DIE MUPPETS im Kampf gegen die Nostalgie

 

„Jetzt tanzen alle Puppen
macht auf der Bühne Licht,
macht Musik bis der Schuppen
wackelt und zusammenbricht.“

Gary und Walter sind Brüder. Sie teilen alles, machen alles gemeinsam und verstehen sich prima. Ihr Leben scheint perfekt, bis Walter die alte Fernsehserie „The Muppet Show“ für sich entdeckt. Aus der anfänglichen Begeisterung für den Frosch Kermit und seine Gesellen wird eine manische Leidenschaft. Der aus Fleisch und Blut bestehende Gary steht seinem Bruder Walter bei. Doch was bindet Walter so fanatisch an diese längst vergangene Zeit und ihre schrillen Figuren? Ist es nur deshalb, weil Walter selbst irgendwie nach Filz und Schaumstoff aussieht?

Nach 90 Minuten Leidenschaft, Lacher und Liedern bleibt die Frage offen, ob dies nun ein lautstarkes Comeback gewesen sein soll oder ein grandioses Abschiedsfest. Sehr freundlich wurde Darsteller Jason Segels Anliegen, die Muppets wieder ordentlich auf die große Leinwand zu bringen, nicht aufgenommen. Viele Kontroversen wegen verschiedener Drehbuchentwürfe mussten überwunden werden, und Entrüstungen über den Hintergrund der Handlung, die Muppets hätten ihre Popularität längst verloren, waren unvermeidlich. Doch wer die letzten mühseligen, oft unangenehmen Versuche sah, die Muppets filmisch weiterzubringen, der kann Jason Segels Hartnäckigkeit nur zu schätzen wissen. Seine persönliche Geschichte um die Wiedererweckung der anarchischen Horden spiegelt sich im Drehbuch wieder, mit Walters Bemühen, die Muppets für diesen einen, ganz großen Auftritt wieder zusammenzubringen.

Segel als Produzent, Co-Autor und Hauptdarsteller hat gleich alle Filme der vergangenen Jahre als nicht existent erklärt. „The Muppets“ bilden somit den direkten Anschluss an „Muppet Show“ und „The Muppet Movie“, wobei letzterer selbst eine Klammer um die „Muppet Show“ bildet. Lediglich ein Bild von Kermit und Miss Piggy stammt aus einem anderen Film. Und als nicht nur erklärter, sondern auch spürbarer Fan der wilden Puppen hat Jason Segel auch all die notwendigen Hebel in Bewegung gesetzt. Das bedeutete, nicht nur auf den nostalgischen Faktor zu setzen, sondern ein allgemeingültiges Familienvergnügen zu schaffen, das auch unbedarfte Achtjährige mitreißen kann.

Leider funktionieren die Muppets als eigenständige Familienunterhaltung dann doch nur bedingt. Was nicht weiter tragisch wäre, hätte man den Ton und die Stimmung des Films einer höheren Altersgruppierung angepasst. Aber den gesamten Film durchzieht die Atmosphäre eines reinen Kinderfilms. Natürlich sind der chaotische Charme und selbstreferierende Witz vorhanden, den viele Zuschauer aus der Serie mitgenommen haben. Oftmals beißt sich der lockere, subtile Umgangston der Puppen mit dieser Spur Naivität, die aus diesem Film unbedingt einen Film für alle Altersgruppen machen möchte.

Doch alles in allem bleiben die Muppets einfach die Muppets. Chaotisch, hintergründig, überraschend und immer wieder jenseits aller Vernunft und Logik. Wenn Kermit am Anfang eine Wiedervereinigung der Figuren für unwahrscheinlich hält, antwortet Amy Adams, dass dies ein sehr kurzer Film werden wird. Etliche solcher Dialoge verweisen auf die alten Qualitäten der Show und rufen ins Gedächtnis, dass die Muppets der eigentlich erwachsene Gegenentwurf zur Sesamstraße waren. Zum Beispiel die eine Explosion, während der man nur die zusehenden Muppets sieht und Fozzie erstaunt sagt: „Wow, was für eine extrem teuer aussehende Explosion. Ich hätte nicht gedacht, dass so etwas im Budget war.“

Das sind die Muppets, wie Erwachsene sie kennen, wie man sie zu schätzen gelernt hat, und wie man sie letztlich auch sehen möchte. Wenn sie sich selbst überhaupt nicht ernst nehmen oder Pragmatismus über Logik stellen. Da wird eine Reise nach Paris nicht mit einem zeitaufwendigen Flug bewältigt, sondern behilft sich mit der Reise per Landkarte, wo man mit einer gestrichelten Linie von A nach B kommt. Und dass die alten Zeiten noch immer Gültigkeit haben, sieht man bei einer Gesangseinlage, wo in einem total verdreckten Kühlschrank sogar das total verschimmelte Gemüse mitsingt.

„Die Muppets“ ist ein Musical. Und wie das mit Musicals so ist, wird darin sehr oft gesungen, was bei „Muppet Show“ oder „Muppet Movie“ meist in absurd komischen Situationen endete. Das ist auch bei diesem Film die Intention, allerdings hat es die deutsche Synchronisation geschafft, die Lieder vollkommen in den Sand zu setzen. In einem Film ohne Altersbeschränkung muss man zugestehen, dass Untertitel nicht sehr vorteilhaft sind. Doch was man dem Publikum hier zumutet, ist eine Frechheit und eine Beleidigung für die Künstler des Films. Dabei singen die jeweiligen Synchronsprecher nicht einmal ihre Lieder selbst, sondern werden auch noch von Sängern vertreten, die allerdings den Eindruck hinterlassen, überhaupt nicht singen zu können. Ganz zu schweigen von den irrwitzig schlechten Übersetzungen der Texte, die weder an Reim, Versmaß oder der Situation im Film angepasst wurden. Die deutsche Synchronfassung bringt an diesen Stellen den Film vollkommen aus seinem Konzept.

Dafür ist es wieder einmal ein kleines Wunder, wie Kameraeinstellungen, Bildaufteilung und Choreografie die Handpuppen in ein natürliches Setting einbinden. Don Burgess’ Szenenbild ist so elegant gestaltet, dass Interaktionen von Mensch und Puppen oder von Puppen zu einem realen Umfeld einfach natürlich, ungezwungen und echt aussehen. Man kann sich den Aufwand hinter der Konzeption der einzelnen Szenen gar nicht vorstellen, der notwendig ist, um schon in der Vorproduktion zu einem fließenden, natürlichen Ablauf des Szenarios zu kommen. Ganz zu schweigen von den Bühnenbauten oder gar den Originalschauplätzen, die so gestaltet werden müssen, dass der Zuschauer ohne Zögern der Illusion erliegt, die Figuren wären eigenagierende Darsteller. Und das trotz des vollkommenen Verzichts auf den verlockenden Computer. Die eigentliche Stärke seit der Erfindung der Muppets war das Selbstverständnis in ihrem nur scheinbar natürlichen Auftreten. Und Don Burgess hat für „Die Muppets“ diese Magie wieder vollkommen werden lassen.

Man muss Jason Segels Bemühungen schätzen, dass er diesen Film nach seinen Vorstellungen umsetzen durfte. Tatsächlich sind diese liebenswerten Figuren Relikte einer vergangenen Zeit, weil alles, was nach Jim Hensons Tod kam, lediglich das Ausruhen auf dem Ruhm war, den die Muppets genossen haben. Doch im Zeitalter von medialer Reizüberflutung und immer geringerer Aufmerksamkeitsspannen war niemand wirklich an einer Weiterentwicklung dieser eigensinnigen Charakteristik aus Stoff, Film und Schaumgummi interessiert. In „Die Muppets“ werden sie mit all ihren Spinnereien wieder ernstgenommen. Wenn zum Beispiel der Muppet-Nerd Walter in seinem menschlichen Alter-Ego von Big-Bang-Theory-Geek Jim Parsons dargestellt wird, zeigt dies die tiefe Verbundenheit und das Verständnis der Macher zu dieser festen Größe, welche die Muppets als popkulturelle Institution darstellen.

Am Ende des Films könnten die Muppets in ihrem Anliegen gescheitert sein und werden sie doch triumphal gefeiert. Der Zuschauer wird mit einem Unterton aus dem Kino entlassen, dass sich die Muppets durchaus bewusst sind, sich wieder in der Unterhaltungswelt beweisen zu müssen, und dass ihre Vormachtstellung nur nostalgischer Art ist. Jason Segels Version der Muppets könnte als Comeback ebenso gefeiert werden, wie man ihn als endgültigen Abschied von der großen Bühne werten könnte. Das ist letztlich eine Frage an die Akzeptanz des Publikums. „Die Muppets“ sind schrill, laut, chaotisch, aber auch sentimental, unterschwellig und rührend. Sie sind immer witzig, manchmal schreiend komisch, aber auch in der Lage, ein verschmitztes Lächeln auf die Gesichter zu zaubern. Der Film hat Mängel, könnte auch etwas konsequenter sein und verlässt sich eine Spur zu sehr auf den Bekanntheitsgrad. Dennoch ist er soweit gelungen, dass ein Wiedersehen wahre Freude bereitet hat, mit all den vertrauten Figuren und ihrer Welt, in der es immer noch so viel zu entdecken gibt.

„All of us under its spell. We know that it’s probably magic.” Kermit –The Rainbow Connection

Muppets:
Peter Linz – Walter
Steve Whitmire – Kermit, Beaker, Statler, Rizzo, Link Hogthrob, The Newsman
Eric Jacobson – Miss Piggy, Fozzie Bear, Animal, Sam Eagle, Marvin
Dave Goelz – Gonzo, Dr. Bunsen Honeydew, Zoot, Beauregard, Waldorf, Kermit Moopet
Bill Barretta – Chef, Rowlf, Dr. Teeth, Pepe die Krabbe, Bobo, Gary
David Rudman – Scooter, Janice, Miss Poogy, Wayne
Matt Vogel – Sgt. Floyd Pepper, Camilla, Sweetums, 80’s Robot, Lew Zealand, Uncle Deadly, Roowlf, Crazy Harry

Darsteller:
Jason Segel, Amy Adams, Chris Cooper, Rashida Jones, Alan Arkin, Zach Galifianakis, Ken Jeong, Sarah Silverman, Emily Blunt, James Carville, Whoopi Goldberg, Selene Gomez, Neil Patrick Harris, Judd Hirsch, Mickey Rooney, Jack Black u.a.

Regie: James Bobin
Drehbuch: Jason Segel, Nicholas Stoller
Kamera: Don Burgess
Bildschnitt: James Thomas
Musik: Christoph Beck
Produktionsdesign: Steve Saklad
USA / 2011
zirka 98 Minuten

Bildquelle: Walt Disney Studios
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