thriller- und Horrorszenarios. Und letztendlich ein furioses Actionfinale. Die Übergänge sind fließend, was dem Film eine durchgängig stimmige, sich steigernde Form gibt. Dem Regisseur gelingt es stets die strukturelle Ausrichtung in den einzelnen Teilen so zu ändern, dass man dies nicht bewusst wahrnimmt. Was dem Publikum wiederrum auch inszenatorische Wiederholungen erspart.

Der Regisseur lässt dabei kaum Zeit zum atmen. Kaum. Denn dem Franchise angemessen liegt er Fokus nicht nur auf dem Xenomorphen, sondern auch auf einem, oder sogar zweien seiner Gegenparts. Hier entspricht die Charakterzeichung im Allgemeinen einem durchschnittlichen Filmstandard für Konfliktpotential und Figuren-Zuschauer-Bindung. Auch die zuerst im Mittelpunkt stehende Rain tut sich da mit ihrem leicht desillusioniertem, und zurückhaltenden Wesen nicht sonderlich hervor. Aber Cailee Spaeny gibt dieser Rain eine ansprechende Aura, die immer wieder anzieht, und letztlich auch ihre schrittweise Wandlung zur Power-Heroine nachvollziehbar macht. Wie in den drei direkten Vorgängern, steht auch hier zwischen dem Gut und Böse von Rain und den Xenomorphen, eine menschenähnliche Maschine als radikale Stimme der Vernunft.

Mit seinem traurigen Blicken und sanfter Ausstrahlung ist David Jonsson als Android Andy das perfekte Bewusstsein. Ein synthetischer Ideologe mit der Direktive, alles im Sinne für das Individuum Rain zu machen, aber mit einem neuen Implantat die wahre Bestimmung findet, alles für die gesamte Menschheit zu tun. Mit der unumstößlichen Logik von Andys Schaltkreisen, wird auch unterschwellig die Frage nach dem Wert und den Werten eines Lebens in die Handlung eingewoben. Dem steht gegenüber, dass der Xenomorph stets als perfekter Organismus bezeichnet wird. Alvarez will solche Gedanken mit auf den Weg geben, ohne philosophische Debatten loszutreten.

Fede Alvarez will in erster Linie, und das absolut mitreißend, einen Action geladenen Thriller mit Horror-Elementen zeigen. Und gleichzeitig dem unbarmherzigsten Weltraum-Monster Tribut zollen, welches zu Recht zu den bekanntesten und begehrtesten Außerirdischen des Kinos gehört. Zusammen mit Rodo Sayagues hat Alvarez bereits an den DON’T BREATH-Filmen und dem EVIL DEAD-Remake gearbeitet. Aber mit ALIEN: ROMULUS zementieren sie ihr filmtechnisches Verständnis und Gespür für Momente. Nach allen Seiten schlägt der Film Brücken zu den anderen Filmen, und auch deren Ideen. Aber es wird nicht kopiert, demontiert, in Frage gestellt, oder Fakten überschrieben. Handlung und Figuren bleiben immer im Kanon der Reihe. ROMULUS liefert allerbesten Fan-Service, setzt aber nie Grundwissen voraus. Gerade durch die Auseinandersetzung mit all den hinlänglich bekannten und beliebten Versatzstücken und Weltenbildungen gewinnt der Film eine sehr konkrete Eigenständigkeit.

Alien Romulus 3 - Copyright 20th CENTURY STUDIOS

 

Mit untrüglichem Verständnis für den Augenblick, inszeniert Fede Alvarez jede Sequenz in einer annähernd perfekten Angemessenheit. Aber es ist Galo Olivares Kamera und die Montage von Jake Roberts, die dem Film sein unglaublich einnehmendes Tempo und mitreißende Energie verleihen. Manchmal lässt Roberts einem im Schnitt kurzzeitig die Orientierung verlieren, findet diese aber ebenso schnell wieder.

Es sind teilweise beindruckende und oftmals sehr plastische Bilder, hauptsächlich in der Verbindung von Figuren zu ihrer Umgebung, die Galo Olivares immer wieder zeichnet. Solche Bilder sind auch wesentlicher Teil der düsteren, stets unheilvollen, und befremdlichen Stimmung. Und Olivares weiß auch immer wie er die Kamera platzieren muss, um am Ende in der Symbiose mit Roberts Schnitt den größtmöglichen erzählerischen und emotionalen Effekt zu generieren.

Mit dem ersten Eindruck scheint ALIEN: ROMULUS ein perfekter Film innerhalb seines Genremixes. Er ist es nicht. Die Musik von Benjamin Wallfisch repliziert an den richtigen Stellen sehr gut die Noten von Goldsmith, Horner und Streitenfeld aus ALIEN, ALIENS und PROMETHEUS. Aber ein wirklich souveräner Score mit einer für ihn gewohnten, eigenständigen Atmosphäre gelingt Wallfisch nicht. Was allein überhaupt nicht das Problem sein würde. In der Fülle von guten Einfällen und starken Spannungsmomenten, ist es der formelhafte Handlungsaufbau, der immer wieder ablenkt.

Man hat ja auch schon in Variationen alles gesehen. Und gewisse Dinge sind in diesem Universum unabdingbar, was vieles vorhersehbar macht. Was den Film letztendlich auch nicht perfekt erscheinen lassen kann. Dennoch oder gerade deshalb ist Fede Alvarez einer der besten Xenomorphen-Schocker gelungen, selbstredend nach Ridley Scotts ALIEN von 1979. Weil er verstanden hat, wie man sinn- und gehaltvoll mit einem schwierigen Erbe nicht einfach nur spielt, sondern auch davon lernt. Mit diesem, einem der schweißtreibendsten und energiegeladensten Weltraum-Thrillern der letzten Zeit kann sich Ridley Scott entspannt zurücklehnen – „He didn’t fuck up“.

Alien Romulus 1 - Copyright 20th CENTURY STUDIOS

 

Darsteller: Cailee Spaeny, Isabela Merced, David Jonsson, Archie Renaux, Spike Fearn und Trevor Nevlin u.a.
Regie: Fede Alvarez
Drehbuch: Fede Alvarez, Rodo Sayagues
Kamera: Galo Olivares
Bildschnitt: Jake Roberts
Musik: Benjamin Wallfisch
Produktionsdesign: Naaman Marshall
USA, Großbritannien / 2024
119 Minuten

Bildrechte: 20th CENTURY STUDIOS
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