Matthew Vaughn – ARGYLLE

Argylle 1 - Copyright UNIVERSAL PICTURES– Bundesstart 01.02.2024
– Release 31.01.2024 (FR)

Die Vorgeschichte zu ARGYLLE ließt sich wie der Inhalt eines kniffligen Agentenfilms. Marv Studios kündigen 2021 ein drei-Filme-Projekt mit Matthew Vaughn an, welches auf dem noch nicht veröffentlichten Debüt-Roman der Autorin Elly Conway basiert. Allerdings kann ein investigatives Branchenblatt keine Schriftstellerin dieses Namens ausmachen. Aber durch wenige Details aus dem Inhalt, wird die Vorproduktion durch das Gerücht befeuert, hinter der unbekannten Autorin würde sich Taylor Swift verbergen. Einen Monat vor Filmstart der Spionage-Action-Komödie erscheint tatsächlich ‚Argylle: Book One‘, mit der Angabe von Elly Conway als Autorin. Allerdings gibt das Buch nicht die Handlung des Films wieder. Regisseur Matthew Vaughn hat das Drehbuch von Jason Fuchs schreiben lassen, aber das Autoren-Duo Tammy Cohen und Terry Hayes beauftragt einen Roman im Stil der fiktiven Hauptprotagonistin Elly Conway zu verfassen. Allerdings – ganz am Ende des Films, wird sich der Kreis zu der gelungenen PR-Kampagne schließen.

Die alleinstehende Autorin Ally Conway hat eigentlich nur ihre Katze Alfie, und ihren Spion Argylle, den sie in bisher vier Bestseller-Romanen abenteuerlich überdrehte Action und Liebesäfferen bestreiten ließ. Wegen einer kleinen Schreibblockade lässt der fünfte Band auf sich warten, was allerdings nicht nur ihre Leser und Fans ungeduldig macht. Auch Agenten des Geheimdienstes ‚The Division‘ beginnen ihre Jagd auf die vollkommen überraschte und überforderte Elly, die Hilfe des dubiosen Aidan bekommt, der vorgibt ein Spion zu sein. ‚Division‘ ist die Organisation, die Elly in ihren Romanen ‚Direktorat‘ nennt, und die ist durchaus real. Wie so ziemlich alle Handlungsdetails aus ihren Büchern.

Wirklich überraschend ist die Prämisse von ARGYLLE nicht, wenn man bedenkt, dass Regisseur Matthew Vaughn einen vollkommen neue Art von Agentenfilm beworben hat. Allerdings erweist sich die erfrischende Unverfrorenheit von absolut gekünstelten Dialogen, bewusstem Übermaß an Action-Unglaubwürdigkeit und gewollt unrealistischen GCI-Effekten tatsächlich neu. Ein Ergebnis, dass Vaughn bereits mit seiner KINGSMAN-Reihe erzielte, allerdings in wesentlich zurückhaltenderer Umsetzung. Das bereitet großes Vergnügen, besonders mit dem für die 80er Jahre Genre-typischen Overacting von Henry Cavill und Dua Lipa, in den visualisierten Auszügen aus den Argylle-Büchern.

Bei ARGYLLEs Action erklärt sich auch die Notwendigkeit von gleich drei Cuttern. Col Goudie, Tom Harrison-Read und Lee Smith haben mit der Kameraabteilung von George Richmond bemerkenswerte Sequenzen auf die Leinwand gezaubert. Wenn sich das Geschehen in den Büchern auf die Realität überträgt, und Sam Rockwell im ‚wirklichen Leben‘ die Rolle des Super-Agenten übernimmt, sieht man aus Bryce Dallas Howards Perspektive immer Henry Cavill als überlegenen Kämpfer gegen die Mehrzahl an Bösen. Kamerabewegungen und Schnitte gestalten die Übergänge zwischen Rockwell und Cavill fließend. Die akrobatische Kampf-Choreografie gewinnt dabei sogar an Dynamik.

Argylle 3 - Copyright UNIVERSAL PICTURES

Der Handlungsverlauf und das Schicksal von Elly Conway überrascht nicht, was der Regisseur sicherlich auch nicht als Neuerung bezeichnen kann. Dafür ist in Form und Gestaltung sehr offensichtlich, dass die Macher hauptsächlich daran interessiert sind, ihr Publikum visuell ausladend und Adrenalin getrieben zu unterhalten. Mit einem Ensemble wie diesem, sollte das auch kein Problem sein. Tatsächlich sind die Darsteller auch nicht das Problem, sondern deren leidenschaftslose Figurenzeichnung. Alles was die Regie diesen erstklassigen Schauspielern bietet, ist das maßlose übersteigern von formelhaften Schablonen, denen keinerlei Überraschung im Charakter zugestanden wird.

Bryce Dallas Howard als überforderte Single-Frau, Henry Cavill als beinhart stoische Heldenfigur, oder Sam Rockwell als undurchsichtiger Sprücheklopfer. So kennt und liebt man auch diese Darsteller, doch manchmal schlägt es schon auf das Gemüt, weil es grundlegend an Nuancen fehlt. Auf der anderen Seite werden die Talente von Ariana DeBose und John Cena in undankbaren Kurzauftritten verschenkt. Zudem nimmt der zügellose Spaß merklich ab, wenn sich Ellys Schicksal offenbart und die Agenten-Action von den Buchseiten in die reale Ebene übergeht. Der Regisseur überschreibt dann die filmische Wirklichkeit, mit den unrealistischen Möglichkeiten der geschriebenen Fiktion.

Niemand kann wirklich eine realistische Abhandlung in einem Action-Abenteuer wollen. Aber das sich Matthew Vaughns fiktive Buchwelt schließlich kein bisschen von der im Film als Realität dargestellten Ebene unterscheidet, macht die Geschichte dann doch etwas langweilig. Hier holt die Erzählung schließlich die Wirklichkeit ein. Wie Elly, die nicht weiß wie sie das letzte Kapitel schreiben soll, verliert sich auch Vaughn ausgerechnet in der Auflösung des letzten Aktes. Im geheimen Geheimversteck der ‚Division‘, gipfelt Vaughns Phantasie in einem Showdown der in weiten Teilen lächerlich ist. Die Eislaufsequenz und die Rauchbomben-Choreographie sind eigenartige Zeugnisse, wie jemanden ein anfangs fabelhafter Film entgleiten kann. In der Mitte der Credits gibt einem der Regisseur noch einiges zum Nachdenken mit auf dem Weg. Das Buch von Cohen und Hayes scheint nicht nur als Werbeträger geschrieben zu sein, doch die daraus resultierenden Möglichkeiten, auch in Zusammenhang mit Vaughns anderen Werken, erwecken gemischte Gefühle.

Argylle 2 - Copyright UNIVERSAL PICTURES

 

Darsteller: Bryce Dallas Howard, Sam Rockwell, Henry Cavill, John Cena, Bryan Cranston, Catherine O’Hara, Ariana DeBose, Dua Lipa, Sofia Boutella u.a.

Regie: Matthew Vaughn
Drehbuch: Jason Fuchs
Kamera: George Richmond
Bildschnitt: Col Goudie, Tom Harrison-Read, Lee Smith
Musik: Lorne Balfe
Produktionsdesign: Russell De Rozario, Daniel Taylor
Großbritannien, USA / 2024
139 Minuten

Bildrechte: UNIVERSAL PICTURES INTERNATIONAL
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