Bundesstart 21.03.2024 – Release 20.03.2024 (BEL)
Es ist ein fantastisches Kunststück, wie GHOSTBUSTERS: AFTERLIFE nach unendlich scheinenden 35 Jahren den Geist (beabsichtigt) des Originalduetts trifft, und gleichzeitig eine von allen Seiten geschätzte Neuausrichtung vollzieht. Zwischen schräger Komödie, leichtem Grusel und starker Figurenzeichnung, überzeugt vor allem eine bewegende, für Nerds geradezu herzzerreißende Verabschiedung. Der Verlust von Ghostbusters-Erfinder Harold Ramis ist nicht einfach tragisches Element, sondern Fundament für AFTERLIFE, ohne dabei auf inszenierte Tränendrüse oder unangebrachten Humor zu setzen. Durch die einfühlsame Regie von Jason Reitman stellt sich die angestrebte Emotionalität von selbst ein. Gil Kenan versucht jetzt bei FROZEN EMPIRE ähnlich Berührendes mit dem Charakter von Phoebe Spengler, die mittlerweile mit fünfzehn Jahren auch für andere Dinge als Wissenschaft ihre Gefühle entdeckt. Das geht ebenfalls zu Herzen, krankt aber wie einiges in FROZEN EMPIRE, an einer unsteten und holprigen Handlungsstruktur.
Die Köpfe hinter AFTERLIFE, Kenan und Reitman, haben für die Position im Regiestuhl getauscht. Gerade von Jason Reitman, dem Sohn des ersten GHOSTBUSTERS Regisseurs und erneuten Co-Autoren, sowie verantwortlicher Produzent, hätte Gil Kenan aber für seine Aufgabe viel mehr Unterstützung in Tempo und szenischem Gleichgewicht erfahren können. Einiges an Action-Geschehen hätte eine ausgeschmücktere Umsetzung vertragen, während die meisten Charakter-Szenen unnötig viel Zeit in Anspruch nehmen. Es entsteht ein permanentes Ungleichgewicht, bei dem man in ruhigen Passagen das Gefühl bekommt, etwas von einem anderen Handlungsstrang zu versäumen.
Und FROZEN EMPIRE hat einige Handlungsstränge, die greifen aber selten stimmig ineinander. Vom Hinterland in die Großstadt. Die Patchwork-Familie Grooberson-Spengler ist im altehrwürdigen Feuerwehrhaus in New York sesshaft geworden. Dank reichlicher Erfahrung aus Summerville, Oklahoma, haben Callie, Gary, Phoebe und Trevor die Geisterjagd zur Profession erhoben. Das wird schnell und energiegeladen erzählt, nur das dabei viele Hintergründe keine Erklärung finden. Die Genialität von AFTERLIFE lag im exzellenten Narrativ für Neueinsteiger, bei gleichzeitig exzessivem Fan-Service. Bei FROZEN EMPIRE hingegen, bleiben Quereinsteiger weitgehend auf der Strecke.
Vierzig Jahre haben die Ghostbusters sämtliche gefangenen Gespenster, in all ihren Wesensformen, im speziell konstruierten Safe der Feuerwache deponiert. Der Safe steht mittlerweile kurz davor zu bersten, weil es vormals keinen Plan B gab. Zudem kommt ein uraltes Relikt ins Spiel, in dem ein mächtiger Dämon festsitzt. Dem kämen für seine Schreckensherrschaft die Geister der Feuerwache sehr gelegen, doch um diese zu befreien benötigt er die Stimme einer/eines Lebenden. Währenddessen lernt das fünfzehnjährige Wissenschaftsgenie Phoebe den Geist der im Zwischenreich gefangenen Melody kennen, und vergisst darüber die Gefahren, die im Umgang mit paranormalen Wesen lauern.
Noch ausgeprägter als in AFTERLIFE ist dies der Film von Mckenna Grace, und damit dem wahnsinnig guten Charakter der Phoebe. Grace beherrscht unglaublich eindringlich die Balance zwischen unerschrockener Jägerin, neunmalklugem Nerd in allen Bereichen, und der verunsicherten Spätpubertierenden. Reitman und Kenan haben mit Phoebe vor zwei Jahren eine Figur ins Leben gerufen, die einzig in Form von Mckenna Grace schon ausreichend zu geben versteht, aber zukünftig ganz sicher mit viel mehr überraschen wird. Das Problem: Es gibt zehn weitere Charaktere. Und die kommen einfach zu kurz, oder werden unausgewogen behandelt. Der Cameo von Patton Oswalt gar nicht berücksichtigt.
Paradoxerweise wird Finn Wolfhard, aktuell einer der überzeugendsten Jungdarsteller, sozusagen in einen Nebenstrang abgeschoben. Dieser unterhält ungemein, bedient aber Fans, jedoch kaum die Handlung. Sehr uninspiriert und eher nervig ist hingegen Logan Kim als Angeber ‚Podcast‘, was die stümperhafte, deutsche Synchronisation auch noch bekräftigt. Synonym für die verwirrenden Schwächen in FROZEN EMPIRE, dass jemand wie Wolfhard zurückstecken muss, aber einem Kim so viel Platz eingeräumt wird. Verwirrend deswegen, weil jede Sequenz für sich einfach funktioniert, in sich stimmig ist, und jede einen ganz eigenen Charme durch einen konsequenten Fokus entwickelt.
Sind die jeweiligen Element herrlich gespielt, arrangiert und mit ansprechendem Witz umgesetzt, bringt Kenan sie kaum in einen homogenen Fluss. Entweder muss man sich immer wieder orientieren, den eigentlichen Kern nicht aus den Augen zu verlieren, oder stellt sich die Frage, wo der Kern der Geschichte tatsächlich liegt. So macht FROZEN EMPIRE einen permanent unsteten Eindruck, obwohl es doch so tolle Action gibt, starkes Schauspiel, sowie ein eigentlich unschlagbares Narrativ. Und nonstop treffendem Humor, der erneut auf billige Schenkelklopfer verzichtet, sondern mit trockenen Einzeilern, unaufdringlicher Situationskomik, und perfekten Timing der Darsteller überzeugt.
In Sachen Humor wird sich die Szene im Bürgermeisterbüro und der Kinderarbeit als ikonisches Merkmal etablieren. In Sachen Ghostbusters wird er der Reihe hingegen nur bedingt gerecht. Eine intensivere Nachbearbeitung des Buches hätte mehr als gut getan. Die in AFTERLIFE erzählte Geschichte der Nachkommen des Wissenschaftlers Egon Spengler, einem der drei Gründer der Ghostbusters, etablierte unglaublich geschickt eine ganz neue Generation. Wobei die Erzählung sehr raffiniert in der Notwendigkeit für die originalen Jäger kulminiert. Sozusagen eine umgekehrte Fackelübergabe. Nur einen Film später werden sie von Kenan und Reitman zu Beiwerk degradiert.
Eine essenzielle Bedeutung wird Ray Stantz, Peter Venkman, oder Winston Zeddmore kaum noch zugestanden. Natürlich muss man loslassen können, und natürlich kann das Franchise auch weiterhin funktionieren. Mit etwas mehr Sorgfalt, wird es sogar sehr gut funktionieren. Bei FROZEN EMPIRE hat man den Originalen aber keinen Gefallen getan, weil sie zu aufdringlich in eine aktive Rolle gepresst sind, in der ihnen die Geschichte keine relevante Bedeutung mehr zukommen lässt. Zwar glänzt Ur-Vater Dan Aykroyd als Ray Stantz immer wieder kurz mit kindlichem Enthusiasmus. Aber durch die mächtige Fokussierung auf Mckenna Grace, drängt ihn die Regie weit in den Hintergrund.
Schlimmer ist es mit Murray, der als Venkman in Erscheinung tritt, nur um da zu sein. Die Szene mit dem an den ersten Teil angelehnten Experiment macht unglaublich Spaß, ist letztendlich aber doch nur reiner Selbstzweck. Eigentlich ist alles da, und doch ist es irgendwie zu wenig. Wobei man noch von Glück reden muss, dass die kreativen Köpfe die Geschichte, wenngleich sehr zerfahren, weit in den Vordergrund stellen, und nicht dem Reiz eines Effekte-Spektakels erlegen sind, welches heutzutage möglich ist. Auch wenn sich der Einsatz des Computers nicht verleugnen lässt, ist die Anmutung und nostalgische Annäherung an praktische Tricks und In-Kamera-Effekte eine cineastische Wohltat.
Seine Wurzeln kann und will FROZEN EMPIRE ganz offensichtlich nicht verleugnen. Somit ist ein gesteigerter Unterhaltungswert nicht wegzudiskutieren. Aber genauso wenig lassen sich Probleme mit dem Buch und manch fragwürdige Entscheidungen in der Inszenierung nicht schönreden. Festzustellen das der Film seine überragenden Möglichkeiten oftmals nicht wahrnimmt, ist genauso berechtigt, wie zu sagen, dass GHOSTBUSTERS: FROZEN EMPIRE auf seine Weise verdammt viel Spaß macht.
Darsteller: Paul Rudd, Carrie Coon, Mckenna Grace, Finn Wolfhard, Kumail Nanjiani, Patton Oswalt und natürlich Bill Murray, Ernie Hudson, Dan Aykroyd, Annie Potts, William Atherton u.a.
Regie: Gil Kenan
Drehbuch: Jason Reitman, Gil Kenan
Kamera: Eric Steelberg
Bildschnitt: Nathan Orloff, Shane Reid
Musik: Dario Marianelli
Produktionsdesign: Eve Stewart
USA / 2023
115 Minuten