Hat sich eine Filmreihe jetzt schon den eigenen Wind aus den Segeln genommen? Man dürfte niemanden damit überraschen, wenn man erwähnt, dass in „Spiel im Schatten“ Sherlock Holmes‘ legendärer Rivale Professor Moriarty eine nicht unwesentliche Rolle spielt. Nach einem furiosen Auftakt vor 2 Jahren mussten die Macher nach den Regeln der Fortsetzung selbstverständlich das Tagwerk großzügiger ausstatten. Und bis zu einem gewissen Grad hat es auch funktioniert. Alles ist vorhanden, was Teil 1 so extravagant, kühn und provozierend machte.
Natürlich schrien Puristen auf, die einen Basil Rathbone oder Peter Cushing erwarteten, aber einen abgehalfterten Action-Helden bekamen. Sogar der selbstgefällig unsympathische Benedict Cumberbatch traf den Nerv der Holmes-Fangemeinde viel eher als die Interpretation eines Downey Jr.. Dabei ist die Umsetzung der Figur, wie sie 2009 von Lionel Wigram und Michael Robert Johnson ersonnen und von Guy Ritchie umgesetzt wurde, viel näher an dem von Arthur Conan-Doyle geschriebenen Charakter als die bisherigen Verfilmungen. Die erklärten Vorahnungen, die Freude an Verkleidungen, die Depression ohne Arbeit, seine asiatischen Kampfkünste, es ist alles da, was Conan-Doyle vorgegeben hat. Und nach den Regeln der Fortsetzung eben dieses Mal alles eine Schlagzahl höher angelegt.
Das Autorenteam hat gewechselt, der Stil des Regisseurs nicht. Sorgsam hat man darauf geachtet, dass der in Freude erwartende Fan auch bekommt, was man ihm versprochen hat. Die optische Umsetzung der Vorahnungen Holmes werden häufiger verwendet, was leicht zu Reizüberflutung führen kann. Wahrscheinlich hatten die Schreiber Angst, der Zuschauer könnte ohne die ständige Wiederholung die Genialität im Showdown vermissen. Eine Flucht-Sequenz in einem Waldstück, mit beschleunigten und extrem entschleunigten Aufnahmen soll ganz offensichtlich der Explosionsszene im Schlachthausviertel von Teil 1 Rechnung tragen, ist aber in ihrem Bombast eher optisches Spektakel als spannende Action.
Alles in allem wirkt „Spiel im Schatten“ wie eine extreme Erweiterung des ersten Films und nicht wie ein eigenständiges, in sich geschlossenes Abenteuer. Was an Änderungen oder Neuerungen Einzug gefunden hat, ist zu unbedeutend, hingegen was an Versatzstücken wiederholt wird, wirkt teilweise überfrachtet. Selbst Hans Zimmers Musik, die sich auf Variationen eines Themas aus dem ersten Teil beschränkt, ist derart aufdringlich eingesetzt, dass sie mit ihrer Wucht an manchen Stellen das Geschehen auf der Leinwand erdrückt.
„Spiel im Schatten“ ist dann am besten, wenn er ruhige Momente angeht. Diese ruhigen Momente sind schließlich die ungestörten Treffen zwischen Holmes und Moriarty. Bei diesen prickelnden Wortgefechten fällt einmal mehr auf, warum Robert Downey Jr. nicht nur zu den beliebtesten, sondern auch besten Darstellern in Hollywood zählt. Und es zeigt sich, dass die Wahl des relativ unbekannten Jared Harris für Professor Moriarty die beste aller Entscheidungen war. Die Intensität des verbalen Schlagabtausches der beiden Erzrivalen weckt dabei sogar Erinnerungen an Pacinos und DeNiros Restaurant-Szene in „Heat“. Hier endlich bietet dieser zweite Teil dem Zuschauer eine enorme Steigerung zum Vorgänger.
In einem grandiosen Finale, das mit Previsualisierung, spitzen Dialogen und einer kühnen Wendung ausgetragen wird, lässt sich ersehen, dass Sherlock Holmes niemals wieder einen derart gerissenen weil gleichwertigen Geist als Gegner haben wird. Hoffentlich hat Guy Ritchie damit nicht sein Pulver für eine hoffnungsvolle Filmreihe verschossen. Dafür hat Arthur Conan-Doyle noch einiges an Vorlagen bereitgestellt, und dabei muss es nicht immer „höher, schneller, weiter“ sein. Denn dieses augenblickliche Gespann an Ensemble, Regie und Szenenbildner hat so viel Stärke, dass sie auch in leiseren Tönen ganz Großes bieten können.
Darsteller: Robert Downey Jr., Jude Law, Noomi Rapace, Rachel McAdams, Jared Harris, Stephen Fry, Kelly Reilly u.v.a.
Regie: Guy Ritchie
Drehbuch: Michele Mulroney, Kieran Mulroney
Szenenbild: Philippe Rousselot
Bildschnitt: James Herbert
Musik: Hans Zimmer
Produktionsdesign: Sarah Greenwood
England / 2011
zirka 129 Minuten