THE WATCHERS – THEY SEE YOU

Watchers 1 - Copyright WARNER BROSTHE WATCHERS
a.k.a. THE WATCHED
– Release 06.06.2024 (world)

Es ist ein Leichtes, Ishana Night Shyamalan Nepotismus vorzuwerfen, worauf sich auch die filmorientierten Kritiker gierig stürzen. Vielleicht könnte man das Maya Hawke vorhalten, oder Scott Eastwood. Könnte! Aber warum? Letztere haben sich mit ihrem Talent bewiesen, auf das die Eltern gar keinen Einfluss haben. Das sieht bei einer Regisseurin vielleicht anders aus, deren Vater nicht nur Produzent ist, sondern die Produktion eigenfinanziert. Aber der Vater ist M. Night Shyamalan, einer der zweifellos streitwürdigsten Regisseure unserer Zeit. Man schätzt ihn für seine manipulative Subtilität in der Inszenierung. Man kritisiert ihn für seine die Handlung konterkarierenden Schlusspointen. Was zuerst mit leidenschaftlicher Vehemenz aufgebaut wurde, wird schließlich mit zerstörerischem Drang in die Absurdität geführt. In ihrem Regiedebüt begeht Ishana Shyamalan exakt dieselben Fehler. Vetternwirtschaft? Da werden solche Vorwürfe eher ad absurdum geführt.

Die junge Amerikanerin Mina arbeitet mit tragender Freudlosigkeit in einem Zooladen in Irland. Mit Perücke und viel Make-up verändert, geht sie nachts in Kneipen auf Männerjagd. Doppelung, Reflexion und Spiegelungen werden eine auffallende Konstante in der Inszenierung. Damit setzt die Regisseurin auch immer den Fokus auf Mina. Selbst in der ‚Coop‘ (Kabuff) genannten Betonhütte, in der sich mit drei anderen Personen die eigentliche Geschichte entfalten wird. Denn Mina trägt eine erdrückende Bürde, die sich immer wieder als zentraler Punkt kristallisiert. Weiter darauf einzugehen wäre Frevel an denen, die versuchen dem Film noch spannende Momente abzuringen. Aber subtil umgesetzt ist das nicht. Shyamalan nähert sich nicht an, sie wirft hinein.

Mina wird von Dakota Fanning gespielt. Zuletzt konnte sie sich noch in RIPLEY profilieren, was hier wie weggeblasen scheint. Fanning bekommt einfach nichts zu tun, außer mit sich selbst zu reden, um die Handlung mit Sinn und Inhalt zu füllen. Oder Mina redet mit dem seltenen Vogel, den sie in einen irischen Zoo bringen soll. Es wird sehr viel geredet in THE WATCHERS. Auf dem Weg in jenen Zoo bleibt Mina im Nirgendwo von Irlands Wäldern liegen. Das erscheint alles stark an den Haaren herbei gezogen, aber um eine obskure Erklärung ist der Film zu einem späteren Zeitpunkt nicht verlegen. Noch vor Anbruch der Dunkelheit, erscheint die ältere Madeline, die Mina ins ‚Coob‘ in Sicherheit bringt. Der große Betonraum mit einer Front eines Zwei-Wege-Spiegels.

Nachts kommen die ‚Watchers‘. Die Regeln sind einfach. Die vier im ‚Coob‘ gefangenen Menschen müssen sich in der Nacht den ‚Watchers‘ an der Spiegelfront zur Schau stellen, und dürfen ihnen nicht den Rücken zukehren. Tagsüber sind die Kreaturen verschwunden, und die Menschen können sich auch im Freien bewegen. Die Wälder sind viel zu weitläufig als das eine Flucht möglich wäre. Im ‚Kabuff‘ sind neben Madeline noch Ciara und Daniel. Ciara hat ihren Mann an die ‚Watchers‘ verloren. Ishana Shyamalan hat sich für das minimalistisch anmutende Szenario viel vorgenommen, wirft im Verlauf aber immer mehr Fragen auf, als sie zu beantworten weiß. Es entsteht eine dramaturgische Diskrepanz zwischen dem was man erfährt, und was rätselhaft bleiben muss.

Watchers 3 - Copyright WARNER BROS

Die gestörte Dramaturgie können die eigentlich fähigen Darsteller nicht auffangen. Es wird viel geredet in THE WATCHERS. Bedeutungsschwanger wird viel erklärt, auch ins Blaue hinein, wenn es niemanden für die Ansprache gibt. Aber es wird nicht gespielt. Vor allem Fanning und auch die immer sehenswerte Olwen Fouéré wären prädestiniert, aus dem Horrorszenario ein psychologisches Kammerspiel erster Güte entstehen zu lassen. Als Ciara merkt man Georgina Campbell förmlich an, dass der Hintergrund der Geschichte mehr aus ihr herausholen könnte. Aber die frisch gebackene Filmemacherin stellt grundsätzlich Gestaltung über Substanz. Konstruktive Unterstützung hätte Shyamalans Kino-Erstling bei der Umsetzung des Drehbuchs merklich gut getan.

Keltische Folklore hat in den vergangenen Jahren verstärkt Einzug im Genre gehalten, besonders bei irischen Produktionen. Vorne dran gibt es da HOLE IN THE GROUND, oder im komischen Bereich BOYS FROM COUNTY HELL. Ishana Shyamalan will da die ganze Strecke gehen, und übernimmt sich, durch den mühsamen Versuch, die auflösende Erklärung am Ende zu liefern. Es gibt Momente, da geht das Konzept des Geheimnisvollen sehr gut auf. Besonders Ali Arensons stimmungsvolle Kameraarbeit schafft immer wieder eine elegant mysteriöse Atmosphäre in den kargen, unwirklichen Wäldern, und dann mit den Schatten und schemenhaften Andeutungen der ‚Watchers‘. Der Horror funktioniert auch noch am besten, wenn die Kamera mit der Wahrnehmung spielt.

Doch das Spiel mit dem unbestimmten Grauen verflüchtigt sich ins Lächerliche, wenn sich die Regisseurin dazu entschließt, die Kreaturen in ihrer ganzen Gestalt zu zeigen. Wenn man nicht ohnehin schon von Desinteresse heimgesucht wird, weil es dem Film einfach nicht gelingen will, Spannung gut aufzubauen und dann aber auch zu halten. Es gibt keine klare Linie. Das Anfangs auffallende Konzept von Spiegelung und Reflexion wird unbedeutend, sobald man von Minas Schicksal erfährt. Warum haben sich die betroffenen Protagonisten in all der Zeit im ‚Coob‘ noch nie jene Fragen gestellt, die dem Publikum sofort in den Kopf schießen, und dann doch unbeantwortet bleiben. Ishana Shyamalan beweist sich mit atmosphärischen Bildern und herkömmlichen Gruselmomenten. Aber eine gute, substanzielle Geschichte erzählt sie nicht. Und ihren merklichen Absichten wird sie auch nicht gerecht.

Watchers 2 - Copyright WARNER BROS

 

Darsteller: Dakota Fanning, Georgina Campbell, Olwen Fouéré, Oliver Finnegan, Alistair Brammer, John Lynch u.a.

Regie & Drehbuch: Ishana Night Shyamalan
nach dem Roman von A.M. Shine
Kamera: Eli Arenson
Bildschnitt: Job ter Burg
Musik: Abel Korzeniowski
Produktionsdesign: Ferdia Murphy
Irland, USA / 2024
102 Minuten

Bildquelle: WARNER BROS
Dieser Beitrag wurde unter Allgemein, Im Kino gesehen abgelegt und mit , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar