– Bundesstart 13.06.2024
– Release 22.05.2024 (US)
Eines der größten Hindernisse bei Julio Torres‘ PROBLEMISTA ist Julio Torres selbst. Der Comedian aus El Salvator hat in Deutschland überhaupt nicht den Bekanntheitsgrad, als das man seine schräge Komödie in den eigentlich angedachten vollen Zügen genießen könnte. Das wird besonders frustrierend, wenn man sich mit seinen Comic-Routinen erst nach dem Film beschäftigt. Und selbst da ist Torres nicht wirklich festzulegen. Er beschäftigt sich mit Formen, zwei- oder dreidimensional. Oder mit Räumlichkeit und Farben. Es ist schwer mit wenigen Worten zu beschreiben, aber es hilft ein kleines bisschen, die Geschichte von Alejandro leichter zu verstehen. Der Junge aus El Salvator bewirbt sich mit obskuren Ideen als Spielzeugerfinder bei Hasbro. Das sind die mit Monopoly, Twister, Transformers, oder auch G.I. Joe. Ihm bleiben allerdings nur noch vier Wochen, um zumindest einen Sponsor zu finden bevor seine Aufenthaltsgenehmigung abläuft.
Eigentlich ist PROBLEMISTA die klassische Außenseitergeschichte mit einem typischen Underdog. Ein verkanntes Genie mit aberwitziger Fantasie, der gegen das System ankämpft, dafür aber erst an seinen eigenen Unzulänglichkeiten arbeiten muss. Keine wirkliche Hilfe ist dabei die Kunstkritikerin Elizabeth, will die Inszenierung zumindest fürs erste vorgaukeln. Elizabeth ist eine zerstörerische Egoistin, mit einem derben Mundwerk, dass selbst ihren engsten Freundeskreis verstört. Auch wenn sich Julio Torres neben Produzent, Autor und Regisseur auch noch als erster Darsteller anführt, ist PROBLEMISTA ohne jeden Zweifel, und wie so oft, ein Tilda Swinton Film.
Swintons ewig genervte, ständig schlecht redende Elizabeth bewegt sich unentwegt auf der Linie zur Hysterie. Sie glänzt dabei mit so viel einnehmender Energie, dass man sie umgehend vermisst, wenn ihr Charakter in der Szene fehlt. Die Gabe von Swinton liegt in der Glaubwürdigkeit ihrer Figur, die in ihrer überspannenden Art aber nie die Schwelle zur Karikatur überschreitet. Elizabeth ist dieses unangenehme Wesen, dem jeder im Publikum schon zumindest einmal begegnet ist. Jemand der trotz seiner nach außen gerichteten Unverschämtheiten, derart in sich selbst gekehrt ist, dass Widerspruch gar nicht möglich wird. Allerdings macht Elizabeth den Film alleine nicht aus.
Alejandro tötet bei seinem Nebenjob in einem Cryo-Center endgültig den tiefgefrorenen Künstler Bobby, zufällig auch der Lebenspartner von Elizabeth. Als bizarre Wiedergutmachung muss Alejandro dreizehn Gemälde von Bobby ausfindig machen, damit Elizabeth sie in einer würdigenden Ausstellung verkaufen kann. Dann, und nur dann, wird sie vielleicht auch Alejandros Sponsoring für seine Aufenthaltsgenehmigung übernehmen. Das ist selten spannend, oft absehbar, aber meistens absurd witzig. Torres ist aber mit seinem watschelnden Gang, dem treudoofen Blick, und seiner einfältigen Stimme nicht wirklich ein Darsteller, der so einen Film anzuführen versteht.
Mit seinen manchmal widersinnigen, manchmal umwerfend komischen Ideen ist der Filmemacher sehr nah an seinen Bühnenstücken. Soweit bereitet der Film auch schräge Freude. Alejandros überdimensioniertes Spielhaus in El Salvator. Bobbys eigenartiges Konzept einer Gemäldereihe. Die Mitbewohner in der Wohngemeinschaft. Die grotesken Ideen für Spielzeug (ein Spiralentreppenläufer der sich weigert nach unten zu gehen). Die Unterhaltungen mit der personifizierten Craigslist. Das eigenartig karge Set-Design. Einige Szenen lösen sich auch gar nicht auf, ihr Ausgang erklärt sich vielleicht irgendwann später. Aber es fehlt Julio Torres eine konsistente Struktur in der Inszenierung.
PROBLEMISTA ist vielmehr Nummernrevue als Spielfilm. Skurril, überraschend, impulsiv, und immer wieder faszinierend, aber kein Film der durch eine stimmige Dramaturgie überzeugen kann. Und dafür ist der abseitige Humor dann doch zu wenig. Fredrik Wenzel macht mit seiner Kamera das Beste aus dem was nach einem geringen Budget aussieht. Viele In-Camera-Effekte, ein paar klassische Split-Screen-Einstellungen. Wenzel weiß die Räumlichkeiten gut zu nutzen und nach mehr aussehen zu lassen. Mit einem feinen Gespür für Dialogszenen, schafft er bei den Wortgefechten zwischen den Protagonisten wunderbare Einstellungswechsel, mit einer natürlichen Dynamik.
Genau betrachtet hat PROBLEMISTA mit 12 Millionen Dollar eigentlich kein geringes Budget. Im Low-Budget-Bereich (ja, 12 Millionen sind mittlerweile Low-Budget), gibt es visuell weit aufregendere Abenteuer, gerade wenn es um Fantasie-Produktionen geht. Es wird aber auch ersichtlich, dass Julio Torres mehr Wert auf seine Comic-Routinen legt. Und auf eine vollkommen frei drehende Tilda Swinton, die das mit merklich freudiger Energie auch tut. Beides sind die tragenden Elemente von PROBLEMISTA. Das eine wird in dieser filmischen Form nicht sehr leicht zugänglich. Und das andere ist Swinton, die muss man einfach sehen. Also eine leichte Diskrepanz in der Motivation für einen Film, der ohnehin mit einer kaum vorhandenen Struktur zu kämpfen hat. Bricht man das auf Kunst herunter, liegt es am Ende sowieso im Auge des Betrachters.
Darsteller: Tilda Swinton Julio Torres, RZA, Isabella Rossellini (Erzählerin), Greta Lee, Larry Owens, Catalina Saavedra, James Scully u.a.
Regie, Drehbuch: Julio Torres
Kamera: Fredrik Wenzel
Bildschnitt: Jacob Secher Schulsinger, Sara Shaw
Musik: Robert Ouyang Rusli
Produktionsdesign: Katie Byron
USA / 2023
104 Minuten