– Bundesstart 08.02.2024
– Release 04.01.2024 (AUS)
1972 wurde Stephen Kings Kurzgeschichte ‚Der Wäschemangler‘ veröffentlicht. Bis dahin eine der absonderlichsten von bösen Mächten besessene Todesfalle in gedruckter Form. So absurd, dass die Geschichte tatsächlich erst 1995 verfilmt wurde. Von keinem Geringeren als Tobe Hooper, was die Sache auch wieder erklärt. Der Drang immer mehr einfaches Geld zu verdienen, beflügelt bizarre Kopfgeburten. Wobei Quentin Dupieuxs RUBBER in dieser Reihe nicht aufgeführt werden darf. Der Autoreifen, der wahllos mordend durch die Wüsten rollt, ist eindeutig der Satire zuzuordnen. Satire ist nicht die Absicht in Dick Maas‘ THE LIFT, oder Peter Stricklands DAS BLUTROTE KLEID. Die Titel sind tödliches Programm. Warum also nicht auch der Swimming Pool, diese mittelschichtige Oase des eingebildeten Luxus. Mit der geballten Unverfrorenheit der Produzenten Jason Blum und James Wan wird in den letzten Jahren so ziemlich jede Unwahrscheinlichkeit zur Geldfalle für Horror-Nerds und erste Dates.
Familie Waller findet ein Haus und damit endlich ein dauerhaftes Heim. Vater und Baseball-Veteran Ray leidet an einer degenerativen Krankheit, wahrscheinlich MS, damit hat die Karriere und die ständigen Umzüge wegen der Mannschaftswechsel ein Ende. Glück im Unglück. Warum das geräumige Haus mit großzügigem Pool im Garten so billig zu erwerben ist, wissen die Zuschauenden bereits aus der Vor-Titel-Sequenz. Und die ist nicht nur richtig spannend, sondern wahrhaft gruselig. Dreißig Jahre vorher will die kleine Rebecca das lange vermisste, und plötzlich wieder aufgetauchte Spielzeugboot ihres kranken Bruders aus dem Pool fischen. Doch der Pool hat andere Pläne.
Mit der erklärenden Eingangsgeschichte gibt Regisseur Bryce McGuire ein sehr effektiv inszeniertes und unter die Haut gehendes Horrorstück vor, dass er im weiteren Verlauf nur noch wiederholen kann. Und das wirkt bereits bei der zweiten Attacke des unberechenbaren Wassers ziemlich abgenutzt. Auch wenn Charlie Sarroff mit der Kamera das Objekt der Begierde in eindrucksvollen Stimmungen wiedergibt. Schon bei RELIC und SMILE hat Sarroff eher mittelmäßige Horrorfilme mit seinem Gespür für atmosphärische Gestaltung über das inhaltliche Niveau gehoben. In NIGHT SWIM schafft er effektvoll fließende Übergänge von sonnigem Badespaß zur mörderischen Bedrohung.
Die Bilder lassen den Pool von außen und im Wasser einladend übersichtlich erscheinen, oder verwandeln die Szenerie in einen unendlich scheinenden, finsteren Abgrund. Regisseur Bryce McGuire weiß sehr gut seine Darsteller in diesen Situationen des Terrors überzeugend zu inszenieren. Die Verunsicherung und Panik überträgt sich immer wieder auf das Publikum. Doch das ist bei weitem nicht ausreichend. Die unsinnige Prämisse eines dämonischen Pools muss auch mit einem entsprechenden Augenzwinkern umgesetzt sein. Niemand erwartet einen zweiten COCAINE BEAR, aber die Macher McGuire und Co-Autor Rod Blackhurst sind so verbissen ernst, das es unfreiwillig komisch wird.
Neun Jahre zuvor haben Bryce McGuire und Rod Blackhurst den drei Minuten dauernden Kurzfilm NIGHT SWIM realisiert, der permanent als offensichtliche Vorlage gepriesen wird. Tatsächlich erinnert die Spielfilm-Version von NIGHT SWIM wesentlich mehr an den 2020 entstanden Kurzfilm DEEP END von Zachary Donohue und Anthony Sellittis. Viele der Bildmotive, Kameraeinstellungen und auch der gestalterischen Ideen aus den fünf Minuten DEEP END lassen sich in NIGHT SWIM wiederfinden. Ob Absicht dahinter vermutet werden kann, sei dahin gestellt. Aber Donohue und Sellittis‘ Kurzfilm ist die ehrlichere und weit spannendere Variante eines mörderischen Swimming Pools.
Selbst Größen wie Kerry Condon und Wyatt Russell können durch ihre aufgezwungene, kompromisslose Ernsthaftigkeit nicht von dem Dilemma seiner künstlich überfrachteten Prämisse ablenken. Die überzeugende Verletzlichkeit von Amélie Hoferle als junge Tochter Izzy verspricht da Anfangs noch mehr an dramaturgischen Potential, weil kurz der Eindruck einer aufkeimenden Coming-of-Age-Allegorie entsteht. Doch starke darstellerische Leistungen und die bemerkenswerte Kameraarbeit verlieren sich am Ende in einem albernen Konstrukt eines abstrusen Mythos aus uralten Zeiten. Wenn sich dann auch noch die Spiritualität des Wasser als körperliches Wesen manifestiert, verliert der Film endgültig jeden Halt im aktuellen Horrorkino ernst genommen zu werden.
Darsteller: Wyatt Russell, Kerry Condon, Amélie Hoeferle, Gavin Warren, Jodi Long, Elijah Roberts, Eddie Martinez u.a.
Regie: Bryce McGuire
Drehbuch: Bryce McGuire, Rod Blackhurst
nach ihrem Kurzfilm
Kamera: Charlie Sarroff
Bildschnitt: Jeff McEvoy
Musik: Mark Korven
Produktionsdesign: Hillary Gurtler
Australien, Großbritannien, USA / 2023
98 Minuten