INSIDE OUT 2
– Release 12.06.2024 (world)
Der erste Teil hatte es ja vorweg genommen. Er endete mit den Worten: „Es könnte nicht besser sein. Immerhin ist Riley jetzt zwölf. Was soll das schon passieren?“ Und die Leute bei Pixar haben sich sehr gut überlegt, was da passieren könnte. Ob beabsichtigt oder nicht, war es ein cleverer Schachzug neun Jahre verstreichen zu lassen. Dem ersten Teil folgte noch der Kurzfilm RILEYS ERSTES DATE, womit die Weichen klar gestellt schienen. Neun Jahre Planungsphase ist eine sehr gute Zeit, um sich viel Gedanken zu machen. So ist die logische Weiterführung hier in der Fortsetzung immer noch logisch, aber erfrischend anders als erwartet. Denn thematisch schlägt der Film vorerst in eine andere Richtung. Aber es geht wieder mächtig rund in Rileys Kopf. Die Gefühle Freude, Kummer, Wut, Angst, und Ekel wollen sich gerade entspannt zurücklehnen, der dreizehnte Geburtstag ist gerade überstanden. Und sie haben aus den bedeutendsten Erinnerungen einen Kern geschaffen, der Rileys Selbstwertgefühl definiert.
Da platzen die Handwerker in die Gefühlszentrale, und bauen ein ganz neues, erweitertes Kommandopult ein. Als vielversprechende Eishockeyspielerinnen werden Riley und ihre Freundinnen Bree und Grace zu einem Hockey-Camp eingeladen. Wenn sie sich beweisen, könnten sie zu den ‚Fire Hawks‘ berufen werden, dem Spitzen-Team ihrer zukünftigen High School. Bei den ‚Fire Hawkes‘ spielt auch Rileys großes Idol Valentina ‚Val‘ Ortiz. Allen Grund für Riley nervös zu werden, aber auch ihr Bestes geben zu wollen. Allerdings fehlt ihr da die angemessene Unterstützung aus der Gefühlszentrale. Denn mit dem neuen Bedienpult ziehen auch neue Gefühle in die Zentrale. Zweifel, Peinlich, Langeweile und Neid. Das führt schnell zu Unstimmigkeiten im Kommandostand, woraufhin Freude und die andern ersten Gefühle ins Verlies des Unterbewusstseins verbannt werden.
Das kreative Team hat sich weitgehen verändert, war aber bereits bei den ersten Überlegungen für eine Fortsetzung involviert. Dennoch ist erstaunlich wie organisch die Staffelübergabe gelungen ist. Wem im Abspann die Namen von „Riley’s Crew“ auffallen, dass ist die Gruppe von Teenagern, die das Filmteam zum Thema realer Emotionalität bei Pubertierenden unterstützt hat. Die Stimmen von Riley und Angst sind jetzt besetzt mit Kensington Tallman und Tony Hale, zu denen man an dieser Stelle auf Grund der Synchronisation nichts sagen kann. Dafür kann man etwas über Rileys deutsche Stimme sagen, an der sich eine gewisse Marlene Schick versucht hat, und dabei das Elend bestätigt, dass deutsche Synchronisationen nicht gut für gute Filme sind.
ALLES STEHT KOPF ist neben den TOY STORYs und SOUL nach wie vor einer der intelligentesten und am besten konzipierten Pixar-Filme. Es ist sehr schön, nach einer verhältnismäßig langen Zeit, wieder in eine Welt zurückzukehren, für die man nur gute Gefühle empfand. Und es ist noch viel schöner, wenn die Verantwortlichen einen Film präsentieren, der seinem Vorgänger in nichts nachsteht. TEIL ZWEI ist aber weder besser, noch anders. Regisseur und Co-Autor ist Kelsey Mann, lang verdienter Mitarbeiter bei Pixar, und hier nun mit seinem Spielfilmdebüt. Ein sehr gelungenes Debüt, weil Mann sehr konsequent und logisch die Geschichte ausbaut und weiter erzählt.
Zweifel hat nun das Kommando übernommen, und zusammen mit Neid den Kern des Selbstwertgefühls demontiert, und in Rileys Hinterkopf entsorgt. Freude, Kummer, Wut, Ekel und Angst müssen sich aus dem Verlies des Unterbewusstseins befreien, das Selbstwertgefühl finden, und damit die Ordnung in Rileys Kopf wieder herstellen. Das hört sich im Grunde nach einem ganz gewöhnlichen Narrativ an, und ist es auch. Genau wie Rileys Erfahrungen in der äußeren Welt einer gewohnten Formel folgen, und sogar leicht vorhersehbar sind. Und das ist ganz klar die große Stärke dieses Films.
Der eigentliche Spaß entwickelt sich aus den parallel laufenden Ebenen wie Riley in der äußeren Welt agiert, während im Inneren die Gefühle versuchen alles zu steuern und unter Kontrolle zu halten. Und egal wie vorhersehbar, oder unlogisch Rileys Verhalten manchmal scheinen mag – unbeholfen, gelangweilt, oder rücksichtslos vor Neid – entwickelt man mit den gegengeschnittenen Chaos in der Gefühlszentrale, durchaus ein gewisses Verständnis für das zickige Verhalten eines pubertierenden Teenagers.
Und als Erwachsener darf man an dieser Stelle auch behaupten, dass sich so mancher Teenager im Publikum bestimmt in dieser unsortierten Gefühlswelt wiederfinden wird. Die Besucher des ersten Teils sind nach neun Jahren Produktionszeit genau im richtigen Alter (was sich im begeisterten Premierpublikum bestätigte). So plakativ die Geschichte oberflächlich betrachtet aussehen mag, so zutreffend wird sie wahrgenommen.
Wie so oft, geht es darum sich selbst zu finden und seinen Weg zu machen. ALLES STEHT KOPF 2 zeigt als eine Art Blick hinter die Kulissen, was während so eines Prozesses passiert. Die Zeit ist eben vorbei, dass nur Freude, Angst, Ekel, Wut und Kummer für Rileys Persönlichkeit und einhergehender Gefühlswelt verantwortlich sein können.
Selbst als ganz neues Team haben die Macher den Geist und die geistreiche Umsetzung von TEIL EINS bewahrt, verfeinert, und weiter ausgebaut. Sehr witzig, sehr originell, und absolut hintersinnig. Selbst TripleDent Gum erhitzt wieder das Gemüt von Wut.
Nur sitzen bleiben sollte man dann auch bis zum Schluss, für einen letzten Blick ins Verlies des Unterbewussten. Hier verkriecht sich Rileys dunkelstes Geheimnis…
Ein prächtiger Familienfilm, der tatsächlich alle Altersgruppen anspricht und erreicht.
Stimmen:
Joy – Freude: Amy Poehler / Nana Spier
Sadness – Kummer: Phyllis Smith / Philine Peters-Arnolds
Anger – Wut: Lewis Black / Hans-Joachim Heist
Fear – Angst: Tony Hale / Olaf Schubert
Anxiety – Zweifel: Maya Hawke / Derya Flechtner
Disgust – Ekel: Liza Lapira / Tanya Kahana
Envy – Neid: Ayo Edebiri / Olivia Büschken
Embarrassment – Peinlich: Paul Walter Hauser
Ennui – Langeweile: Adèle Exarchopoulos
mit Diane Lane, Kyle MacLachlan, Kensington Tallman
u.a.
Regie: Kelsey Mann
Drehbuch: Dave Holstein, Meg LeFauve
Bildgestaltung: Adam Habib, Jonathan Pytko
Bildschnitt: Maurissa Horwitz
Musik: Andrea Datzman
Produktionsdesign: Jason Deamer
Japan, USA / 2024
100 Minuten